tröstete er, „das Untier ist mausetot, sein Herz schlägt nicht mehr.“
Trotzdem wollte niemand ins Zimmer kommen. Da bückte Quirin Quantler-Binder sich, er packte etwas, das niemand sah, mit beiden Händen.
„Ich habe den Drachen beim Genick und bei den Hinterbeinen“, rief er den Kleinmeindorfern zu, dann wuchtete er das unsichtbare Tier stöhnend auf seine Schultern und trat schnaufend und gebückt unter der Bürde aus dem Haus. Hier neigte er sich zur Seite, es sah aus, als ließe er etwas von seinen Schultern auf die Schubkarre gleiten. Der Bürgermeister, der Gärtner, der Bäcker, alle männlichen Kleinmeindorfer standen in respektvollem Abstand. Quirin Quantler-Binder nahm die Schubkarre und schob sie keuchend in den Wald, die anderen folgten ihm bis zur Schlucht, hier kippte der Bastler und Erfinder seine unsichtbare Fracht in den Abgrund.
„So, das wäre erledigt“, sagte er und im Triumphzug führte man ihn ins Dorf zurück.
Drei Monate nach diesem Ereignis fand im Gemeindehaus von Kleinmeindorf eine Feier statt. Der Bürgermeister Rex König hielt eine Rede. „Wer weiß, was alles geschehen wäre, hätte Quirin Quantler-Binder sich nicht mutig auf das Ungeheuer gestürzt und es, ungeachtet der Gefahr, zur Strecke gebracht. Er rettete das Leben unserer Kinder, bewahrte uns vor Unheil und Leid. Ihm verdanken wir, heute noch heil und unversehrt zu sein. Ich habe dem Ministerpräsidenten geschrieben und von der mutigen Tat berichtet. In seinem Namen überreiche ich unserem allseits geschätzen Quirin Quantler-Binder als Anerkennung für seine Tapferkeit diesen Orden.“
Die Kleinmeindorfer klatschten begeistert Beifall. Der Bürgermeister steckte dem Bastler und Erfinder das glänzende Verdienstabzeichen an die Brust. Quirin Quantler-Binder strahlte vor Freude über die Auszeichnung, seine beiden Töchter, zwei Schwiegersöhne und die vier Enkel waren mächtig stolz auf ihren heldenhaften Vater und Opa. Der Bürgermeister beglückwünschte sich insgeheim selbst zu der schönen Ansprache, die er gehalten hatte, seine Frau Regina seufzte entzückt: „Mein Mann, der Herr Bürgermeister, wie vorzüglich er doch zu reden weiß“. Ohle Sohlenmuster gratulierte seinem klugen und tapferen Nachbarn. „Ich rechne es mir als Ehre an, neben dir zu wohnen“, sagte er. „Zum Glück habe ich meine Schubkarre zweimal verliehen, sonst hätte Quirin Quantler-Binder niemals die Zutaten für seine Erfindung transportieren und den Drachen wegschaffen können“, prahlte Hyazinth Immergrün, um ein wenig von dem Ansehen für sich selbst zu beanspruchen.
Alle Kleinmeindorfer waren stolz auf ihren Mitbürger. Zwei Vertreter der Großkloßmooser Morgenpresse machten eifrig Notizen und Fotos.
Nun meldete sich der Ordensträger zu Wort. „Ich möchte noch einmal auf das Wunderpulver Machunsichtbar zurückkommen“, sagte er. Wie leicht kann es mir gestohlen werden und in unpassende Hände geraten. Wenn zum Beispiel Schnappweg es verschlucken würde, könnte er uns am helllichten Tag ungestraft bestehlen. Oder nehmen wir einmal an, ein Kind atmet es ein, seine unglücklichen Eltern würden es nicht wieder erblicken, bis es mir gelingt, ein Gegenmittel zu erfinden - und wer weiß, ob das je der Fall sein wird. Ich schlage also folgendes vor: Heute gehen wir noch einmal zur Schlucht im Wald. Ich werde das Pulver dort hinunterschütten und nie mehr kann es Schaden anrichten.“
Da klatschten wiederum alle begeistert Beifall, selbst der Bäcker Bäcker, denn sie staunten über den Edelmut von Quirin Quantler-Binder. Zum ersten Mal war es ihm gelungen, wirklich etwas noch nie Dagewesenes zu erfinden, und jetzt bot er freiwillig an, es zu vernichten, um Gefahr von seinen Mitbürgern abzuwenden.
Am Nachmittag versammelten sich alle vor dem Haus des Bastlers und Erfinders. Er trat heraus, der Orden glänzte an seiner Brust, in der Hand hielt er einen verbeulten Kessel. Die Kleinmeindorfer reckten die Hälse und schubsten einander, um einen Blick auf den Inhalt zu werfen. Doch sie murmelten enttäuscht, der Topf war - leer.
„Natürlich ist das Pulver Machunsichtbar selbst auch unsichtbar“, belehrte sie Quirin Quantler-Binder. „Ich habe es aus Tapetenkleister, Wäscheweichspüler, Nagellackentferner, Rheumasalbe und einem fast vertrockneten Rest königsblauer Tinte angerührt. Als ich dann noch zwei oder drei Geheimnisse hinzufügte, verschwand es vor meinen Augen.“
Die Kleinmeindorfer nickten mit den Köpfen und folgten ihm in den Wald. Hier warf der Bastler und Erfinder den Kessel in die Schlucht.
„So, das wäre erledigt“, sagte er wieder und alle gingen zufrieden nach Hause.
Am nächsten Tag stand alles in der Großkloßmooser Morgenpresse. Seitdem lebt Quirin Quantler-Binder als geachteter Mann in Kleinmeindorf. Ab und zu kommt er, die Leine hinter sich herschleifend, über die Dorfstraße. Moritz, der Hund, ist immer noch unsichtbar, seltsamerweise hat ihn auch noch nie jemand bellen hören. Alle, selbst der Bäcker Bäcker, grüßen den Bastler und Erfinder mit Respekt. An dem Zauberpulver zweifelt zwar mancher noch, doch unübersehbar glänzt der Orden an der Brust von Quirin Quantler-Binder.“
„Wenn er wirklich alles in seinem Haus stapelt, muss es für mich dort sehr gemütlich sein“, sagt das Gespenst. „Und vor allen Dingen kann mich bei soviel Gerümpel niemand entdecken. Ich glaube, heute werde ich auf dem Speicher von Quirin Quantler-Binder schlafen.“ Damit schwebt es davon.
Der kleine Pirat und der Spinat
Der Nachtwächter und das Gespenst sitzen gemütlich beisammen. Ab und zu schaut Stefan Sternenstaub aus dem Fenster nach dem Rechten. Heute macht er keinen Rundgang, denn es regnet in Strömen.
„Zum Glück hat Quirin Quantler-Binder das Pulver Machunsichtbar vernichtet“, grübelt das Gespenst schaudernd. „Stell dir vor, der Geistergreifende Würgegrusel würde es schlucken und unsichtbar durch Kleinmeindorf schleichen...“
„Aber den gibt es doch überhaupt nicht“, sagt Stefan Sternenstaub.
„Seitdem ich ihn in Gedanken erschaffen habe, lebt er“, behauptet das Geistchen.
„Es hört sich ja fast so an, als ob du die Geschichte mit dem Zauberpulver für wahr hältst“, meint der Nachtwächter. „Ich habe meine Zweifel. Aber was die Sterne betrifft, glaube ich Quirin Quantler-Binder jedes Wort. Drei Jahre lang war er mein Lehrer für Chemie, Zeichnen und Werken. Er weckte in mir die Begeisterung für den gestirnten Nachthimmel, von dem er uns immer wieder erzählte, obwohl dieses Thema nichts mit seinem Unterricht zu tun hatte. - Komm mit mir nach draußen, Gespenst.“
Mützenkater sitzt auf dem Dach. Er beachtet die beiden nicht, weil er nur Augen für seine Katzenfreundin hat - eine schneeweiße ist diesmal die Auserwählte. Stefan Sternenstaub deutet auf einen leuchtenden Punkt, genau über der Fernsehantenne.
„Dort oben funkelt der Polarstern. Er ist dreihundert Lichtjahre von uns entfernt. So wie du ihn jetzt wahrnimmst, sah er zu deiner Menschenzeit aus.“
„Falls ich vor dreihundert Jahren gelebt habe“, ergänzt das Gespenst. „Es können auch vierhundert gewesen sein - so genau weiß ich das selber nicht mehr“, sagt es. „Wie weit ist eigentlich ein Lichtjahr?“
„Neunkommafünfbillionen Kilometer.“ Der Nachtwächter kennt sich aus.
Das Nebelgeistchen denkt angestrengt nach. „Neunkommafünfbillionen mal dreihundert...“ Ich verstehe nichts vom Rechnen, weil man zu meiner Zeit noch keine Schule zu besuchen brauchte.“
„Neunkommefünfbillionen mal dreihundert - das macht - das ergibt ...“ Stefan Sternenstaub gerät ins Stottern. „Es stimmt, was der Bäcker Bäcker sagt, die Zahl ist zu groß, es wird einem schwindlig davon. Lassen wir das also. Außerdem kann ich mir so eine weite Entfernung kaum vorstellen und du wahrscheinlich auch nicht. Komm wir gehen zurück ins Haus.“
Drinnen ist es gemütlich warm. „Noch jemanden gab es, der hörte