Wieland Barthelmess

HAT-SCHEPSUT: Das Geheimnis der Frau auf Ägyptens Thron


Скачать книгу

geschoben.

      Hat-schepsut ging schnurstracks ihren Vater aufsuchen. Der hatte allerdings gerade eine Unterredung mit dem Hohepriester des Amun, wie ihr die Wachen vor seiner Tür Bescheid gaben. Aber da ihr Hapu-seneb überaus gewogen war, wagte sie es dennoch, zu stören. Allein aus Zuneigung würde man ihr die ungehörige Störung nachsehen. Die Leibgardisten taten natürlich nichts weiter, um des Königs geliebte Tochter und Gottesgemahlin des Amun davon abzuhalten.

      „Wie siehst du denn aus, mein kleiner Liebling“, fragte Pharao ob der seltsamen Aufmachung seiner Tochter. Und mit Blick auf ihre schmutzigen Füße meinte er: „Wie umsichtig von Dir, nicht die besten Gewänder zu tragen, wenn du schon im Schlamm spielst. Jetzt aber schnell zu Sit-Re, damit sie dich für heute Abend noch hübsch herrichten kann.“

      „Babu“, Hat-schepsut machte ein Gesicht als habe sie etwas angestellt und nun beichten wollte. „Ich möchte dich etwas fragen.“

      „Nun, wie mir scheint, ist es eine wichtige Frage deren Beantwortung keinen Aufschub duldet.“ Pharao lächelte und zwinkerte Hapu-seneb zu. „Also schnell, frag mich!“

      „Darf ich mit nach Nubien kommen?“

      Pharao war völlig überrumpelt. „Nach Nubien? Was willst du denn in Nubien? Es gilt Turi als Vizekönig einzusetzen. Der Gaufürst von Sauti kommt mit, um ihm vorerst beizustehen. Es wird keinesfalls eine Vergnügungsreise. Ich fürchte, du wirst dich langweilen, sind doch sonst keine Kinder mit dabei.“

      „Doch“, erwiderte Hat-schepsut triumphierend. „Isis, die Tochter des Gaufürsten von Sauti ist dabei. Sie darf ihren Vater begleiten.“

      “Woher willst du das denn wissen?“ Pharao war erstaunt.

      „Ich bin die Gottesgemahlin des Amun. Ich weiß manches, was sonst keiner weiß.“

      Pharao lachte. „Offensichtlich ist das so. Aber unser Hapu-seneb wird auf dich nicht verzichten können. Die Gottesgemahlin des Amun sollte in der Nähe ihres Gemahls sein. Nicht wahr, Hapu-seneb?“

      „Sehr wohl“, antwortete dieser und verneigte sich. „Andererseits haben wir gerade eben darüber gesprochen, wie es uns gelingen könnte, die Nubier stärker an unsere Götter heranzuführen. Es wäre ein großer königlicher Gunstbeweis, wenn die Gottesgemahlin des Amun an Pharaos Seite die Gläubigen in Nubien besuchte.“

      „Womöglich noch in Begleitung des Thronfolgers“, ergänzte Hat-schepsut.

      „Habt ihr euch verschworen, mich zu überreden?“ Pharao schätzte derartige Intrigen nicht und sah den Hohepriester sowie seine Tochter streng an.

      Hapu-seneb verbeugte sich tief. „Die Gottesgemahlin und ich haben noch kein einziges Wort darüber gewechselt. Ich höre Hat-schepsuts Vorschlag genauso zum ersten Mal wie du.“

      „Nun, es könnte schon großen Eindruck machen“, sinnierte Pharao. „Und die zusätzliche Anwesenheit des Thronfolgers würde natürlich mit aller Deutlichkeit zeigen, dass der Fortbestand der Dynastie gewährleistet ist. Seht her, dies ist euer nächster Pharao…“ Mit einer schnellen Handbewegung wischte Pharao die noch unreifen Überlegungen beiseite, was Hat-schepsut fast ein enttäuschtes „Nein“ entfahren ließ. „Wir wären mindestens einen ganzen Monat unterwegs. Insbesondere Thot-moses Leistungen im Unterricht lassen dies nicht angeraten erscheinen. Und so wie ich ihn kenne, bräuchte er anschließend einen weiteren Monat, um sich wieder an den Unterricht zu gewöhnen.“

      „Dann lass doch einfach auch unseren Lehrer mitkommen!“ Hat-schepsut war Feuer und Flamme. „Sen-en-Mut kann die Reise nutzen, um uns zu unterrichten. Und er wird uns bestimmt viel über Nubien beibringen können.“

      „Du bist hartnäckig wie eine Fliege“, lachte Pharao und sah Hapu-seneb fragend an.

      Der zuckte mit den Schultern. „Die Anwesenheit des Thronfolgers und der Gottesgemahlin könnte durchaus eine große Wirkung auf die Nubier haben. Und Sen-en-Mut kann seinen Unterricht ebenso gut auf einer der königlichen Barken erteilen.“

      Pharao überlegte einen Augenblick. „Nun gut. Dann lasst also noch eine weitere Barke herrichten, auf der die Kinder und ihr Lehrer reisen sollen sowie ein weiteres Schiff mit Soldaten, die eigens für ihren Schutz sorgen sollen.“ Pharao runzelte die Stirn. „Das wird ein teurer Ausflug.“

      Mit vor Aufregung hochrotem Kopf lief Hat-schepsut so schnell es ging in ihren Palast zurück. Kaum dass es ihr gelang, nicht doch noch zu rennen, was bei Hofe überhaupt nicht gern gesehen wurde. Es schickte sich einfach nicht; wie so vieles, von dem man nicht mehr recht wusste, warum es einstmals untersagt worden war. Nein, sie war die Gottesgemahlin des Amun und demnächst auch die Große königliche Gemahlin des zukünftigen Pharaos. Beide durfte sie mit ihrem Verhalten nicht der Lächerlichkeit preisgeben. Es gelang ihr immer besser, so schnell als möglich vorwärts zu kommen, aber dennoch hoheitsvoll zu schreiten. Am liebsten hätte sie noch Thot-mose aufgesucht, um ihm mitzuteilen, dass er sie nach Nubien begleiten würde. Aber die Zeit war schon knapp genug, um sich noch baden, ankleiden und schminken zu lassen. Sie würde schon eine Gelegenheit finden, ihn von Pharaos Entscheidung in Kenntnis zu setzen, bevor der Vater sie am Abend offiziell verkündete. Bereits im Durchgang zu ihrem Palast wartete Sit-Re auf sie und hatte ihr strenges, ihr missbilligendes Gesicht aufgesetzt.

      „Es steht mir nicht zu, nachzufragen, wo du dich herumgetrieben hast.“ Angewidert betrachtete sie die Aufmachung ihres Schützlings. „Ich möchte es auch gar nicht wissen, denn sonst mache ich heute Nacht vor Sorgen kein Auge zu.“

      Natürlich erzählte Hat-schepsut während sie gebadet wurde ihrer Dienerin bis in die kleinste Einzelheit, was sich zugetragen hatte. „Und du kommst natürlich mit, Sit-Re“, strahlte sie die erschrockene Dienerin an.

      „Nach Nubien“, stammelte Sit-Re. „Wie schrecklich. Es sind alle Wilde dort, die kaum anständig sprechen können. Hoffentlich werden wir nicht allesamt von den Kraushaarleuten verspeist. Sagt man doch, dass es dort Menschenfresser gibt.“

      „Dummes Zeug!“, lachte Hat-schepsut. „Es ist wie üblich: Keiner war dort, aber dennoch erzählt jeder die dümmsten Geschichten darüber. Außerdem“, sie räkelte sich genüsslich im duftenden Badewasser, „haben wir einhundertfünfzig Bewaffnete mit uns.“

      „Aber die Krokodile sollen dort doppelt so groß sein wie hier. Und die Nilpferde sind angriffslustiger und die Schlangen giftiger.“ Sit-Re war es wahrhaft bang.

      „Ha, solange sie keine Flügel haben, brauchen wir keine Angst vor ihnen zu haben. Sie werden uns schon nicht über sein.“ Hat-schepsut war selig, ob der Aussichten auf das bevorstehende Abenteuer. „Machst du mich heute etwas erwachsener zurecht, Sit-Re? Ich möchte heute Abend einen ganz besonderen Eindruck hinterlassen.“

      Der große Saal des königlichen Palastes war voller Menschen, als Pharao Aa-cheper-ka-Re und seine Große königliche Gemahlin Ahmes ihn betraten, kaum dass die Sonne im Westen versunken war. Hinter ihm erschien der Thronfolger, der wie üblich eine Tunika über einem modisch gefältelten Schurz trug, der bis zu den Knien reichte. Er wurde von seiner Mutter Mut-nofret begleitet, die als zukünftige Königsmutter größtes Augenmerk darauf gelegt hatte, nicht weniger prächtig als Ahmes zu erscheinen. Da diese seit dem Tod ihrer beiden Söhne noch immer in Trauer war und somit möglichst bescheiden auftrat, bereitete dies jedoch kein besonderes Problem. Vielleicht, so raunte der Hofstaat, übertrieb Mut-nofret auch ein wenig. Aber man wusste ja, dass sie es kaum abwarten konnte, bis ihr Sohn zum Mitregenten erhoben wurde, um selbst endlich zur Königsmutter zu avancieren. Gleich nach Thot-mose betrat Hat-schepsut den Saal. Sie wurde von ihrer Dienerin Sit-Re begleitet.

      Augenblicklich ließen sich die Anwesenden zu Boden fallen, bis Pharao huldvoll winkte, damit sie sich wieder erhoben. Hat-schepsut hatte Isis schon längst ausgemacht, stand sie doch gleich in der ersten Reihe neben einem rundlichen Mann mit einem gutmütigen, roten Gesicht, der ihr Vater sein musste. Ähnlich wie Mut-nofret hatte sie, was ihre Aufmachung betraf, vielleicht ein wenig zuviel des Guten getan: Sie glitzerte mit den edlen Damen des Reiches um die Wette und war doch längst noch keine Frau. Zweifellos war sie jedoch eines der anmutigsten