Катя Брандис

Feuerblüte II


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Bei ihrem Kampf gegen den Weißen Panther hatte ihr Schwert ihr durch Träume geholfen, ihr einen Weg gezeigt, wie sie mit dem Dämon fertig werden konnte …

      Alena legte die Hand um den Ledergriff ihres Schwerts und zwang sich, alle Gedanken aus ihrem Kopf zu verbannen, zur Ruhe zu kommen. Sie musste einschlafen! Doch die Nachricht vom Fall der Grenze, die Aufregung, ließ sich nicht so leicht verdrängen. Es schien ewig zu dauern, bis ihre Augenlider schwer wurden, bis sie es schaffte, wegzudämmern …

       Wirbelnder Nebel. Alena sieht kaum die Hand vor dem Gesicht. Nervös bleibt sie stehen, blickt sich um, versucht im weißen Nirgendwo etwas zu erkennen. Schritt für Schritt wagt sie sich hinein ins Unbekannte. Doch auf einmal kann sie es kaum mehr erwarten, anzukommen. Freude durchpulst sie. Sie beginnt zu rennen, obwohl sie nicht sieht wohin. Der Nebel lichtet sich etwas, gerade genug, dass Alena eine eigenartige Landschaft dahinter ahnen kann, und eine schlanke Gestalt, die sich gegen den hellen Himmel abzeichnet …

      Mit einem Ruck erwachte Alena. Der Cayoral, den sie vorhin verschüttet hatte, war noch nicht getrocknet; sie konnte kaum mehr als ein paar Momente geschlafen haben. Langsam löste sie die Finger vom Griff ihres Smaragdschwerts. Ein Echo der Freude, die sie vorhin gespürt hatte, kehrte zurück, als sie an den Traum dachte. Jetzt war sie sicher, dass sie jenseits der Grenze etwas Wunderbares finden konnte. Etwas, das ihr Leben verändern würde.

      Sie musste aufbrechen – sobald wie möglich.

      Doch ein nagendes schlechtes Gefühl in ihrem Inneren blieb. Es fühlte sich nicht gut an, einfach so zu gehen. Sie wünschte, sie hätte sich richtig von ihrem Vater verabschieden können. Ich brauche mal wieder ein Ritual, dachte Alena. Ein Abschiedsritual. Aber nicht jetzt. Kurz bevor ich gehe.

      Sie begann die Sachen zusammenzusuchen, die sie für die Reise brauchte. Auch als sie hörte, wie jemand die Pyramide betrat, Schritte im Gang wahrnahm, packte sie weiter. Sie wusste längst, wer das war. Jelicas Schritte waren leichtfüßig und übermütig, Kilians ein wenig schüchtern, gleichmäßig. Alena wandte sich erst um, als sie Jelicas Stimme hörte.

      „Du gehst also trotzdem.“ Jelica lehnte im Türrahmen. „Überrascht mich ehrlich gesagt nicht. Aber was ist mit den Schwertern, die du fertig schmieden sollst?“

      Alena ließ sich nicht beim Packen stören. Eine zweite Tunika zum Wechseln, Schleifstein, Verbandszeug – jetzt brauchte sie nur noch Proviant. „Ich arbeite heute die Nacht durch. Meinetwegen auch noch den ganzen Tag morgen. Aber dann mache ich mich auf den Weg.“

      „Allein? Zu Fuß?“ Kilian sah beeindruckt, aber auch ein bisschen besorgt aus. Er hockte sich auf eine Werkbank und stützte sich mit den Armen nach hinten ab.

      „Nicht allein“, sagte Alena, hob den Kopf und sog die Luft ein. Sie musste lächeln. Es war nicht schwer zu merken, dass ihr bester Freund in der Nähe war, dazu roch er zu stark nach Raubtier. „Cchraskar, ich finde es ganz schön albern, dass du dich versteckst!“

      „Vorrsicht ist bessser als blaue Fleccken, Feuerblüte.“ Das haarige Gesicht des Iltismenschen lugte hinter der Tür hervor. Als Cchraskar grinste, kamen seine Fangzähne prächtig zur Geltung. „Die mögen micch nicht hier im Dorrf.“

      „Warum hast du Meister Palek auch den Torquil-Braten geklaut, den er zum Dörren rausgehängt hatte?“ Alena schüttelte den Kopf. „Das war nicht gerade schlau! Er konnte sich denken, wer’s war.“

      Kilian und Jelica beobachteten Alenes besten Freund mit großen Augen. Obwohl sie Cchraskar schon ein paarmal gesehen hatten, faszinierte er sie noch immer. Man sah nicht oft Halbmenschen in den Siedlungen, meistens blieben sie unter sich und scherten sich nicht um die „Dörflinge“ – denen sie Spitznamen gaben, die oft weniger schmeichelhaft waren als Alenas Name „Feuerblüte“.

      „Habt ihr gefragt, ob ihr mitkommen dürft?“, fragte Alena die Geschwister.

      Kilian blickte zur Seite, sein Mund war verkniffen. „Ja. Keine Chance, wie ich’s mir schon gedacht habe.“

      „Schade“, meinte Alena und versuchte, nicht zu zeigen, wie enttäuscht sie war. Es wäre eine nette Abwechslung gewesen, menschliche Gesellschaft zu haben.

      Jelica blickte sie neugierig an. „Was genau hast du vor? Wirst du mitkämpfen?“

      „Nein.“ Alena zurrte den Ledergurt um ihr Gepäck fest. „Nur wenn mir eins von den Viechern über den Weg läuft. Eigentlich will ich über die Grenze. Dass einer der Türme zusammengebrochen ist, ist eine Chance, wie es sie nur einmal im Leben gibt. Ja, ich weiß, das ist irgendwie egoistisch. Alle anderen verteidigen Daresh, nur ich nicht. Aber ich muss es einfach tun.“

      „Suchst du nach dem Schatz?“ Kilian sah sehnsüchtig aus.

      „Vielleicht – wenn ich gerade Zeit habe“, antwortete Alena. Der Schatz war ihr nicht besonders wichtig. Tavian und sie waren nicht arm. Wozu sollten sie noch mehr Besitz horten? Alena hatte kein Interesse daran, in einem Palast zu leben oder ein eigenes Dhatla zu reiten. Nur dass man sich in Atakán angeblich Liebesglück herbeiwürfeln konnte, klang interessant. Sie musste wieder an Kerrik denken, an sein sonnenfarbenes Haar und seine ruhige Kraft. Vergiss es, dachte sie streng. Vergiss ihn endlich, Rostfraß und Asche!

      „Ach verdammt“, rief Kilian. „Ich komme mit!“

      Jelica fuhr herum. „Ich glaube, der Gedanke an diese dreimal verfluchten Würfel von Atakán hat dir das Hirn geröstet!“

      „Es geht mir nicht nur um den Schatz.“ Kilian blickte ärgerlich und ein wenig schuldbewusst drein. „Diese Biester einfach an der Grenze zurückzuschlagen reicht nicht. Wir sollten herausfinden, wo sie herkommen und ob dort drüben vielleicht noch Schlimmeres lauert. Ich wette, sie werden uns noch dankbar sein dafür, dass wir uns nach drüben gewagt haben!“

      Gute Idee, dachte Alena anerkennend. Die muss ich mir merken, falls irgendjemand auf die Idee kommt, mir Vorwürfe zu machen.

      Doch Jelica schienen Kilians Worte eher noch wütender zu machen. Sie stieß sich vom Türrahmen ab und blitzte ihren Bruder an. „Und was ist, wenn sie den Turm reparieren, bevor ihr zurückkommt?“

      „Das werden sie nicht so bald hinkriegen“, sagte Alena und entschuldigte sich in Gedanken bei ihrem Vater dafür.

      „Keine Sorge, ich passe sccchon auf sie auf“, behauptete Cchraskar und sträubte wichtigtuerisch sein Fell, sodass er viel größer wirkte, als er war.

      „Na gut“, meinte Jelica plötzlich. „Ich komme auch mit.“

      Alena war verblüfft. Doch als sie sah, wie Jelica Kilian anblickte, begriff sie. Sie brachte es nicht fertig, ihren Bruder allein gehen zu lassen. Ihren kleinen Bruder, der inzwischen größer war als sie.

      ***

      Zwei Tage später, als die neuen Meisterschwerter fertig zum Abholen bereitlagen, stand Alena noch vor dem Morgengrauen auf. Obwohl sie fast die ganze Nacht durchgearbeitet und sich nur kurz hingelegt hatte, war sie nicht müde. Wieder einmal war sie dankbar dafür, dass Feuer-Leute in Zeiten der Gefahr wenig Schlaf brauchten.

      Ernst und konzentriert legte Alena die schwarze Tracht an, die die Feuer-Gilde zum Kampf trug. Dann wanderte sie zu einem Hügel in der Nähe, von dem aus man das ganze Dorf überblicken konnte. Dort setzte sie sich im Schneidersitz auf den Boden. Schweigend, das blanke Schwert auf den Knien, wartete sie auf den Sonnenaufgang. Es war ein herrlicher Anblick, als die ersten hellen Strahlen die Spitzen der Pyramiden wie mit flüssigem Gold überzogen.

      Alena war feierlich zumute. Sie stand auf und verbeugte sich leicht, so wie es vor einem rituellen Kampf üblich war. „Es war eine gute Zeit in Gilmor“, sagte sie und versuchte ihre Stimme fest und sicher klingen zu lassen.

      Sich von der Schmiede zu verabschieden, in der sie aufgewachsen war, fiel ihr schwerer. Alena sah sich ein letztes Mal darin um. Das Feuer in der Esse war ausgegangen und die beiden Ambosse kauerten schwer und klobig auf dem Boden. Hier und dort standen halb fertige Schwerter herum, der ungeschliffene Stahl noch dunkelgrau und voller kleiner Dellen, sodass die