Angelika B. Klein

Schuld, die dich schuldig macht


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nicht… das ist alles etwas kompliziert.“ Er schaut mir in die Augen und legt seine Hand an meine Wange. Langsam kommt er näher und küsst mich. Ich genieße seinen Kuss, seine Berührungen, mehr als er sich vorstellen kann. Und doch tut es so weh, da ich weiß, dass ich ihn in zwei Tagen wieder verliere.

      Der Kuss wird leidenschaftlicher und intensiver. Louis Hände streichen mir sanft über den Rücken. Seine Lippen wandern seitlich an meinem Hals entlang. Ich habe das Gefühl, innerlich zu verbrennen. Mein ganzer Körper reagiert auf seine Zärtlichkeiten. Es kribbelt … und brennt … und zieht. Langsam schiebt er seine Hand unter mein T-Shirt.

      Stop! Abrupt schiebe ich ihn von mir weg. „Nein, nicht“, sage ich erhitzt.

      Louis hält sofort inne: „Sorry, ich dachte, du willst es auch.“

      „Ja, so war das auch nicht gemeint. Ich will schon, aber … ich kann einfach nicht …“ Wie soll ich ihm begreiflich machen, dass ich auf dem besten Weg bin, mich in ihn zu verlieben, aber wir uns in zwei Tagen nicht mehr sehen werden.

      Liebevoll wendet er sich mir zu: „Wenn du etwas mehr Zeit brauchst… Mia, bitte komm mit mir nach England. Dann können wir uns besser kennen lernen und alles langsam angehen.“

      Betreten schaue ich zu Boden. „Ich kann nicht weg von hier. Ich kann dir die Gründe jetzt nicht erklären, aber ich kann auf keinen Fall in eine Stadt wie London!“

      Verständnislos schaut Louis mich an. „Muss ich das jetzt verstehen? Mia, ich kann nicht hier bleiben, wir haben Auftritte und Termine in London. Bitte, gibt uns eine Chance und komm mit nach London.“

      Unschlüssig stehe ich auf. „Ich weiß, dass du es nicht verstehst Louis, aber ich kann nicht mit dir kommen. Es tut mir leid.“ Ich drehe mich um und laufe mit Tränen in den Augen zu meiner Hütte. Louis bleibt verwirrt und fassungslos unter dem Baum sitzend zurück.

      Ich stürme in die Hütte und werfe mich weinend auf meine Liege. Mona schaut von ihrer Handarbeit auf und erhebt sich langsam von ihrem Stuhl. Sie schließt die Türe und setzt sich neben mich auf die Kante des Bettes. Behutsam streichelt sie mir über den Rücken: „Mia, was ist los, ist etwas passiert?“ Ihre Frage quittiere ich mit einem lauten Schluchzen.

      „Es ist wegen Louis, stimmts? Hat er sich blöd verhalten?“, bemerkt sie fürsorglich. Überrascht schaue ich ihr in die Augen. Mona kann ich nichts vormachen, sie hat feine Antennen, wenn es um die Gefühle anderer Menschen geht.

      „Nein, er nicht! Ich habe mich blöd verhalten! Er will, dass ich mit nach London komme“, sage ich weinerlich.

      Mona huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. Sanft redet sie auf mich ein: „Aber Mia, das ist doch schön, wenn ihr verliebt seid, dann lass es doch einfach geschehen.“

      Wütend setze ich mich auf und antworte in schroffem Ton: „Hast du vergessen, dass ich von hier nicht weg kann? Ich kann nicht nach London gehen! In einer Stadt wie London findet er mich sofort!“ Nachdenklich schaut Mona mich an.

      Nach ein paar schweigenden Augenblicken schlägt sie vor: „Mia, du bist schon so lange hier. Du kannst dich nicht dein ganzes Leben lang vor deiner Vergangenheit verstecken! Für den Fehler, den du damals begangen hast, hast du mehr als genug bezahlt. Vielleicht wirst du gar nicht mehr gesucht? Hör auf dein Herz und gib eurer Liebe eine Chance!“

      Monas Worte sind wie Balsam für meine Seele. Wie gerne würde ich jedes einzelne Wort glauben! Aber die Angst, die mich seit zwei Jahren begleitet, hat sich so fest eingebrannt, dass es mir schwer fällt, aus dem mir selbst gebauten Gefängnis auszubrechen.

      Mona streicht mir liebevoll über die Haare: „Schlaf eine Nacht darüber und rede morgen nochmals mit Louis. Lass nicht die Angst für dich entscheiden, sondern die Liebe.“ Nach diesen sorgsamen Worten steht sie auf und geht zu ihrer Liege.

      Ich schlüpfe unter meine Decke und grüble noch lange über Monas Worte nach. Kann ich mich nach zwei Tagen schon in Louis verliebt haben? Oder ist das nur eine Schwärmerei, die schnell wieder vergeht? Um das herauszufinden, müsste ich mich auf das Wagnis einlassen und mit ihm nach London gehen. Ich spüre, dass es mir mein Herz fast zerreißt, bei dem Gedanken, dass Louis übermorgen abfliegt und ich ihn nie wieder sehen werde. Allerdings ist die Angst, meinen sicheren Zufluchtsort zu verlassen, so tief in mir verwurzelt, dass ich mich nicht traue, meinem Herzen zu folgen.

      Kapitel 9

      DREI JAHRE ZUVOR

      Zum Abendessen trifft Isabel auf Salvatore. Er sitzt bereits am großen Tisch im Esszimmer und unterhält sich mit Valentina.

      „Guten Abend“, sagt Isabel höflich.

      Salvatore erhebt sich und reicht ihr die Hand. „Guten Abend Isabel. Ist es in Ordnung, wenn wir uns duzen?“

      „Ja klar“, antwortet sie lächelnd. Sie setzt sich auf einen der freien Stühle und lässt ihren Blick über die Gesichter der Anwesenden wandern. Salvatore und Valentina unterhalten sich über irgendwelche geschäftlichen Investitionen, Luca und Elena sitzen fast schüchtern und still am Tisch. Nachdem das Essen von einem Dienstmädchen serviert wurde, verläuft die Nahrungsaufnahme ruhig und schweigend. Isabel wundert sich über das Verhalten der Familie, die sie doch ganz anders kennen gelernt hat.

      Erst als alle Beteiligten mit dem Essen fertig sind und die Teller abgeräumt werden, wendet sich Salvatore an Isabel: „Ich gebe dir nachher eine Liste über bestimmte Verhaltensregeln in unserem Haus. Und ich möchte dich bitten, dass du auch die Kinder ermahnst, wenn sie dagegen verstoßen. Wir sehen es als grundlegenden Erziehungsmaßstab an, dass die Kinder von Anfang an lernen, sich an die Regeln der Erwachsenen zu halten.“ Isabel nickt langsam. Sie glaubt nicht, was sie soeben gehört hat. Verhaltensregeln? Sie ist gespannt, was das für eine Liste ist.

      Salvatore erhebt sich und einen Moment später erheben sich auch Valentina und die Kinder. Unsicher steht Isabel ebenfalls auf und geht hinter Salvatore hinaus in die Halle.

      „Komm mit in mein Arbeitszimmer“, winkt er ihr zu. Sie betritt hinter ihm ein Zimmer, welches mit schweren Teppichen ausgelegt ist. Massive, dunkle Holzmöbel sowie zwei wuchtige Leder-Ohrensessel, verteilen sich im Raum. Salvatore geht zu seinem großen Schreibtisch und öffnet die Schublade. Er holt ein Blatt Papier heraus, überfliegt es kurz und reicht es sodann Isabel. „Das sind unsere Regeln. Valentina und ich haben sie zum Schutz unseres Eigentums sowie zum Schutz unserer Kinder verfasst. Lese sie bitte gründlich durch. Du wirst keine Schwierigkeiten haben, sie zu befolgen.“

      Isabel überfliegt kurz die Liste und bleibt gleich am ersten Punkt hängen: 1. Im Haus wird weder gelaufen noch geschrien! Verdutzt schaut sie auf. „Salvatore? Was passiert, wenn gegen eine dieser Regeln verstoßen wird?“

      Verständnislos und bestimmend antwortet er: „Du wirst dafür sorgen, dass dies nicht geschieht!“ Verunsichert dreht Isabel sich um und verlässt eilig das Zimmer.

      Sie beschließt, sich den Garten hinter dem Haus anzusehen und tritt aus der großen Eingangstüre. Sie kann es sich nicht verkneifen, bereits während des kurzen Fußmarsches, die nächsten Punkte auf dem Zettel durchzulesen. 2. Die Obstplantage ist kein Spielplatz für die Kinder. 3. Die Kinder dürfen niemals unbeaufsichtigt am Meer spielen. Langsam schüttelt sie den Kopf. Was dürfen die Kinder überhaupt? Wie sollen sie bei diesen ganzen Verboten unbeschwert heranwachsen?

      Während sie in Gedanken versunken und mit Blick auf das Blatt Papier in ihren Händen weiterläuft, bemerkt sie nicht, wie rechts neben ihr ein Schatten auftaucht. Plötzlich knallt sie gegen ein weiches Hindernis und fällt rückwärts zu Boden.

      „Au!“, ruft sie.

      „Scusi! Ti sei fatto male?“, fragt ein junger Mann und bückt sich sofort zu ihr hinunter. Er reicht ihr seine Hand und zieht sie vorsichtig auf die Beine.

      Isabel schaut ihm