Victoria M. Castle

A song of Catastrophe


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sie gerichtet und in diesem Augenblick konnte sie nicht einmal sicher sein, ob nicht er sogar das Wort an sie errichtet hatte.

      Kurz rieb sie sich über die Stirn, kniff die Augen leicht zu, als würde sie dadurch ihre Konzentration erhöhen können, ehe sie sich abschnallte.

      „Ich muss mir kurz die Beine vertreten“, sagte sie lediglich, ehe sie schon leicht aufstand und wartete, bis die beiden sie rauslassen würden.

      Sie achtete gar nicht auf die Reaktion der beiden, noch ob jemand das Wort an sie errichtete oder ihr sogar folgen könnte.

      Sie spürte einen leichten Griff an ihrem Arm, als würde einer von ihnen versuchen, sie am Gehen zu hindern, doch Lexi sah nicht einmal nach, wer von ihnen es war.

      „Bin gleich wieder da“, murmelte sie nur und zog an ihrem Arm, ehe sie in die Richtung der Toiletten verschwand.

      Tatsächlich ging sie auch geradewegs darauf zu, um sich dort für wenige Minuten einzuschließen.

      Eigentlich beinahe schon als Alibi verwendete sie die Toilette, um offiziell nur so dringend von den beiden weggemusst zu haben, weil ihre Blase es verlangte. Auch wenn das in Wahrheit gar nicht der Grund für ihre Eile gewesen war.

      Nachdem sie die Toilettenkabine wieder verlassen hatte, hatte Lexi es nicht eilig, auf ihren Platz zurückzukehren.

      Sie ging ein wenig den Gang entlang, ehe sie an eine Stelle kam, an der sie aus dem Fenster sehen konnte, ohne dabei im Weg zu stehen.

      Leicht lehnte sie sich gegen die Flugzeugwand und sah nach draußen.

      Wie die winzige Welt dort unten doch an ihr vorbeirauschte.

      Nicht, dass sie großartig etwas davon sehen würde, erkannte sie doch hauptsächlich ein riesiges Meer aus Wolken. Aber hie und da blitzte etwas Farbiges dazwischen auf.

      Wo sie sich wohl gerade befanden?

      Noch einmal seufzte Lexi und ließ ihren Blick langsam nach unten gleiten.

      Was war nur los mit ihr?

      Hatte sie sich nicht schwören wollen, keine Probleme mehr zu machen?

      Nur noch ein lässiges, entspanntes Leben.

      Nun, formell betrachtet hatte sie keine Probleme mehr geschaffen. Auch verhielt sie sich allen gegenüber sehr entspannt und lässig.

      Aber warum fühlte sie sich dann so unwohl dabei?

      Warum fühlte es sich so an, als gäbe es da doch ein paar Probleme?

      Keine Dramen mehr, Lexi, sagte sie sich selbst und nickte sich kaum merklich schon zu, ehe sie wieder zurück zu ihrem Sitzplatz ging.

      Sie konnte den beiden nicht aus dem Weg gehen.

      Und wenn einer von ihnen, oder sogar beide, den stundenlangen Flug nutzen wollte, um mit ihr zu sprechen, dann würde sie es zulassen.

      Was hatte sie schon zu verlieren?

      Sie musste nur entspannt schief grinsen und die beiden würden Ruhe geben.

      Keiner von ihnen hatte je ein richtiges, ernstes Gespräch mit ihr geführt. Gut, es hatte vielleicht ein oder zwei mal einen Ansatz dessen gegeben, aber beide waren viel zu arrogant, entspannt oder was auch immer, um ernste Gespräche zu führen. Beide waren doch genau so, wie sie sich gerade verhielt: Entspannt, lässig, nichts schien sie zu stören.

      Vermutlich würde der Flug also ganz entspannt verlaufen, sie würden sich so verhalten, als wäre nichts gewesen, Lexi würde ihre Show abziehen können, ihre Fassade aufrechterhalten und ehe sie sich versah, waren sie im Hotel.

      Sie kannte Cas von früher noch gut genug, um zu wissen, dass genau das immer seine Art gewesen war, mit Problemen umzugehen: Er schwieg sie einfach tot.

      Oder aber er empfand nicht mal etwas als problematisch, was der Grund für sein Schweigen war. Gut möglich, dass manche Dinge nur für Lexi allein „problematisch“ gewesen waren und er in Wahrheit nicht einmal was bemerkt hatte.

      Aber sollte er doch mit jemandem im Konflikt geraten, so kehrte er demjenigen den Rücken zu oder, in Lexis Fall vor allem, wartete er ein wenig, ehe er sich wieder verhielt, als wäre nichts gewesen.

      Letzteres war seine Spezialität.

      Wenn man so tat, als hätte es nie ein Problem oder einen Konflikt gegeben, würde es schließlich in Vergessenheit geraten.

      Es würde eine Erinnerung werden und letzten Endes einfach nie existiert haben.

      Und genau das hatte sie von ihm gelernt, weswegen die Nacht im November für Lexi nie existiert hatte.

      Und Bastian war da genau genommen nicht anders.

      Wann hatte er schon mal ein Problem angesprochen?

      Nie.

      Falls die Probleme, die Lexi empfand, in seinen Augen überhaupt existierten. Denn auch bei ihm war sie sich nicht einmal sicher, ob er dieselbe Wahrnehmung hatte wie sie.

      Am Ende war doch Lexi bei beiden immer diejenige gewesen, die irgendwelche Dramen inszeniert hatte, richtig?

      Wenn diese Dramen auch jedes Mal nur in ihrem Kopf stattgefunden hatten, denn Lexi würde einen Teufel tun, ihre Sichtweise auch nur einem von beiden zu erklären. Das hatte sie sich schon vor Ewigkeiten geschworen.

      Keiner würde je ihre wahren Gedanken erfahren.

      Auch sie würde weiterhin die Entspannte bleiben, die Lässige.

      Ganz so, wie die Jungs auch waren.

      Ihre Gedanken allein waren das Problem gewesen. Sie dachte zu viel über Dinge nach, während sie sich sicher war, dass keiner der Jungs dasselbe tat.

       Keine Gedanken zulassen.

      Wozu hatte sie schließlich ihr Handy dabei mit einer großen Auswahl an Musik?

      Oder auch ihr Tablet, auf dem es bestimmt noch ein E-Book gab, welches sie lesen konnte.

      Sie würde schon etwas finden, was sie lange genug ablenken würde. Und dann würde diese Nacht endlich in Vergessenheit geraten und dann schließlich nie existiert haben.

      Die Jungs würden ihr bei dieser Taktik schon nicht im Wege stehen.

      Immerhin waren sie in der Vergangenheit die besten Meister darin.

      Also ging Lexi schließlich erneut an ihren Sitzplatz zurück, wartete, bis die beiden Jungs sie wieder reingelassen hatten, und setzte sich.

      Wollte sie zuerst nach dem E-Book sehen, Musik hören oder doch eine Flugbegleiterin nach Board-DVDs fragen?

      Lexi hatte tatsächlich ein paar Stunden geschlafen, währenddessen er versucht hatte, sich nicht zu sehr zu verspannen. Immerhin ging es ihr augenscheinlich gut und sie war in Sicherheit, soweit man in einem Flugzeug mehrere tausend Meter über der Erde von Sicherheit sprechen konnte. Unterdessen waren sie längst weit über dem Meer und Bastian verfolgte immer wieder die Flugroute, die er auf dem Bildschirm vor sich erkennen konnte.

      Auch Castiel neben ihm schien sich nicht so recht auf etwas Anderes als Alexis konzentrieren zu können, sah er zwar seit geraumer Zeit einen Film über die bord-interne Mediathek, doch schielte er öfter in ihre Richtung als in Richtung des Bildschirms vor sich.

      Bastian war bewusst, dass auch Cas noch immer mit den Gedanken an jenen Abend hängen musste. Diese Nacht würde keiner von ihnen allzu schnell vergessen oder auch verdrängen können. Sofort keimte die Wut wieder in ihm auf, ehe er auch bemerkte, dass Alexis neben ihm wach geworden war.

      Gleich lächelte er und versuchte, sich seine Anspannung nicht anmerken zu lassen, auch nicht, als sie Richtung Toilette verschwunden war, nachdem er ihr diese Frage stellte, welche ihm am meisten im Kopf umhergeisterte. Diese Frage brannte seit jener Nacht immer wieder in seinem Kopf und er