Wieland Barthelmess

HAT-SCHEPSUT: Das Geheimnis der Frau auf Ägyptens Thron


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anderen, dringend notwendigen Dingen zusammenzustellen. Eigentlich hatte Hat-schepsut gehofft, noch ein wenig mehr Zeit mit ihrer neuen Freundin Isis verbringen zu können, aber ihre Treffen waren immer nur kurz und somit von organisatorischen Angelegenheiten geprägt. Nun, sie würden auf der langen Schiffsreise genügend Zeit haben, einander besser kennen zu lernen. Dennoch war sich Hat-schepsut inzwischen sicher, dass Isis ausgezeichnet in den Palast passte. Sie war bildschön, nicht dumm und wusste sich zu benehmen. Außerdem war sie beseelt von dem Gedanken, ein Leben bei Hofe zu führen. Sie würde alles tun, um dieses Ziel auch zu erreichen. Noch war sie ein wenig naiv und gutgläubig, aber dies, dessen war sich Hat-schepsut vollkommen sicher, würde sich bald ändern.

      Thot-mose war ein paar Mal zu Hat-schepsut herübergehuscht, um sein mit Angst beladenes Herz zu erleichtern. Er fürchtete vor allem die Hitze, die seinem Ausschlag keinesfalls zuträglich sein konnte. Aber er fürchtete auch die Krokodile sowie die Schlangen - und die Nubier im Allgemeinen. Ihre schwarzen Gesichter mit den breiten Nasen machten ihm Angst. Hat-schepsut hielt ihm vor, dass Turi einer seiner besten Freunde sei. Und Turi war schwarz wie die Nacht. Ja, das mochte wohl stimmen, aber über all die Jahre war Turi doch einer von ihnen geworden, gab Thot-mose zu bedenken, auch wenn seine Haare noch immer kraus und die Haut schwarz wie Kohol war. Turi sah zwar aus wie ein Nubier, war aber keiner. Stolz zählte Thot-mose sämtliche Kampagnen gegen Nubien auf, die in den letzten Jahrzehnten durchgeführt worden waren. Sogar die jeweiligen Regierungsjahre der einzelnen Pharaonen, in denen sie stattgefunden hatten, wusste er zu nennen.

      „Und was ist jedes Mal dabei herausgekommen“, fragte Hat-schepsut schnippisch. „Siege über Siege! Beruhige dich also, mein Lieber. Oder glaubst du etwa, unser Vater würde uns irgendeiner Gefahr aussetzen wollen?“

      „In Pharao Ka-moses siebtem Jahr haben die Kraushaarleute Buhen erobert, nachdem sie Dämonen geschickt hatten, die alle dort krank gemacht haben. Du siehst also, wie durchtrieben sie sind.“ Thot-mose war nur schwer von seinen Ängsten abzubringen.

      „Und was ist Buhen heute? Eine Stadt, die gleichsam im Kernland Kemets liegt. So ändern sich die Zeiten.“ Hat-schepsut war derart voller Vorfreude auf die Geheimnisse Nubiens, dass sie das ständige Genörgel ihres Bruders nicht mehr hören mochte.

      „Es soll Stechfliegen dort geben, die so groß sind wie unsere Amseln und die nubischen Nilpferde sollen jedes Boot angreifen, das sich ihnen nähert.“

      „Ich weiß“, erwiderte Hat-schepsut spöttisch, „und die Nubier fressen sich gegenseitig auf.“

      „Wirklich?!?!“ Thot-mose schauderte es.

      „Onkel Pen-Nechbet hat davon erzählt, erinnerst du dich nicht?“ Hat-schepsut gab sich unerschrocken. „Allerdings erst, nachdem er sie in Pnubs eingeschlossen hatte und sie all ihre Vorräte aufgebraucht hatten.“

      „Und genau da fahren wir hin?“

      „Ja, die neu erbaute Hauptstadt Nubiens ist unser Ziel, das schöne Pnubs.“

      „Ich habe heute endlich den schon lange geplanten Tempel für deine Brüder Amun-mose und Wadj-mose in Auftrag gegeben, durch deren Tod ich zum Thronfolger geworden bin.“ Hat-schepsut sah Thot-mose fragend an. „Man weiß ja nie, was geschieht. Ich hoffe, dass sie mir ihren Schutz gewähren. Was meinst du? Ich kannte sie ja kaum.“

      „Aber sicher“, versuchte Hat-schepsut ihren Halbbruder zu beruhigen. „Wadj-mose wird dir seine Klugheit schenken und Amun-mose seine Kraft. Aber sag mir, wie hast du so schnell die Mittel für den Tempel auftreiben können?“

      „Ich hab einen Teil meiner Weingärten im Fayum verkauft. Ich trinke sowieso lieber Bier. Und du weißt ja, die Verwaltung von weit entfernten Gütern bringt immer nur Schwierigkeiten mit sich.“

      Hat-schepsut konnte ihr Missfallen kaum verbergen. Einen guten Weingarten zu verkaufen, war schon sehr unvernünftig. „Wenn du magst, kann sich mein Schreiber Nefer-khaut zukünftig auch um deine Angelegenheiten kümmern“ schlug sie ihrem Bruder vor. „Er leistet hervorragende Arbeit.“ Hat-schepsut hoffte, dass Thot-mose zustimmen würde, denn dann würden derartige Dummheiten gewiss nicht wieder vorkommen.

      Erfreulicherweise zeigte sich Thot-mose überaus erleichtert, endlich auch diese Last losgeworden zu sein und stimmte dankbar zu. „Der Schreiber meiner Mutter hat das alles bislang für mich erledigt.“

      „Nun, wie mir scheint, hat er dich nicht wirklich gut beraten. Lass mich nur auf dich Acht geben, Brüderchen“, sagte Hat-schepsut erleichtert. „Und hab keine Angst: Ich werde auch in Nubien auf dich aufpassen. So wie früher auch, als wir noch klein waren.“

      Endlich war es soweit und der Abreisetag war angebrochen. Mit dem ersten Morgenlicht legte die königliche Barke begleitet von einem kleineren königlichen Boot sowie drei Kriegsschiffen im Hafen von Waset ab. Ahmes stand auf der Terrasse des Palastes und winkte Pharao und der Tochter nach. Sie war nicht wirklich einverstanden damit, dass er Hat-schepsut und ihren Halbbruder mitnahm, nur um die Nubier zu beeindrucken. Doch jeder hatte ihr bestätigt, dass es keinerlei Grund zur Sorge gab: Nubien war befriedet und würde es wohl auch bleiben. Es gab jedenfalls keinerlei besorgniserregende Anzeichen. So machte der kleine Konvoi auch eher den Eindruck, als wäre er zu einer Lustreise aufgebrochen, wenngleich er von drei Schiffen beschützt wurde, die mit bis an die Zähne bewaffneten Soldaten besetzt waren. Doch wenigstens hatte man die Schiffe mit Girlanden geschmückt, damit sie einen weniger kriegerischen Eindruck machten.

      Die ersten drei Nächte, würde man in den Städten Nechen, Nubet und schließlich Sunu in den Palästen der jeweiligen Bürgermeister oder Gaufürsten verbringen, erläuterte Sen-en-Mut seinen Schülern den Ablauf der Reise. Dort war man von den vorausgeschickten Transportschiffen informiert worden, dass königlicher Besuch zu erwarten war. Entsprechend vorbereitet würde man diese drei Städte sicherlich auch antreffen, versicherte Sen-en-Mut. Gleich hinter Sunu, sobald man den ersten Katarakt überquert hätte, würde das eroberte Nubien beginnen. In Ermangelung angemessener Räumlichkeiten, würde man die darauf folgenden zwei, vielleicht auch drei Nächte an Bord verbringen müssen, bis man Miam und nach weiteren drei Tagen schließlich Buhen erreicht hätte, das sich mit großen Zeremonien auf den Besuch einstellte. Es war vorgesehen, wenigstens zwei Tage in Buhen zu bleiben. Es könnten aber auch leicht drei werden, wie Sen-en-Mut meinte, da Pharao dort größere Veränderungen in der Verwaltung vornehmen müsse und zudem die Wehrhaftigkeit der dortigen Verteidigungsanlagen in Augenschein nehmen wollte. Der letzte Abschnitt der Reise würde sie durch eine trostlose Wüstenei führen, bis man schließlich nach weiteren drei Tagen an Bord kurz nach der Überwindung des dritten Kataraktes Pnubs, das Ziel der Reise erreicht hätte. Thot-mose zog den Kopf ein und machte sich ganz krumm, als er die Worte „trostlos“, „Wüstenei“ und „Pnubs“ hörte. Das Äffchen strich ihm mit seiner kleinen Hand unbeholfen über den Kopf, als ob es ihn trösten wollte. Sen-en-Mut teilte mit, dass er die Stationen der Reise dazu nutzen werde, seinen Schülern Näheres über die jeweiligen Orte beizubringen, die auf dem Weg lagen. Thot-mose seufzte unwillkürlich, da er wieder einmal ellenlange Aufzählungen erwartete, die er würde auswendig lernen müssen. Hat-schepsut hingegen brannte vor Wissbegier und wollte sogleich Näheres über Djerti erfahren, dass bereits in der Ferne am rechten Nilufer in einer engen Flussschleife auftauchte. Aufmerksam lauschte sie Sen-en-Muts Ausführungen über den großen Month-Tempel, der vor über eintausend Jahren von Userkaf, dem ersten Pharao der fünften Dynastie errichtet worden war. Als habe er seinen Schützlingen ein Geheimnis anzuvertrauen, senkte Sen-en-Mut seine Stimme: Gott Month war seinerzeit neben Gott Amun der Hauptgott Wasets. Mit Erstarken der Amun-Priester wurde er jedoch immer mehr aus Waset vertrieben und fand in Djerti seine neue Heimat.

      „Oh, dann sollten wir dort besser nicht Halt machen“, schlussfolgerte Thot-mose. „Denn Month ist dann bestimmt nicht gut auf uns zu sprechen. Und schon gar nicht auf die Gottesgemahlin des Amun.“ Er lachte, als habe er einen köstlichen Witz gemacht.

      „Aber nein“, rief Hat-schepsut voller Eifer. „Lasst uns kurz dort anlegen, nur ganz kurz. Wäre es nicht eine schöne, eine verbindende Geste, wenn die Gottesgemahlin des Amun dem Gott Month ihre Aufwartung machte? Ein Gebet, ein Opfer nur. Die Anhänger des Gottes werden sich freuen, dass sie nicht vergessen