waren und in deinem Ruhestand um dich herum bleiben.
Vice versa: Für deine Mitmenschen im Privatbereich kommst gerade du also künftig häufiger ins Bild. Deine Präsenz im Heimkino des Familien- und Ehelebens wird zunehmen, ebenso deine Bedeutung: Aus der Nebenrolle mit knapp bemessenen Auftritten zu festen Tages- und Nachtzeiten wird, gewollt oder nicht, eine Hauptrolle.
Nimm es dir vor: Zur neuen Quantität kommt optimierte Qualität! (Nicht maximale Qualität, behalte etwas von Dir in der Hinterhand.) Du wirst also den künftigen Familienfilm mehr denn je führend gestalten, mehr Einsätze haben und mehr Text.
Du wirst besser zuhören müssen, um dein Mitreden substantiell zu gestalten. Diese neue Herausforderung endet erst mit dir als Leiche. Aber niemand aus den Reihen deiner Lieben will dich sicher als solche den neuen privaten Blockbuster beginnen lassen.
Wird sich euer Freundeskreis ändern? Werden alte, verschüttete Bekannte wiederentdeckt? Kommen für euch neue Darsteller dazu, wer wird das Casting für den neuen Film übernehmen? Wer wird die Regie haben? (Was sich nach deinem Weggang rund um deinen ehemaligen Arbeitsplatz alles ändern wird, soll dir wurscht sein; aber dazu später mehr.) Wird es ein toller Film oder eine schlichte Dokusoap mit geringer Resonanz?
Die Funktion der Regisseurin und des Rollenbesetzers für das neue Werk kommt automatisch deiner Frau zu. Davon ist jedenfalls mit großer Sicherheit auszugehen, auch wenn sie ganz oder teilweise berufstätig war oder ist. Sollte sie diesen Anspruch bestreiten, sei besonders aufmerksam: Du brichst mit deinem ersten Rentnertag in ihren Lebensfilm ein, den sie seit vielen Jahren fortschreibt, den sie seit je besetzt und regiert hat. Den einen oder anderen Darsteller wird sie sogar geboren haben.
Hänge dich nun nicht wie eine Klette an deine Frau. Sie hat sich Freiheiten und Unabhängigkeit erarbeitet. Beides möchte sie nicht mehr missen. Ihr müsst also nun nicht alles gemeinsam machen, was du gerne tun würdest. Sie ist nicht deine Pflegerin, noch nicht.
Sieh also zu, dass aus dem denkbar fröhlichen Film kein Drama wird. Fädle dich zunächst gelassen in das laufende Geschehen ein, folge dem Flow, provoziere keinen Filmriss und mache kein Theater. Welche Änderungen vorbehalten sind, das wird sich schon sehr bald zeigen.
Auf überraschende Regieanweisungen, neue Szenarien und Spielorte darfst du gespannt sein - um das Unwägbare positiv anzukündigen.
Gut ist es also, wenn du dich mit allen, die bei dir zuhause sind, frühzeitig zusammensetzt. Ihr redet über das, was da auf das Zusammenleben in den eigenen vier Wänden zukommen mag. Vor allem, ihr hört euch zu.
Wie wird euer Alltag ablaufen, wie stehts angesichts verminderter Einnahmen mit den Finanzen und dem Monatsbudget, was erwartet ihr vom Alltags-Leben im Alter? Können Leuchtturm-Projekte - etwa ferne Reisen, Kreuzfahrten oder klösterliche Einkehr - die Dramaturgie bereichern?
Was wollt ihr nicht so machen wie die anderen Paare und Partner, die euch mit tragischen Beispielen des Sicheinanderanschweigens, mit Rentnerstress, Zwist, Zerwürfnis, Trennung zeitlich voraus sind?
Es gibt so vielerlei zu beachten: Hattest du in deinem Job feste Kontakte zu Kunden oder Lieferanten, zu Branchenkollegen, externen Dienstleistern oder zu Behördenvertretern und dergleichen, so kannst du dich bei denen nicht still und heimlich aus dem Staube machen.
Also stimmst du deine Abschiedstermine mit deinem Arbeitgeber ab und führst, wo immer möglich, deine Nachfolgerin oder deinen Nachfolger ein. Damit erledigt sich ein Großteil der Einarbeitung, die du den Nachrückenden schuldest.
Vorsicht vor dem Fauxpas beim letzten beruflich bedingten Gespräch. Keine falschen Vertraulichkeiten, kein ‚Jetzt kann ich es Ihnen ja sagen“. Kein letztes kritisches Wort über die Firma, über Chefs oder Kollegen, weder über die eigenen Leute noch über die der anderen. Wer sich nicht mit warmen Worten, also in Würde, verabschieden kann, der stellt am Ende die Qualität seines Charakters in Frage. Er ruiniert den letzten Eindruck, und der ist für den Rest deines Daseins der entscheidende. Wer „nach mir die Sintflut“ sagt, wird vom Tsunami erfasst werden.
Deinen Arbeitsplatz räumst du nicht erst am letzten Tag, sondern ganz unauffällig, nach und nach, während der letzten Wochen. Es sieht lächerlich aus, seine Siebensachen im offenen Karton in letzter Minute aus der Firma zu tragen. Vor allem, wenn dabei der Kaktus final auf den Boden fällt.
Halte dir zum Abschluss die Hände frei für letzte Verabschiedungen, und die Arme für letzte Umarmungen. Derlei soll ja gelegentlich gewünscht werden wie ein frisches Papiertaschentuch fürs Tränchen zum Tschüss. Vielleicht wirst du sogar mit einem dicken Blumenstrauß behelligt.
Derlei lässt man dann nicht einfach zurück wie etwa die Schlüssel vom Firmenwagen, von den Eingangs- und Schranktüren. Auch der um alles Private gründlich bereinigte Laptop und der Stick mit allen vertraulichen Firmendaten bleiben da. Als Handwerker lässt du andere nützliche Dinge links liegen, seien es Werkbänke, Akkubohrmaschinen oder der filigranste Schraubendreher, der in jede Hosenfalte passt.
Ganz so einfach geht es mit der Ehrlichkeit wieder nicht: Die nötigen Formalitäten enden für dich nicht unbedingt mit einem Bodycheck, wohl aber mit dem Erhalt unterschriebener Empfangsbescheinigungen. Nur Köche nehmen den Holzblock mit ihren Messern mit; die können sie Jahre später auch noch daheim verwenden.
Nicht auf den letzten Drücker solltest du die Frage nach deiner künftigen Mobilität beantworten. Durftest du einen Firmen-Pkw privat benutzen und ihn zum Abschied nicht privat zum Freundschaftspreis übernehmen, so darfst du dir jetzt beim Händler deines Vertrauens einen eigenen Wagen aussuchen. Auf eigene Rechnung natürlich, und die Befindlichkeiten deiner Familie musst du mit ins Kalkül ziehen.
Also, welcher Wagen darf es sein? Ist es der, den du dir als Rentner noch leisten kannst? Ist es der, dessen Farbe deine Frau sich wünscht? Ist es der nun um vieles Größere und Stärkere, der deinen Kollegen und Chefs zum Schluss die Augen dazu öffnet, wie gut es dir demnächst geht? Und wie jugendlich du immer noch bist, oder jünger denn je?
Es soll Arbeitnehmer gegeben haben, die sich zum Abschied besonders in diese Richtung gut auf Symbolik verstanden: Sie fuhren am letzten Tag mit ihrem frisch gekauften Wohnwagen vor. Du kannst das toppen. Verzichte auf den Abschiedsalkohol und starte mit deinem Gebrauchten vom Caravan-Markt nach der Feier gleich durch, auf, auf und davon an die Costa Brava.
Mehr als ein Gläschen Sekt ist eh ein schlechter Begleiter beim letzten Termin vor Chefs und Mitarbeitern. Du willst doch Haltung zeigen, deine freundlichen Worte wägen, der Runde aufmerksam zuhören, dich über ein Abschiedsgeschenk freuen.
Sind alle Nettigkeiten ausgetauscht, heißt es für dich ‚to go“, und zwar aufrecht, ohne Gehhelfer. Schwanken und Lallen sind ein ‚no go“, ganz zu schweigen von einer liegenden Abreise im Notarztwagen.
Apropos freundliche Worte: Es wertet dich nicht ab, wenn du dir für deine kleine Rede vorab ein paar Notizen machst. Schließlich willst du niemanden vergessen, den du namentlich hervorheben solltest und wolltest.
Du willst an das eine oder andere amüsante Erlebnis erinnern, sogar an gemeisterte schwierige Zeiten, oder an ein paar Daten deiner Ochsentour im Betrieb erinnern. Beziehe aber deine Zuhörerinnen und Zuhörer mit ein, sprich vor allem vom ‚wir“ und von ‚uns“, von den angenehmen Gemeinsamkeiten eurer Zwangsgemeinschaft.
Du darfst in netter Form über alles Nette reden, nur nicht über fünf Minuten.
Ein ausgefeiltes Redemanuskript statt knapper Merkwörter ist nur dann angebracht, wenn du vor lauter Nervosität ohne festgeschriebenen Text keinen Ton herausbringen würdest. Ist dem so, dann übe deine Sätze mehrmals vor dem kritischsten Publikum der Welt – vor deiner Frau.
Beim Probieren hilft der Blick auf die Uhr dabei, die Zeit nicht zu überziehen und die Zuhörer zeitlich nicht zu überfordern. Auch wenn dir Notizen reichen, sind ein paar Rede-Übungen vorab ratsam: Zeitkontrolle, fester Stand, Augenkontakt, langsames und deutliches Sprechen, Wirkungspausen.
Am Ende des Berufslebens ist wohl jedermann in der Lage, ein paar Minuten Aufmerksamkeit und Konzentration auf die eigene Person zu ziehen. Sollte das für dich