Катя Брандис

Feuerblüte II


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leicht. Ja, er würde versuchen sie einzuholen. Alles Weitere musste er auf sich zukommen lassen.

      ***

      Alena zählte nicht mehr mit, wie viele Ortschaften sie schon durchquert hatten. Sie wusste nicht mal, wie das Erd-Gilden-Dorf hieß, in dem sie gerade rasteten. Wichtig war nur, dass es eine Schänke hatte, in der sie ihre Wasserbeutel wieder auffüllen konnten. Der Gastraum des Erdhauses war so voll mit Menschen, die dem Ruf folgten, dass sie sich zunächst vergeblich nach einem Sitzplatz umsahen. Dank Cchraskar klappte es schließlich – als die Gäste ihn neben sich bemerkten, rückten sie erschrocken zur Seite und machten Platz.

      Mit einem breiten Grinsen setzte sich der junge Iltismensch neben Alena und stützte sich mit den Vorderpfoten auf der Sitzbank auf. Iltismenschen waren aufgerichtet nur etwa einen Kopf kleiner als Menschen und Cchraskar konnte bequem über die Tischkante schauen.

      „Ich höre mich ein bisschen um“, verkündete Jelica. Sie hatte kein Problem damit, jeden den sie trafen, anzusprechen. „Wie kommen wir zur Grenze? Ach, da wollt ihr auch hin? Habt ihr gehört, wie’s vor Ort aussieht?“, fragte sie und hatte ruck, zuck ein Gespräch angefangen. Mit einem rundlichen Kerl, der in Vanamee einen Regenfisch-Verleih hatte und eine Horde zahmer Kampfkrabben mitbrachte. Mit einem Armbrust-Schützen aus Nerada, dem ein kleiner schwarzer Vogel auf der Schulter saß. Mit muskulösen Erdleuten aus den Steinbrüchen von Telfa, mit einem zerlumpten Geschichtenerzähler und einem halben Dutzend anderen Gestalten.

      „Sie ist einfach furchtbar neugierig auf Menschen“, meinte Kilian entschuldigend. „Manchmal kommt es mir vor, als müsste inzwischen jeder in Daresh sie kennen – oder zumindest jemanden kennen, der sie kennt.“

      „Ich wünschte, ich wäre auch so“, gestand Alena. „Aber so was schaffe ich nicht.“

      Kilian zuckte die Schultern. „Ich auch nicht. Doch ich fand es spannend, in Carradan immer wieder neue Leute zu treffen. Unsere Eltern hatten ein offenes Haus, ständig waren irgendwelche Gäste da …“

      „Aucch Halbmenschen?“, erkundigte sich Cchraskar interessiert.

      „Nein. Einmal hat sich ein Natternmensch in die Küche verirrt, aber wir, äh, haben ihn schnell wieder rausgeworfen.“

      Cchraskar brummte etwas Unübersetzbares in seiner Sprache.

      „Findet in Carradan nicht die Gipfelnacht statt?“ Alena hatte sich schon immer gewünscht, einmal bei diesem Fest mitmachen zu können. Feuer-Leute aus ganz Daresh versammelten sich und zogen auf den Berg Yintabor, um dort das alte Ritual zu vollziehen.

      „Doch. Unsere Eltern haben sie organisiert. Bis vor zwei Wintern. Da gab’s Ärger und meine Eltern haben alles hingeschmissen und sind nach Gilmor gezogen.“

      „Wahrscheinlich langweilt ihr euch da ganz schön, was? In Gilmor gibt’s ja nur ein paar Hundert Leute, man kennt sich, Überraschungen sind praktisch ausgeschlossen …“

      „Meinst du das ernst?“ Kilian lächelte. „Du warst letzten Winter ja wohl die größte Überraschung! Es war aber auch nicht übel, zu Zarkos Getreuen zu gehören. Schade, dass er uns vor die Wahl gestellt hat – entweder wir dürfen ihm weiter Gefolgschaft leisten oder wir sind mit dir befreundet. Da haben wir uns für dich entschieden.“

      „Das war nett von euch“, sagte Alena verlegen und war froh, dass in diesem Moment Jelica zurückkam. Sie wuchtete fünf Krüge Cayoral heran, zwei einfach gekleidete Erdleute zockelten hinter ihr her. Schüchtern blickten die jungen Männer auf den Boden. Anscheinend hatten sie bisher noch nicht viel mit der Feuer-Gilde zu tun gehabt.

      „Das sind Bonto und Lollok“, erklärte Jelica, lud sie ein, sich zu setzen, und schob ihnen je einen Krug zu. „Die Burschen leben hier in der Gegend und haben Dhatlas gezüchtet. He, Bonto, erzähl meinen Freunden, was du über die Grenze weißt!“

      Bontos Gesicht hellte sich auf, als er Jelica ansah. Kein Zweifel, sie hatte einen neuen Bewunderer. „Tja, das Ding ist in zwei Tagesreisen Entfernung. Man sieht es normalerweise nicht. Die Gegend spiegelt sich sozusagen darin und man erkennt nicht, dass dort die Welt zu Ende ist. Aber jetzt kann man die Grenze auf einen Blick ausmachen. Auf unserer Seite ist es grün, auf der anderen Seite sind nur Steine.“

      „Hast du probiert drüberzukommen?“

      „Früher natürlich nicht, das ging nicht. Diese Tore waren zu unheimlich.“ Bonto schauderte. „Als die Grenze zusammengebrochen ist, bin ich natürlich auch einen halben Sonnenumlauf lang rübergewandert. Am Tag natürlich. Da sind die Biester verschwunden. Aber da ist nichts. Also bin ich wieder umgedreht.“

      Alena, Kilian und Jelica sahen sich an.

      „Noch können wir zurück“, sagte Jelica. Ihre Stimme klang angespannt.

      „Vergiss es“, meinte Kilian.

      „Geh doch.“ Alena merkte, dass das ziemlich schroff geklungen hatte, und fügte hinzu: „Nach einer Weile hört die Wüste bestimmt auf.“

      Sie sah, wie Kilian die Hand in die Tasche schob, und wusste, er umklammerte die Karte. Die Karte, auf der mitten im Nichts jenseits der Grenze ein Wort stand. Ein Wort des Alten Volks.

      Cchraskar blickte zwischen Alena und Jelica hin und her und zuckte beunruhigt mit den Ohren. „Ssstreiten ist ungesund, das ist es“, sagte er vorwurfsvoll. „Man kann Bisswunden kriegen dabei.“

      Alena musste grinsen. „Keine Sorge, wir haben nicht gestritten“, erklärte sie ihm und blickte zu Jelica hinüber. Sie beachtete Alena nicht mehr und unterhielt sich gerade mit einem der Erd-Menschen. „Die verdammten Biester haben alle unsere Dhatlas getötet“, beklagte sich Lollok. „Selbst wenn sie es schaffen, die Grenze zu beleben, sind wir ohne unsere Zuchttiere am Ende.“

      „Sie haben eure Dhatlas getötet?“ Kilian starrte ihn an. „Aber die sind doch von oben bis unten gepanzert!“

      „Frag mich nicht, wie sie es machen. Ich weiß nur, wir verschwinden von hier. Und zwar bald!“

      Hm, das klang nicht gut. Alena legte die Hand auf den Knauf ihres Smaragdschwerts. Erstaunt merkte sie, dass er sich warm anfühlte. Der Stein im Griff hatte begonnen, ganz leicht zu leuchten. Das hatte er bisher nicht oft getan. Was wollte er ihr diesmal sagen? Wollte er sie warnen? Oder ihr – wie der Traum ? sagen, dass sie auf dem richtigen Weg war?

      Jelica bemerkte ihren überraschten Blick. „Was ist?“

      „Ach, nichts“, sagte Alena und nahm noch einen Schluck Cayoral.

      ***

      Jorak hinkte, als er in Markabar ankam. Die Schänke war nur ein grüner Hügel zwischen anderen grünen Hügeln – so baute die Erd-Gilde. Er setzte sich an den Fuß des Erdhauses und verzog das Gesicht, als er sich die Sandalen abstreifte. In der Stadt merkt man es kaum, wie man nach und nach verweichlicht, dachte er und betrachtete die Stellen, an denen er sich die Füße aufgerieben hatte. Gut dass mich die Lixantha-Reisen wenigstens ein bisschen abgehärtet haben …

      Er war schneller gewandert als jemals zuvor in seinem Leben und es hatte überhaupt keinen Spaß gemacht. Unfassbar, wie manche Leute es schafften, ihm noch auf einer überfüllten Straße aus dem Weg zu gehen. Und nur, weil sie eins von diesen verdammten Gildenamuletten trugen und er nicht!

      Mal schauen, ob der Wirt mir ein paar Schluck Wasser gibt, dachte Jorak, ließ seine Sandalen liegen und ging barfuß zur Eingangstür. Der Schankraum war zum Bersten gefüllt. Wie immer sah Jorak sich mit pochendem Herzen gründlich um, jedes Mal voller Hoffnung. Diesmal blieb sein Blick an einem rotbraunen Haarschopf, an einem klaren Profil hängen. Alena.

      Sie war es!

      Ein Teil von ihm wäre am liebsten auf sie zugegangen und hätte sie in die Arme genommen. Ein anderer Teil geriet in Panik und schlug vor, sofort die Flucht zu ergreifen. Was war, wenn sie ihn jetzt sah? Dann würde sie – wenn sie sich überhaupt an ihn erinnerte – denken: Was macht der grässliche Kerl denn hier? Dann konnte er eigentlich gleich wieder gehen. Wie hatte er jemals