Victoria M. Castle

A song of Catastrophe


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      Langsam zog er seine Hand von ihrem Pullover, zwang sich, den Blick von ihr abzuwenden und sich im Flugzeug umzusehen. Er musste einen klaren Gedanken fassen und durfte sich nicht erlauben, weiter über seine Schuld oder gar Unschuld nachzudenken.

      Da fing er Cas‘ Blick auf, welcher ebenso fragend wie unruhig wirkte, den Blick genau auf Bastians Hand gerichtet, welche Sekunden vorher noch auf ihrem Arm gelegen hatte.

      Sie war verhältnismäßig spät zur Band gestoßen, was aber nicht daran gelegen hatte, dass sie wirklich spät dran gewesen war. Natürlich hatte Lexi in einem anderen Taxi gesessen, welches durchaus verspätet am Flughafen angekommen war, aber verspätet hatte sie sich zum Glück nicht.

      Keinesfalls.

      Tatsächlich hätte sie schon viel früher am Gate sein können, doch hatte Lexi bewusst die Zeit genutzt, um den Jungs weiterhin aus dem Weg zu gehen.

      Sie hatte vielmehr gedankenverloren in den Läden im Flughafen abgehangen. Wenn man auch nicht wirklich von „Gedanken“ hatte sprechen können.

      Lexi hatte sich die deutschen Souvenirs angesehen und vielleicht mit dem Finger leicht über das ein oder andere gefahren, als würde sie sich tatsächlich dafür interessieren, eines zu kaufen. Selbst der gefälschte Gedanke daran, ein Souvenir kaufen zu wollen, war besser, als ihren echten Gedanken nachzuhängen.

      Erst als das Boarding aufgerufen wurde und sie endlich das Flugzeug betreten konnten, war sie bei der Band erschienen und hatte ihre Managerin begrüßt. Diese hatte durch eine Nachricht gewusst, dass Lexi die ganze Zeit über in der Nähe gewesen war und war somit nicht eine Sekunde in Panik verfallen.

      Wieso sollte sie auch?

      Lexi hatte schließlich ihre neue, perfekte Professionalität.

      Im Flugzeug hatte Lexi nicht viel darüber nachgedacht, wo sie sitzen würde. Sie hatte lediglich die richtige Reihe betrachtet und sich dann einfach ans Fenster gesetzt.

      Sicherlich war die gesamte Reihe für die Band reserviert und man würde es ihr schon verzeihen, sollte ein Sitzplatz daneben auf ihrer Karte stehen. Sie saß nun einmal immer am Fenster.

      So konnte sie sich schließlich von allem abgrenzen und auf der anderen Seite der Glasscheibe verschwinden.

      Zumindest gedanklich.

      Lexi hatte nicht einmal darauf geachtet, wer sich neben sie setzen würde, als sie bereits ihre Kopfhörer in ihre Ohren steckte und die Musik anschaltete.

      Den Sicherheitshinweisen musste sie nicht mehr zuhören. Irgendwann in ihrem Leben hatte sie diese bereits gehört und sollte tatsächlich ein Notfall passieren, würden Hoodie oder Cas schon ihr Leben retten.

      Oder sie starb.

      Beides war ihr für den Moment egal.

      Wenn ihr auch die winzige Nuance nicht entgangen war, dass sie sich ungewöhnlich sicher fühlte, dass Hoodie und Castiel in ihrer Nähe waren.

      Aber auch diesen Gefühlen gab sie keinen Raum.

      Stattdessen drehte sie die Musik in ihren Ohren deutlich lauter, sodass es beinahe schmerzte und sie zwangsläufig auf den Text hören musste.

       Keine Zeit für Gefühle.

      Tatsächlich war sie aufgrund der frühen Uhrzeit auch ziemlich müde, weswegen sie direkt den Kopf gegen die Scheibe sinken ließ.

      Leicht schielte Lexi nach draußen und wartete.

      Sie mochte es, zu beobachten, wie das Flugzeug seine Höhe erreichte.

      Einen flüchtigen Moment zuckten ihre Augen zu einer Flugbegleiterin, die im Gang vorbeihuschte, noch ehe das Flugzeug den Boden verlassen hatte. Dabei war ihr im Augenwinkel aufgefallen, wer eigentlich neben ihr saß.

      Cas saß in unmittelbarer Nähe, aber Bastian saß direkt neben ihr.

      Sofort beschleunigte sich ihr Puls immens und ihr stockte der Atem.

       Verdammt.

      Sie würde ganze fünfzehn Stunden neben Bastian sitzen?

      So lange war sie sicherlich noch nie still sitzend bei ihm gewesen.

      Und warum saß Cas ausgerechnet neben ihm?

      Hatte sie die beiden nicht auch im Mischraum des Tonstudios allein gesehen?

      Waren die beiden jetzt etwa seit der einen Nacht beste Kumpel oder– Halt!

       Keine Gefühle!

      Lexi drückte automatisch auf den Lautstärkeregler an ihrem Handy und erhöhte um zwei bis drei Nuancen noch einmal die Musik, sodass sie wirklich in ihren Ohren zu schmerzen begann.

      Sie schloss die Augen und gab sich der Musik hin, ehe sie die Lautstärke wieder ein wenig zurückschaltete und die Augen geschlossen hielt.

      Wenn sie jetzt einschlief, würde sie nichts davon mitkriegen.

      Fünfzehn Stunden Schlaf waren sicherlich nicht drin, aber das interessierte Lexi nicht. Für den Anfang war es von Vorteil.

      Jede Stunde Schlaf war eine Stunde weniger, in der sie nachdenken musste.

      Lexi hatte keine Ahnung, wie lange sie geschlafen haben musste, als sie schließlich immer noch am Fenster lehnend erwachte.

      Die Musik donnerte noch weiterhin in ihren Ohren und Lexi regte sich leicht. Angesichts der noch immer düsteraussehenden Gegend draußen erahnte sie, dass sie nicht allzu lange geschlafen haben musste.

      Dennoch zog Lexi die Kopfhörer aus den Ohren und schaltete die Musik aus, ehe sie sich leicht streckte.

      Sie fühlte sich deutlich erholter als vorher, wenn auch die Sitzposition nicht sonderlich bequem zum Schlafen gewesen war.

      In dem Moment, als Lexi sich regte, bemerkte sie sofort zwei Blicke auf sich. Sowohl Cas, als auch Bastian hatten zu ihr gesehen und sie schenkte beiden ein flüchtiges Lächeln, ehe sie ihr Handy in ihre Tasche steckte. Zum Glück hatte sie daran gedacht, den Flugmodus anzuschalten. Es war nun unnötig, ihre Nachrichten überprüfen zu wollen. Sie würde eine Weile keine erhalten.

      Erneut ließ Lexi ihren Nacken kreisen, ehe sie ihre Hand leicht zu diesem gleiten ließ, um ihn sanft zu massieren, damit sich die Verspannungen ein wenig lösen konnten.

      „Das Hotel wird angenehmer sein“, hörte sie nur neben sich, ehe sie zu Bastian blickte.

      Kurz überlegte sie allen Ernstes, so zu tun, als hätte sie ihn nicht gehört. Doch irgendwie kam ihr das einfach falsch vor.

      Leicht nickte sie daher und lächelte. Dieses Mal war es sogar ein ehrliches Lächeln, ehe sie flüchtig die Augenbraue erhob.

      „Das will ich auch schwer hoffen“, sagte sie, ehe ihr Lächeln ein wenig mehr wurde.

      „Ist alles okay?“, setzte er sofort an und Lexi bereute es schon, überhaupt geantwortet zu haben.

      „Ich weiß nicht, wann du mir diese Frage überhaupt mal gestellt hast. Dafür stellst du sie in der letzten Zeit ziemlich oft.“

      Lexi hatte nicht so abweisend klingen wollen, weswegen sie fast schon resigniert seufzte und kurz aus dem Fenster sah.

       Keine Gefühle.

      Sie ermahnte sich noch einmal, ihren Gedanken nicht nachzugeben, ehe sie ein leichtes Stechen in der Seite vermerkte. Diese Sitze waren nicht gerade förderlich für eine Prellung, wenn diese auch zwei Wochen alt war.

      Lexi spielte mit dem Gedanken, sich kurz die Beine zu vertreten, als sie deutlich merkte, wie Bastian sie noch immer anstarrte.

      Hatte sie gerade seine Antwort auf ihre Bemerkung überhört?

      Oder hatte er noch gar nichts erwidert?