Angelika B. Klein

Schuld, die dich schuldig macht


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zu der Gruppe. Erst jetzt bemerke ich, dass die Kamera direkt auf mich gerichtet ist und die Fotografin, in meine Richtung gewandt, mehrmals auf den Auslöser drückt. Schnell wende ich mich ab und flüchte in meine Hütte.

      Kurze Zeit später ist das Spiel zu Ende. Die Kinder gehen in die Schule und die Filmcrew zieht sich in den Schatten zurück. Erleichtert, mich endlich wieder frei bewegen zu können, verlasse ich meine Hütte. In diesem Moment sehe ich einen dunkelhaarigen, sehr attraktiven Typen, auf mich zukommen. Er ist lediglich mit einer kurzen Sporthose bekleidet, was meine Blicke unverzüglich auf seinen durchtrainierten und dunkel gebräunten Körper, zieht. Wie in Zeitlupe betrachte ich jeden einzelnen seiner Schritte, sowie jede Bewegung seiner Muskeln. In meiner Phantasie versunken, stehe ich wie hypnotisiert vor ihm und starre ihn an.

      Er lächelt mich an und sagt: „Hey Süße, du bist wie eine Oase für meine Augen.“

      Ein Quietschen in meinem Kopf, als wenn man über eine Tafel kratzt, zerreißt das von mir erschaffene Traumbild. Die Attraktivität dieses Mannes zerplatzt wie eine Seifenblase. Wie kann ein so gutaussehender Typ, einen so blöden Spruch bringen? Erwartungsvoll steht er vor mir und grinst mich an.

      Genervt antworte ich: „Und du bist wie ein Rudel Paviane für meine Ohren!“

      Verblüfft schaut er mich an. „Was?“

      Ich verdrehe die Augen und will mich gerade umdrehen, da höre ich von weitem Louis Stimme: „Hey Jack, an der beißt du dir die Zähne aus!“ Jack dreht sich um und lächelt Louis entgegen.

      „Hallo Mia“, begrüßt mich Louis, „das ist Jack, einer meiner Bandkollegen.“

      „Aha, schön dich kennen zu lernen, Jack“, bemerke ich wenig begeistert und reiche ihm die Hand. Jack nimmt meine Hand und führt sie, mit einem modelverdächtigen Lächeln, zu seinem Mund. Bevor er den geplanten Handkuss ausführen kann, entziehe ich mich jedoch seinem Griff und wundere mich erneut, wie ein so gutaussehender Typ, den ersten Eindruck so schnell ins Gegenteil kehren kann. Entgegen meiner Annahme merkt Jack jedoch sofort, dass er bei mir nicht den erhofften Erfolg erzielen kann und kehrt mit einer kurzen Bemerkung zurück zu den Kameraleuten.

      „Das war also Jack?“, frage ich spöttisch.

      Verlegen antwortet Louis: „Ja, er ist ein Frauenheld. Der baggert alles an, was bis drei nicht auf den Bäumen ist.“

      „Hat der auch mal Erfolg?“, will ich interessiert wissen.

      Louis schaut mich verständnislos an und meint: „Ja, ständig. Du glaubst nicht, wie viele Frauen nur nach dem Äußeren gehen.“

      Ich verdrehe leicht die Augen. „Und wo ist der Dritte im Bunde?“, hake ich neugierig nach. Louis dreht sich um und zeigt auf einen blonden Jungen, der mit seiner Gitarre unter einem Baum sitzt. „Dort drüben, das ist Frankie. Er spielt jede freie Minute auf seiner Gitarre und komponiert neue Lieder.“

      „Ihr drei seid wohl sehr verschieden!?“, stelle ich belustigt fest.

      Louis lacht: „Ja, das sind wir wirklich!“

      Nachdem Louis mich gefragt hat, ob ich Lust hätte, erneut mit ihm spazieren zu gehen, machen wir uns auf den Weg. Wir beschließen, dieses Mal die andere Richtung einzuschlagen. Unterwegs scherzen und lachen wir viel und Louis erzählt von diversen Konzerten und den Vor- und Nachteilen, die ein Leben als Popstar mit sich bringt.

      Wir kommen an einen breiten Fluss und setzen uns ans Ufer. Schweigend beobachten wir die Antilopen, die sich auf der anderen Seite des Ufers versammelt haben. Plötzlich läuft eine handgroße Wasserspinne über Louis Bein entlang nach oben auf seinen Kopf zu. Er wirft sich reflexartig auf den Rücken und schreit kurz auf. Vorsichtig schiebe ich das unschuldige Tier von Louis Oberkörper. Links neben seinem Körper bleibt sie sitzen und macht keine Anstalten, davon zu laufen. Ängstlich rutscht Louis ein Stück näher an mich heran. Ich beuge mich schnell über ihn und gebe der Spinne einen kräftigen Schubs, woraufhin diese in das hohe Gras flüchtet. Halb auf Louis liegend schaue ich ihn an. Unsere Blicke treffen sich und er legt behutsam eine Hand in meinen Nacken. Langsam zieht er meinen Kopf näher zu sich heran. In meinem Bauch kribbelt es und mein Herzschlag beschleunigt sich. Will ich das wirklich? Ich kenne ihn erst seit einem Tag! Noch bevor mein Gehirn eine Entscheidung treffen kann, legt er seine weichen Lippen auf meinen Mund. Aus der anfangs zärtlichen Berührung, wird ein leidenschaftlicher Zungenkuss.

      Plötzlich höre ich im Gebüsch hinter uns ein Kichern, gefolgt von einem leisen Ausruf: „Tidjani, Psst.“

      Wie von einer Tarantel gestochen, löse ich mich von Louis und springe auf. Hektisch gehe ich ein paar Schritte ins Gebüsch und suche nach den verdächtigen Stimmen.

      „Kojo, Tidjani, was macht ihr denn hier?“, rufe ich aus, nachdem ich die beiden Jungs entdeckt habe.

      Tidjani kichert immer noch, während Kojo mich verlegen anschaut: „Wir sind euch gefolgt.“

      Ich kann den Jungs nicht lange böse sein und entgegne erleichtert: „Na los, dann kommt jetzt raus aus eurem Versteck, wenn ihr schon mal da seid.“ Die beiden gehen mit mir zurück ans Ufer, wo Louis bereits wartet. Ich stelle ihm die beiden Kinder vor und setze mich wieder neben ihn ins Gras.

      „Ist etwas passiert?“ will Louis wissen.

      „Nein, warum?“ frage ich erstaunt.

      „Ich meine nur… ich habe die Jungs auch kichern gehört, aber ich fand das jetzt nicht so alarmierend, dass ich den Kuss unterbrochen hätte.“ Louis schaut mich fragend an. Betreten wende ich meinen Blick ab. Ich kann ihm kaum erzählen, dass ich schlechte Erfahrungen damit gemacht habe, küssend mit einem Jungen im Gras zu liegen, während Kinder in der Nähe sind. Also zucke ich nur die Schultern und hoffe, dass er nicht weiter nachhakt.

      Nach einer Weile treten wir den Rückweg an. Louis geht neben mir und nimmt behutsam meine Hand. Ich schaue kurz zu ihm auf.

      „Darf ich dich auch nicht an der Hand nehmen, wenn Kinder dabei sind?“, fragt er skeptisch.

      Lächelnd antworte ich: „Doch, das darfst du.“

      Als wir im Dorf ankommen, begleitet mich Louis noch zu meiner Hütte. „Sehen wir uns heute Abend noch einmal? Wir haben jetzt noch einen Dreh und ein paar Interviews, aber danach könnten wir uns nochmals treffen, wenn du Lust hast.“ Ich nicke schüchtern und gehe ins Haus.

      Am Tisch sitzt bereits Mona und bereitet das Abendessen vor. Sie beobachtet mich genau, bevor sie tadelnd äußert: „Mia, hast du dich etwa verliebt?“

      Entsetzt reiße ich meine Augen auf, kann aber nicht verhindern, dass mein Gesicht rot anläuft. „Wie kommst du darauf?“, will ich empört wissen. Mona grinst und widmet sich wieder der Nahrungszubereitung. „Mona! Sag schon, wie kommst du auf so etwas?“, hake ich weiter nach.

      „Kindchen, ich hab doch Augen im Kopf. Seit du hier bist, hast du noch nie solch glänzende Augen gehabt. Und deine Wangen sprühen vor Farbe. Ist doch schön, wenn du dich verliebt hast.“

      „Das ist überhaupt nicht schön! In zwei Tagen fliegt er wieder nach Hause und ich sitze hier und kann nicht weg!“, jammere ich vor mich hin.

      „Jetzt warte erst einmal ab, was noch kommt, Mia. Denke nicht so weit voraus - immer nur einen Schritt nach dem anderen.“ Mona findet meistens die richtigen Worte für meine Probleme. Ob sie dieses Mal auch Recht behält, wird sich noch zeigen.

      Kapitel 7

      DREI JAHRE ZUVOR

      Einen Monat, nachdem Luca aus dem Krankenhaus entlassen wurde, steht Isabel in ihrem kleinen Appartement und schaut sich ein letztes Mal um. Von ihrer Familie und ihren Freunden hat sie sich bereits gestern verabschiedet. Ihre beste Freundin Rosi wird die Wohnung während ihrer Abwesenheit bewohnen. Diese hat stark protestiert, als ihr Isabel mitgeteilt hat, dass