Detlef Köhne

Heinrich Töpfer und die Jubelkugel


Скачать книгу

gesund, macht die Sache aber ungemein prickelnd.«

      Heinrich schüttelte ungläubig den Kopf und griff nach dem ausgepackten Testexemplar, das auf dem Regal bereitlag.

      »Lass mal sehen«, sagte Hagweed und nahm ihm den Zauberstab aus der Hand. Mit Kennermiene untersuchte er den Stab und machte ein paar Probeschwünge.

      »Nicht übel. Liegt gut in der Hand«, murmelte er, ließ nacheinander erst ein paar Funken sprühen, brachte einen kleinen Stapel Kartons zum Schweben und löste über dem Nachbargang kurz die Sprinkleranlage aus. Heinrich war entzückt.

      »Nicht im Markt, Sir«, rief jemand einige Regale hinter ihnen mit leicht panischem Unterton in der Stimme. Ein junger Mann in der roten Kleidung des Verkaufspersonals, leicht durchnässt und offenbar Opfer des plötzlichen Sprinklerschauers, kam dienstbar herangewuselt und wedelte bereits von Ferne abwehrend mit den Armen. »Bitte nicht im Markt, Sir. Wenn Sie ihn ausprobieren möchten, zeige ich Ihnen gerne unseren Teststand.«

      »Jaja, ist ja schon gut, Alter«, beruhigte Hagweed, machte einen lockeren Schlenker mit dem Zauberstab und ließ den Angestellten die letzten Schritte bis zu ihnen stepptanzend zurücklegen. »Der Junge muss schließlich sichergehen, dass er keinen Schund kauft.«

      »Zuverlässige, präzise und benutzerfreundliche Bedienung. Abtastrate 600 dpi. Geringe Streuwirkung. Belastbar und stabil. Drei Jahre Garantie. Jetzt zum Einführungspreis«, ratterte der Verkäufer, noch immer stepptanzend, herunter und sah Hagweed verzweifelt an.

      »Willst du ihn?«, fragte Hagweed und änderte den Tanzstil des Verkäufers mit einem Schnippen des Zauberstabes von der schwungvollen Fred-Astaire-Imitation auf einen harten irischen Tapdance-Rhythmus.

      »Erstklässlergeeignet mit Backfire-Schutz. Entspricht MU-Norm 666«, schnaufte der Verkäufer.

      »Denk aber dran«, mahnte Hagweed, »mit allem, was über den Grundbedarf hinausgeht, wird dein Konto belastet. Ist nicht gerade das preisgünstigste Modell.«

      »In der Liste stand doch ›Kaufen Sie nicht den billigsten Plunder‹, oder?«, erinnerte sich Heinrich. »Außerdem kostet Einkaufen in Träumen nichts.«

      »Okay, wir nehmen ihn. Einmal auf den Namen Heinrich Töpfer, für die Akademie Hochwärts.« Hagweed zog das Schreiben aus der Tasche und ließ endlich von dem Angestellten ab, der einen Moment keuchend an das Regal gelehnt stehen blieb, sich Schweiß und Sprinklerwasser von der Stirn wischte und sich sodann daran machte, die Angaben zu notieren.

      »Vielen Dank, mein Junge. Wir empfehlen Sie weiter.« Hagweed zuckte kaum merklich mit dem Testzauberstab, bevor er ihn weglegte, und hatte es plötzlich eilig, zum Ausgang zu kommen. Im nächsten Moment begriff Heinrich, warum: Der Verkäufer war mit aneinandergetackerten Hosenbeinen im Gang hingeschlagen und seufzte tief und weltverneinend. »Ich bin zu alt für diesen Scheiß«, hörte Heinrich ihn jammern.

      »Okay, das hätten wir auch«, sagte Hagweed, als sie im Schein der Abendsonne wieder auf der obersten Galerie der Winkel-Mall standen. »Was fehlt noch?« Er las die Einkaufsliste durch. »Klamotten ... Bücher ... Zauberstab ... über Haustiere haben wir schon gesprochen ... Flugroller kommen für dich noch nicht in Frage ... und das mit den Knie- und Ellbogenschonern schenken wir uns mal. Das ist was für Memmen. Tja, damit hätten wir 's eigentlich. Ich muss noch kurz in den, äh, Coffieshop. Ähm, da gehe ich besser allein rein. Ist dort nichts für dich. Und vorher noch zur Bank und das Päckchen aus Schwurbelbarts Schließfach abholen.«

      Sie fuhren hinunter ins Basement der Winkel-Mall, wo am anderen Ende der Haupthalle die Zauberbank Grünkotz eine kleine Filiale unterhielt.

      Vor dem einzigen Schalter stand noch ein weiterer Kunde, ein kleines Männlein in einem viel zu weiten Umhang, in dessen Ärmeln es sich gerade verhedderte, als es ein Formular unterschreiben sollte. Hinter dem Tresen, eifrig in Kontoauszügen blätternd, hockte ein Bankangestellter, ein sehr merkwürdig aussehender kleiner Kerl, höchstens einen Meter hoch und damit noch einen Kopf kleiner als der Kunde, der vor ihm stand. Er hatte blau schimmernde Haut, große runde Augen und eine dicke blaue Knollennase. An einem Schreibtisch für Geldanlagegeschäfte saß ein weiteres dieser seltsam gedrungenen Männchen, ein drittes füllte soeben neben dem Eingang einen Prospektständer mit Flyern über Immobilienangebote auf. Mit ihren einheitlichen weißen Hosen und Mützen wirkten sie wie uniformiert.

      »Was sind denn das für welche?«, fragte Heinrich leise.

      »Das sind, äh, Dings. Sie sind die Währungshüter unserer gesamten Welt. Wie sie richtig heißen, wissen wir nicht. Sind ein höchst geheimnisvolles Völkchen und sprechen eine ziemlich verwirrende Sprache.«

      »Für mich sehen die aus wie Schlümpfe«, sagte Heinrich.

      »Was schlumpfen Sie?«, fragte sie der Wicht am Schalter, als sie an der Reihe waren.

      »Siehst du?«, sagte Heinrich keck. »Sag ich doch.«

      »Was? – Ach so, ja, äh ... hi. Ich habe hier eine Vollmacht für das Schließfach von Professor Schwurbelbart, Hochwärts. Geben Sie mir bitte alles, was drin ist.«

      »Schlumpfen Sie bitte einen Augenblick. Ich schlumpfe sofort zurück«, sagte der Schalterschlumpf beflissen und verschwand.

      »Siehst du, Heinrich, so falsch kannst du bei uns gar nicht sein, wenn du sogar weißt, wie diese seltsamen blauen Kobolde richtig heißen«, sagte Hagweed gedämpft.

      Der Schlumpf kehrte mit einem Päckchen, etwas kleiner als ein Schuhkarton, zurück und kletterte wieder auf seinen hohen Bürostuhl. Er schob Hagweed ein Quittungsformular hin. »Würden Sie mir den Empfang bitte schlumpfen? Schlumpfen Sie bitte hier, hier, hier und hier. – Danke, beschlumpfen Sie uns bald wieder.« Mit diesen Worten schob er Hagweed das Päckchen über den Tresen.

      15

      »Was hältst du davon, Rolf?«, fragte Oberzerstörungsrat Schmelzer.

      Der Angesprochene, ein schmächtiger Kerl mit dünnrandiger Brille und ungleich langen Hörnern, las aufmerksam den öligen Vermerk. »Hm, und du meinst, das fällt in meine Zuständigkeit?«, fragte er Schmelzer und rückte sich die Krawatte zurecht. Rolf Dunkel war Leiter des Dezernates Finsternis und Verderben.

      »Klar, ist doch das Gleiche, wie damals beim Marsprojekt«, sagte Schmelzer. »Ist 'ne Weile her, aber ich erinnere mich noch ganz gut.«

      »Marsprojekt?«, wagte Alfred Poloser eine Zwischenfrage.

      »Das Marsprojekt ist das größte Kaliber, das wir bisher durchgezogen haben«, erklärte Schmelzer. »Und er ist ein gutes Beispiel für die Abgrenzung der Dezernate. Sehen Sie ihn sich an! Den Mars, meine ich. Er ist öde und leblos, aber er ist noch da. Also, nicht Zerstörung, sondern Finsternis.«

      »Naja, Franz, man muss allerdings zugeben, ganz unrecht hat Poloser nicht«, widersprach Dunkel. »Chaos und Zerstörung müssen sich nicht zwangsläufig auf das Objekt als Ganzes beziehen, und häufig sind sie auch Vorstufen von Finsternis und Verderben. Und dann wärst du mit deiner Abteilung mit im Boot.«

      »Hm, die Dezernate waren in dieser Frage nie ganz sauber zugeschnitten«, brummelte Schmelzer.

      Rolf Dunkel und Oberzerstörungsrat Schmelzer sahen sich mit erhobenen Augenbrauen an. Poloser schöpfte Hoffnung. Schmelzer schien mit sich zu ringen, ob er seinen Widerstand aufgeben sollte. Vielleicht dachte er aber auch nur über das kommende Mittagessen nach.

      »Hören Sie, Poloser, falls bei Ihrer kleinen Unternehmung auch Gewalt und Unterdrückung eine Rolle spielen –« Du liebe Zeit, war dieser Kerl unflexibel! Natürlich spielten Gewalt und Unterdrückung eine Rolle! Wann ging es bei der Unterjochung einer Welt schon ohne dem ab? »– dann sollten wir auf jeden Fall Gewaltrat Panik hinzuziehen.«

      Alfred Poloser ächzte verzweifelt. Noch einer? Dann hätte er schon drei dieser bürokratischen Höllenfürsten an den Hufen. Wie hatten diese verdammten Bürohengste überhaupt jemals ein Projekt zu Ende geführt?

      In diesem Moment öffnete