Angelika B. Klein

Schuld, die dich schuldig macht


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      „Und wie lange bleiben die hier? Dann geh ich solange zum Hügel und du kannst ihnen alles zeigen.“

      Mona antwortet zerknirscht: „Das ist eben das Problem… die bleiben drei Tage hier.“

      „Drei Tage!“, rufe ich entsetzt und etwas zu laut. „Wie soll ich mich drei Tage lang verstecken?“

      „Gar nicht! Ich erkläre ihnen einfach, dass du nicht gefilmt und fotografiert werden willst. Das müssen sie akzeptieren.“

      „Was willst du ihnen sagen? Meine Kollegin war zu Hause eine Kriminelle und ist hier untergetaucht? Oder willst du ihnen eine Phobie gegen Kameras aufbinden?“ Mein Tonfall wirkt leicht sarkastisch.

      „Jetzt mach dir mal keine Sorgen. Ich regle das schon irgendwie!“ Mona nimmt mich beruhigend in den Arm und verlässt dann wieder die Hütte.

      Unruhig laufe ich in der engen Hütte auf und ab. Ich befürchte, dass das nicht gut geht. Warum müssen die Promis auch ausgerechnet in unser Dorf kommen? Es gibt genug andere kleine Dörfer im Umkreis von 500 km. Ich habe mir vor zwei Jahren nicht ohne Grund dieses Dorf ausgesucht. Weit ab von jeglicher Zivilisation und uninteressant für Touristen. Mona ist die einzige, die über meine Vergangenheit Bescheid weiß und so soll es auch bleiben.

      Erst später, als Mona wieder auftaucht und mir berichtet, dass die Neuankömmlinge eine Erkundungsfahrt in den Busch unternehmen, traue ich mich wieder aus dem Haus. Ich besuche Kefira mit ihrem Baby. „Hallo Kefira, wie geht es dir?“

      Sie lächelt mich an: „Danke gut. Ich bin so froh, dass du mir gestern geholfen hast. Alleine hätte ich das nicht geschafft.“

      „Schon gut, ich bin froh, dass alles geklappt hat. Wie geht es deinem Baby?“

      „Gut, sie ist sehr brav und schläft viel.“

      „Darf ich sie mir ansehen? Ich würde sie gerne nochmal kurz untersuchen, ob alles in Ordnung ist.“ Kefira hebt das kleine Bündel aus dem Holzbettchen und reicht es mir. „Hat sie schon einen Namen?“, frage ich interessiert.

      „Sie soll Mandisa heißen“, antwortet Kefira.

      „Das ist ein schöner Name. Was bedeutet er?“, will ich wissen.

      „Mandisa bedeutet die Süße.“

      „Ja, das passt. Sie ist wirklich süß.“

      Nachdem ich die kleine Mandisa eingehend untersucht habe und mir sicher bin, dass es ihr gut geht, kehre ich in mein Arzthaus zurück.

      Ich sortiere gerade das neu eingetroffene Verbandsmaterial in eine Schublade, als ich hinter mir die Türe höre und jemand herein kommt. In der Annahme, dass es sich um Mona handelt, lästere ich, während ich mich umdrehe, mit dem Blick noch auf die Schublade gerichtet: „Na, sind die feinen Herrschaften schon in ihr Hotel ….“ Erschrocken schaue ich in das Gesicht eines jungen Mannes, mit braunen zerstruppelten Haaren und helle Augen, soweit ich das in der schlecht beleuchteten Hütte erkennen kann.

      Er lächelt verschmitzt und bemerkt: „Hotel? Warum hat mir keiner gesagt, dass es hier ein Hotel gibt?“

      „Sorry, ich dachte du bist jemand anderes.“ Peinlich berührt schaue ich auf den Boden.

      „Du bist sicher Mia! Mona schickt mich … deswegen.“ Dabei hebt er seine linke Hand, an der langsam das Blut herunter rinnt.

      „Äh, ja. Setz dich hier hin. Wie ist das denn passiert?“ Langsam kehrt meine Sicherheit zurück und ich konzentriere mich auf die Verletzung vor mir.

      „Tja, total blöd eigentlich. Wir sind aus dem Jeep ausgestiegen und ich habe meinen Finger in der Tür eingequetscht.“

      Der kleine Finger zeigt eine Verletzung, die stark blutet, aber nicht gefährlich ist. Ich hole das Verbandsmaterial und beginne, die Wunde zu desinfizieren. Ein jammernder Laut entfährt seinen Lippen. Leicht genervt schaue ich ihm in die Augen. Jetzt erkenne ich auch, dass sie von einem schönen Himmelblau sind. Etwas länger als beabsichtigt starre ich ihn an. Erst sein Räuspern bringt mich zurück in die Wirklichkeit und ich setze schnell meine Arbeit fort. Nachdem der Finger verbunden ist, stehe ich auf. Auch mein Patient steht auf und streckt mir seine gesunde rechte Hand entgegen. „Ich heiße übrigens Louis“. Ich lege meine Hand in seine und spüre in diesem Moment ein leichtes Kribbeln in meinen Fingern, welches sich über die Hand bis in meinen Arm bewegt.

      „Freut mich, ich bin Mia“, antworte ich verwirrt. Louis lächelt mich an, dreht sich um und verlässt das Haus.

      Immer noch verwirrt schaue ich ihm nach.

      Kapitel 4

      Am nächsten Morgen bemerke ich auf dem Weg zum Brunnen, dass schräg hinter Kefiras Hütte, zwei Zelte aufgebaut sind. Praktisch, da haben die Promis sich ihr Hotel gleich selbst mitgebracht.

      Einige Zeit später erscheint Louis erneut im Arzthaus. „Guten Morgen Mia!“, sagt er gutgelaunt.

      „Guten Morgen, wie geht es deinem Finger?“

      „Gut, danke. Hast du Lust und Zeit, mir etwas von der Gegend zu zeigen?“ fragt er freundlich.

      „Ich weiß nicht…“. Ich wollte mich eigentlich nicht um die Besucher mit ihren anhänglichen Kameraleuten kümmern.

      Louis merkt meine Unentschlossenheit und fügt hinzu: „Wir könnten alleine gehen, ohne Kamera.“ Fragend schaue ich ihn an. Entschuldigend meint er: „Mona hat erwähnt, dass du kamerascheu bist… also wenn du Lust hast?“

      „Ich habe heute Dienst in der Schule“, wende ich ein.

      „Mona meinte, sie könne dich entbehren.“

      „Du hast Mona schon gefragt, bevor du überhaupt mich gefragt hast?“, entgegne ich gereizt.

      „Sorry, ich dachte sie ist deine Chefin und ….“

      „Da hast du falsch gedacht. Ich kann schon für mich selbst entscheiden.“

      Louis dreht sich um und sagt beim Hinausgehen: „Schon gut, ich hab‘s schon verstanden. Tut mir leid.“ Er geht zur Tür hinaus und entfernt sich langsam von der Hütte.

      Ich laufe vor die Tür und rufe ihm hinterher: „Gibst du immer so schnell auf? Mit dieser Einstellung kommst du hier aber nicht sehr weit!“

      Augenblicklich bleibt er stehen, wartet einen Moment und dreht sich dann langsam zu mir um. Er lächelt mich an und ruft zurück: „Soll das heißen, ich muss hartnäckiger sein, wenn ich hier etwas erreichen will?“

      „Möglicherweise“, gebe ich etwas leiser zurück.

      Louis kommt mir entgegen und grinst. Kurz vor mir bleibt er stehen. „Wollen wir?“

      „Was willst du sehen?“, frage ich ihn.

      „Keine Ahnung. Das Ziel überlasse ich dir.“

      „Ich hoffe, du bist gut zu Fuß“, bemerke ich, während ich an ihm vorbei gehe. Er folgt mir ohne Kommentar.

      Ich führe Louis zu einem meiner Lieblingsplätze. Wir marschieren eine Stunde durch die Steppe. Ich erzähle ihm von den verschiedenen Tieren, die wir sehen, von den Kindern aus dem Dorf und von meiner Arbeit als Krankenschwester und Lehrerin.

      Am Fuße des kleinen Hügels bleibt Louis stehen und schaut mich entsetzt an. „Da hinauf?“ Ich nicke grinsend und laufe los. Langsam trottet er hinter mir her den steilen Hügel hinauf.

      Wir sitzen nebeneinander auf dem Gipfel des kleinen Berges und blicken in die Ferne. „Was hat dich hierher verschlagen?“, fragt Louis interessiert. Ich überlege lange, was ich ihm erzählen soll.

      „Ich fand es schon immer schön,