Detlef Köhne

Heinrich Töpfer und die Jubelkugel


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um so etwas zu finden«, Hagweed deutete auf seine modische Jeans, »oder so was wie deine Nikes, wirst du hier lange suchen müssen. Ein vernünftiges Shirt oder 'ne Baseballkappe findest du in der ganzen Winkel-Mall nicht. Für die lässigeren Klamotten kenne ich ein paar Nupsiläden, in denen ich mich bei Bedarf eindecke. Aber wir sind ja schließlich wegen deiner Schuluniformen hier.«

      Hagweed war der geborene Einkaufsführer und er wusste genau, wie er Heinrich zu nehmen hatte. Spaßhaft zog er hier und da ein Kleidungsstück aus dem Regal, machte sich mal über rosa Herrenumhänge und mal über Schuhe mit goldenen Schnallen lustig. »Bei der Damenwäsche sind wir fast auf dem gleichen Modeniveau wie die Nupsis. Ist vielleicht noch ein bisschen früh für dich, an derlei zu denken.« Er nahm einen cremefarbenen BH vom Wäscheständer und hielt ihn sich vor die Brust. »Scharf, oder?«

      Heinrich prustete los. Keine Frage, der Bummel mit dem fröhlichen Hagweed machte sogar den Klamottenkauf zu einem Erlebnis.

      »Fangen wir mit den Umhängen an. Weißt du wirklich nicht, was für eine Größe du hast? Na, egal. – Hier, probier mal den. Und den.« Er warf Heinrich ein paar Umhänge zu. »'ne Umkleide brauchst du nicht. Ist ja nur zum Überziehen.«

      Heinrich fing die Umhänge auf und schaute Hagweed kurz mit einem Anflug von Unsicherheit an, nickte sich dann selber anfeuernd zu und streifte ihn sich über: den ersten Zaubererumhang seines Lebens.

      In der nächsten halben Stunde probierte er ein Dutzend Roben in allen möglichen dunklen Farbtönen an. Schließlich entschieden sie sich für zwei schwarze Modelle, in denen Heinrich aussah wie ein Rechtsanwalt. Nur der Spitzhut mit der zur Seite geknickten Spitze mochte nicht recht in einen deutschen Gerichtssaal passen. Dazu kauften sie ein paar flauschige graue Pullis und einen Winterumhang aus windundurchlässigem Stoff ein. Er hatte ein herrlich weiches, herausknöpfbares Futter aus der Wolle eines Tieres, das Samtbeutler hieß und das Hagweed als verbreitetes Nutztier bei den Zauberern der nördlichen Breitengrade beschrieb.

      »Okay«, meinte Hagweed. »Nun zu Hemden und Krawatten.«

      »Oh je, muss das sein?«, nörgelte Heinrich.

      »Geht leider nicht anders. Während der Unterrichtszeiten gehören Hemd und Krawatte zur vollständigen Schuluniform«, erklärte Hagweed entschieden und schichtete einen Stapel weißer Hemden und – passend zu den Umhängen – schwarzer Krawatten auf.

      Für das Krawattenbinden mussten sie Hilfe herbeirufen, denn diese Technik hatte Hagweed einfach nicht drauf und Heinrich erst recht nicht. Doch die mit Maßbändern bewehrten Verkäuferinnen waren zahlreich und hilfsbereit, und der den Damen längst aufgefallene athletisch gebaute Hagweed verstand es, so charmant und einnehmend mit ihnen umzugehen, dass sie sich beinahe darum prügelten, ihm und dem – wie sie es nannten – netten jungen Mann, zu Diensten sein zu dürfen.

      Schließlich stand Heinrich komplett eingekleidet in Umhang, Hemd und Krawatte vor dem Spiegel und begutachtete das Ergebnis. »Gar nicht uncool«, sagte er zufrieden zu seinem Spiegelbild und dachte an die ›Men in Black‹. »Gibt 's zu dem Outfit auch die passende Sonnenbrille?«

      »Wenn du willst«, grinste Hagweed und setzte Heinrich ein Modell mit kleinen, ovalen Gläsern auf, das er vom benachbarten Brillenkarussell genommen hatte.

      »Haben wir dieses Jahr brandneu im Sortiment«, hauchte Babette, ihre hübsche junge Verkäuferin und schlug unter Hagweeds Blick die Augen nieder.

      Der nickte anerkennend. »Wird höchste Zeit, dass ein paar modische Accessoires in die Zaubererwelt kommen. Sehen Sie sich das nur an, Babette.« Er zerrte Heinrich von dem Spiegel weg. »Mach mal den Umhang auf, Heinrich. Hier – der Knirps hat im kleinen Finger mehr Geschmack für Klamotten, als die halbe Zaubererschaft in ihren weisen Gehirnen. Jeans und Nikes, das ist es, was der Zaubermode fehlt. Möbeln Sie Ihre Kollektion auf, Babette. Geben Sie 's weiter an Ihren Chef, oder, noch besser, machen Sie es selbst vor. Kommen Sie – drehen Sie sich mal. – Gar nicht übel. Können Sie sich vorstellen, wie Sie in einer solchen Jeans aussähen?«

      Babette wurde knallrot.

      »Trauen Sie sich was. Raus aus den alten Tweedklamotten. – Nein, nicht jetzt sofort. Vielleicht später. Ich lass Ihnen mal ein paar Adressen zukommen, Babette. Damit hängen Sie C&A endgültig ab. – Was meinst du, Heinrich? Jeans und Turnschuhe für den Anfang?«

      Heinrich nickte grinsend. »Bei den Jacken könnte man auch noch was machen«, sagte er.

      Hagweed ließ sich Babettes Karte geben (»Siehst du, Heinrich? So schnell kommt man an die Kontaktdaten.«), und ab der nächsten Saison würde der Modestore H&M gewiss ein hübsches Zusatzgeschäft machen.

      14

      »Wofür steht C&A?«, fragte Heinrich, nachdem sie das Modehaus verlassen hatten.

      »›Conservativ und Altmodisch‹, glaube ich. – Für die Schulbücher geht's gleich hier nebenan rein.« Sie betraten Guten&Berg, wo sie Heinrich mit einem ganzen Schwung an Lehrbüchern eindeckten. Schleppen mussten sie nichts. Ebenso wie bei H&M genügte es auch hier, dass Hagweed zum Bezahlen die Hochwärts-Einkaufsliste zückte und Order gab, das ganze Zeug an die Schule zu schicken.

      »Du kannst froh, sein, dass wir vorhin beim Sprung durch das Dimensionstor über Los gekommen sind und du 4000 Geld einziehen durftest, sonst würdest du in Hochwärts gleich mit einem Minus auf deiner Misa-Card starten. Die Lehrmittelbeihilfe bezahlt nämlich nur einen Teil der Kosten für deine Ausrüstung.«

      »›Geld‹ ist irgendwie eine seltsame Bezeichnung für eure Währung«, meinte Heinrich. »Wieso heißt sie nicht Dollar, Taler, Dukaten, Euro oder so was?«

      »Warum sollte sie? Überall auf der Welt, egal, ob in deiner oder in meiner, bezahlt man mit Geld, oder? Wozu sich also einen komplizierten Namen dafür ausdenken?« Das leuchtete ein.

      Sie zogen weiter und hakten Punkt für Punkt die lange Einkaufsliste ab.

      »Okay, jetzt den Zauberstab«, sagte Hagweed, als sie in die zweite Ebene zum Magier Markt hinauffuhren.

      Endlich! Der Zauberstabkauf! Längst hatte Heinrich jeden Restwiderstand aufgegeben und genoss den abendlichen Einkaufsbummel. Je absonderlicher die Geschehnisse wurden, desto mehr akzeptierte er die Dinge, die er kurz vorher noch absurd gefunden hatte, als normal. Das Unmögliche war zum neuen Maßstab geworden. Und der Zauberstab weckte seine besondere Neugier.

      Als sie den Magier Markt betraten, fühlte sich Heinrich stark an heimische Elektronikmärkte erinnert, inklusive der roten ›Mann, bin ich blöd‹-Reklame. Nur das Warensortiment störte den vertrauten Eindruck. Gleich neben dem Eingang gab es allerlei Haushaltsgeräte zum Herstellen, Aufbewahren und Verarbeiten von Zaubertränken und Lotionen, wie zum Beispiel eine magische Zentrifuge, die durch ionisiertes Marsgestein angetrieben wurde. Das Gestein war im Preis nicht inbegriffen.

      Neben einem Wühltisch mit metallisch aussehenden taschenlampengroßen Stäben, die Heinrich verdächtig wie die Griffe von Laserschwertern aussahen, und einer Reihe Kristallkugeln mit zwei Jahren Garantie für fehlerreduzierte Wahrsagerei, rotierte eine Rolltreppe. Zauberstäbe gab's im Obergeschoss.

      Ein ehrfürchtiges Kribbeln überkam Heinrich, als sie vor einer Stellwand mit Filmprojektoren (›Leuchtkäferprojektion; lebenslanger Tauschservice für verendete Leuchtkäfer inklusive‹) eine lange Regalreihe mit Zauberstäben erreichten. Verpackt in bedruckten Kartons oder durchsichtigen Plastikverpackungen lagen sie aufgestapelt im Regal, grad wie zu Haus die Computermäuse. Jeweils ein Testexemplar lag aus zum Probezaubern.

      »Moment mal, Microsoft baut Zauberstäbe?«, fragte Heinrich erstaunt und nahm eine rote Plastikschachtel aus dem Regal.

      »Wieso nicht? Die bauen schließlich auch Joysticks, oder?«

      Heinrich betrachtete die Schachtel. »IntelliWand mit IntelliEye«, las er fassungslos. »Revolutionäre Zauberstabtechnik mit Force Feedback.«

      »Glückwunsch, da hast