Wieland Barthelmess

HAT-SCHEPSUT: Das Geheimnis der Frau auf Ägyptens Thron


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fort.

      „Dass wir ausgerechnet in Nubet übernachten müssen“, seufzte Isis, „das nur eine Residenz und keinen Palast aufzuweisen hat.“

      „Pharao hat bei seiner Reiseplanung auch die Lage der Gastgeber zu berücksichtigen“, versuchte Sen-en-Mut die Entscheidung zu erklären. „Solch ein Besuch kann im Ruin der bedauernswerten Leute enden. Man hat ja nicht nur den Hofstaat zu Gast, sondern auch die drei, ihn begleitenden Schiffe mit allen Soldaten, Seeleuten und Dienern. Es ist also angeraten, nur an solchen Orten Gast zu sein, die man anschließend nicht vollkommen verarmt zurücklässt. Wie ich schon sagte: Nubet wird von Beamten beherrscht. Allerdings von sehr vermögenden Beamten, so dass wir in der Tat gespannt sein dürfen.“ Sen-en-Mut räusperte sich. „Und nun zu den beiden Tempeln Nubets. Zum einen wird dort der Krokodilgott Sobek verehrt, zum anderen aber auch Hor-wer …“

      Sobald sich in der Ferne die ersten Häuser der Stadt zeigten, entschuldigten sich Isis und Hat-schepsut. Sie hätten sich nun für den abendlichen Empfang vorzubereiten und auch Thot-mose solle dies tun. Wie ein Delinquent wurde er von Merit-Amun abgeführt. Sie hatte bereits sein Bad in einer hinter einem Vorhang verborgenen Sitzbadewanne vorbereitet, die aus Kupfer getrieben war und um die ihn Hat-schepsut beneidete. Auch sie hätte lieber ihre eigene Wanne gehabt. Doch Pharao war der Meinung, dass eine Wanne pro Barke vollkommen ausreichend sei.

      Nubet begrüßte die Ankömmlinge mit seinem riesigen Hafen und den gemauerten Kais, die mit Statuen geschmückt waren. Von hier aus wurde das Getreide des Südens in den Norden verschickt; zu Zeiten der Ernte musste hier ein unglaublicher Trubel herrschen. Jetzt, wo die Ernte abgeschlossen war und man sich auf die Nilflut vorbereitete, blieb nur die weitläufige Kaianlage, die man zur Begrüßung der Gäste mit Blumen geschmückt hatte. Alles war voller Menschen. Die Würdenträger hatten sich im Hafen versammelt und waren herausgeputzt, als ob sie an Krönungsfeierlichkeiten teilnehmen wollten. Obwohl sie es anfangs insgeheim verflucht hatte, war Hat-schepsut nun doch froh, dass sie sich in das große Ornat der Gottesgemahlin des Amun gekleidet hatte, einschließlich einer dicken, nubischen Perücke, der Geierhaube und der Schlangenkrone. Sie hatte Thot-mose überreden können, die Blaue Helmkrone zu tragen, deren eigentümlich geschwungene Form seinem hageren Gesicht mit der übergroßen Nase etwas geradezu Außerirdisches verlieh, so als sei er nicht von dieser Welt.

      Sobald sich der Konvoi dem Hafen auf Hörweite genähert hatte, war der Jubel der dort versammelten Menschen zu vernehmen. Noch nie zuvor hatte ein regierender Pharao Nubet einen offiziellen Besuch abgestattet, so dass dieser Tag auf alle Zeiten im Gedächtnis seiner Bewohner bleiben würde. Und als man die hohen Gäste in ihren Sänften von Bord trug, fürchtete Hat-schepsut, dass sie taub werden könnte, so laut war das Geschrei. Sen-en-Mut hatte seine Schüler darauf vorbereitet, dass sie von Pinu-djem Meri-Amun begrüßt werden würden, dem obersten Verwalter der Stadt. Er sei einer der zuverlässigsten Beamten Pharaos und für seine Loyalität und Rechtschaffenheit im ganz Land berühmt. Sicherlich trug er seinen Namen zu Recht, der ihn als angenehmen Liebling Amuns bezeichnete. Doch leider, so musste Sen-en-Mut einräumen, der gelegentlich mit ihm zu tun gehabt hatte, war Pinu-djem ein wenig langweilig und vollkommen humorlos. Insbesondere in Richtung Hat-schepsut meinte Sen-en-Mut, dass es wohl besser wäre, lustige oder auch geistreiche Anmerkungen zu unterlassen.

      Pinu-djem Meri-Amun, der in ein überaus prunkvolles Festtagsgewand gekleidet war, warf sich augenblicklich vor Pharao in den Staub, sobald der in seiner Sänfte von der Barke herunter getragen wurde. Pharao winkte huldvoll und lehnte sich sogar weit aus seiner Sänfte, um dem Beamten aufstehen zu heißen. Einen größeren Gunstbeweis konnte sich kaum jemand vorstellen. Voller Stolz geleitete Pinu-djem also seine hohen Gäste zur Residenz, in der neben dem ihm vorbehaltenen Wohntrakt auch die Verwaltungsräume, wie Schreiberstuben, Dienstzimmer der Beamten, eine Bibliothek sowie das Archiv untergebracht waren. Leider wählte er nicht den direkten Weg, wie Hat-schepsut sogleich feststellte, sondern absolvierte einen kleinen Umweg nach dem anderen, nur um mit stolz geschwellter Brust an möglichst vielen Einwohnern seiner Stadt vorbeiparadieren zu können. Sollten sie doch alle zumindest einen Blick auf das denkwürdige Ereignis werfen können. Seine Gemahlin Bint-Anat begrüßte die Gäste schließlich im Innenhof der Residenz und führte sie persönlich zu den ihnen zugewiesenen Gemächer. Zuerst Pharao, dann den Thronfolger und schließlich die Gottesgemahlin des Amun. Doch auch Turi sowie Ah-mose Aa-metju und seine Kinder User-Amun und Isis bekamen eigene, wenn auch nicht ganz so großzügige Wohnungen zugewiesen. Sogar Sen-en-Mut und die Pharao begleitenden Verwaltungsbeamten kamen in den Genuss einer eigenen Unterkunft.

      Hat-schepsut war überrascht, wie großzügig sie untergebracht war. Wie üblich war der Eingangsbereich ein schmaler Flur, der – falls dies je nötig sein sollte ‑ von einem einzigen Bewaffneten verteidigt werden konnte. Von dort zweigte, kurz bevor der Flur in den Aufenthaltsraum mündete, ein geräumiges Zimmer ab, das für Sit-Re vorgesehen war. Der Hauptraum selbst war von zahllosen Säulen gestützt und zur Gartenseite hin offen. Vor kurzem erst hatte man Hecken gepflanzt, wie Hat-schepsut sofort erkannte, die ihren Bereich des Gartens von dem der anderen abtrennte. Gleich nebenan zur Linken hatte Thot-mose seine Wohnung bezogen, während zur Rechten ihre neue Freundin Isis mit Vater und Bruder untergebracht waren. Das Schlafzimmer war klein, doch ausreichend. Dafür war das Bad umso großzügiger bemessen. Hat-schepsut konnte es kaum abwarten, bis die in den Boden eingelassene Wanne mit frischem Wasser gefüllt war, das sie nach Herzenslust parfümieren ließ. Es strömte hier tatsächlich aus der Wand. Ein Entenkopf aus purem Gold spie es aus. Man musste nur seinen Schnabel öffnen, wie Sit-Re sogleich herausgefunden hatte und schon sprudelte das während des Tages von der Sonne in einer Zisterne angenehm aufgewärmte Wasser heraus. Sit-Re schimpfte zwar, weil sie feststellte, dass die Wanne nach Gebrauch mühsam eimerweise ausgeschöpft werden musste, beruhigte sich allerdings schnell wieder, als zwei Dienerinnen vorstellig wurden, die für derartige Arbeiten abgestellt worden waren.

      Kaum berührte die Sonne den westlichen Horizont, als Hori, der Haushofmeister Pharaos anklopfte. Zufrieden nahm er zur Kenntnis, dass sich Hat-schepsut abermals in das Ornat der Gottesgemahlin nebst Geierhaube und Schlangenkrone gekleidet hatte und ließ sie wissen, dass sie sich so bald als möglich vor der Wohnung Pharaos einzufinden hätte, damit schließlich alle gemeinsam in den Festsaal zu ihren Gastgebern schreiten konnten. Er nahm Hat-schepsuts Frage vorweg: Selbstverständlich könne Sit-Re sie auch dieses Mal begleiten. War sie doch mit allen Notwendigkeiten wie Wasserkrug, Trockentüchern, Riechsalz, Schminke und Parfüms ausgestattet. Hat-schepsut staunte jedes Mal, wo ihre Dienerin immer wieder noch einen weiteren geheimen Aufbewahrungsort fand. Verborgen in Sit-Res Kalasiris gab es überraschend viele eingenähte Taschen, Gurte und Bändel, die allesamt sehr nützlich waren.

      „Na, sind denn auch alle da“, fragte Pharao gutgelaunt als er seine Wohnung verließ und auf die Wartenden stieß.

      „Vergib mir“, stotterte Ah-mose Aa-metju. „Meine Tochter Isis fehlt noch. Du weißt ja: die Frauen.“ Doch erleichtert setzte er sofort hinzu: „Aber dort kommt sie ja schon.“

      Pharao machte ein missmutiges Gesicht. Er würde keine Ausnahme machen und auf einen verzogenen Fratz warten, der sich für eine Dame hielt. Doch einen Blick auf das Gör, das beinahe eine Verspätung verursacht hätte, wollte er sich dennoch gönnen. Er blickte Isis mitten ins Gesicht. Augenblicklich sank sie in sich zusammen, so dass alle dachten, sie sei ohnmächtig geworden. Hatte ihr der Gute Gott doch immerhin mitten ins Gesicht gesehen. Und sie, zu seinen Füßen am Boden kniend, streckte es ihm nun mit einem Lächeln voller Glückseligkeit entgegen.

      „Oh, welch Liebreiz uns begleitet“, freute sich Pharao. „Nichts ziert einen Mann mehr, als eine schöne Frau an seiner Seite.“

      „Wie Recht du wieder hast“, sagte Hat-schepsut und zwinkerte ihrem Vater zu. Sie nahm Isis bei der Hand, legte sie in jene des Thronfolgers und hakte sich bei ihrem Vater unter. Thot-mose hatte die ganze Zeit mit offen stehendem Mund nach dem schönen Kind gegafft. Nun sagte er mit einer Mischung von Hingerissensein, Erstaunen und Tadel nichts weiter als: „Aber Isis …“

      Das Mädchen hatte sich sehr wohl an die höfischen Gepflogenheiten gehalten und vermieden, mehr Schmuck anzulegen als die über ihr stehenden Damen. Im Gegenteil, sie trug lediglich ein Halsband aus einfachen bunten Fayenceperlen. Es