Peter P. Karrer

Lord Geward


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irgend möglich.

      Der Schreck und der Unglauben in Armedus Augen ist unverkennbar, jetzt stottert er: »Aber, aber, Ihr steht doch in den Diensten König Aldaras und... und die Waffen waren für ihn. Für den Krieg gegen die Mitländer. Warum habt Ihr sie zerstört? Sie waren eine Gabe der Götter.«

      Wie kann ich Armedus, einem zwölfjährigen Jungen, das alles nur erklären?

      Um Zeit zu gewinnen, decke ich den Tisch, serviere einen Brei aus wilden Bohnen und schneide so langsam wie möglich einige Scheiben Brot. Nach den ersten Löffeln Bohnen, die einen intensiven ausgezeichneten Geschmack aufweisen, schaue ich ihn an und beginne: »Armedus.«

      Er hebt den Kopf, ich bin mir nicht sicher sehe ich Angst oder Unsicherheit in seinen Augen, dann fahre ich, einem Pfarrer gleich, fort:

      »Armedus, ich stehe nicht oder besser, ich stehe nicht mehr in König Aldaras Diensten, ich... ich«, mir wollen die richtigen Worte nicht einfallen.

      »König... König Geward, entschuldigt meine Unwissenheit. Ich... ich wusste nicht, dass Ihr bereits die Prinzessin zur Frau genommen habt und... und den Thron Aldaras bestiegen habt,« unterbricht mich Armedus mit zitternder Stimme.

      Er springt auf, kniet sich auf den Boden und verbeugt sich tief.

      Ich fasse ihn fest am Arm, ziehe ihn hoch und unterbreche ihn unwirsch: »Nein, nein Armedus, Du hast mich nicht verstanden. Ich bin nicht König und ich habe auch nicht geheiratet. Armedus, denke doch einmal nach. Würde ich als König hier in dieser Hütte wohnen?«

      Armedus schüttelt langsam und verwirrt den Kopf.

      Ich fühle förmlich Armedus sich überschlagende Gedanken.

      »Ich habe mich von König Aldara getrennt. Das musst Du mir glauben. Aldaras Ziele sind nicht die meinen. Ich weiß nicht einmal, ob sie es jemals waren. Aber das muss ich Dir ein anderes Mal erklären. Aber jetzt musst Du mir glauben: Ich bin nicht mehr König Aldaras Mann!« erkläre ich.

      Armedus möchte etwas sagen aber ich lasse ihn nicht zu Wort kommen und weise ihn an, seinen Brei zu essen. Ich hoffe, die ihm aufgezwungene Redepause hilft ihm, alles besser zu verstehen.

      Um die Situation noch weiter zu entspannen, serviere ich als Nachtisch, eine Nussölcreme mit Honig und getrockneten Apfelscheiben, die Leibspeise Armedus’.

      Ich hole zwei tönerne Fettlämpchen und versuche ihm bis weit nach Mitternacht noch mehr zu erklären. Da ich ständig überlege, welche Dinge ich ihm mit welchen Worten verständlich machen kann, aber die meisten Vorgänge selbst nicht begreife, werden die Erklärungen immer konfuser und ich beschließe, besser zu Bett zu gehen und lieber morgen weiter zu reden.

      Ich bin mir sicher, ihn mit meinem wirren Gestotter eher noch mehr verwirrt zu haben.

      Ich liege noch lange wach und auch Armedus wälzt sich immer wieder von einer zur anderen Seite. Immer wieder sehe ich seine offenen, im hellen Mondlicht blitzenden Augen. Ach, wie gerne würde ich jetzt seine Gedanken lesen.

      Erst im Morgengrauen schlafen wir ein.

      Die nächsten Tage sind eisig kalt und ein Schneesturm jagt den anderen. Immer wieder versuche ich an unser nächtliches Gespräch anzuknüpfen, versuche Armedus fragenden Augen Antworten zu geben, aber es gelingt mir nicht. Ich bin froh über die Zeit, die Armedus mir gibt meine Geschichte zu überarbeiten, bevor ich einen neuen Versuch der Erklärung wagen möchte. Nach und nach wird der Junge im Umgang mit mir etwas vertrauter und lockerer.

      Einige Tage später hört es auf zu schneien und bereits am frühen Vormittag ist der Himmel wolkenlos und tief blau. In warme Decken gewickelt, setzen wir uns auf eine Bank vor der Hütte.

      Ich unternehme einen neuen Versuch und beginne mit einer Frage.

      »Armedus, Du hast mir erzählt die Waffen haben Euch die Götter gegeben.«

      Er unterbricht mich sofort: »Nein Geward, ich sagte, es sind die Waffen der Götter.«

      Zuerst begreife ich den Unterschied nicht und frage ihn: »Woher hattet Ihr die Waffen?«

      Nach einem Augenblick berichtet er mir: »Auf einer Insel im verbotenen See lebt ein alter Druide als Einsiedler.«

      Er stockt kurz, dann erklärt er weiter: »Viele Menschen halten ihn für einen Zauberer und keiner wagt es, die Insel zu betreten. Im See wird nicht einmal gefischt, es heißt, selbst die Fische wären verzaubert. Ein Fischer hat einmal aus Hunger im See gefischt und im nächsten Winter ist seine ganze Familie an der Hautfäule gestorben.«

      Ich nicke ihm aufmunternd zu, weiter zu erzählen.

      »Die Insel ist seit ewigen Familien, wahrscheinlich schon immer, ein verbotener Ort. Nicht einmal die Truppen des Großkönigs betreten den See oder gar die Insel.«

      »Niemand hat die Insel je betreten?« frage ich nach.

      Er überlegt kurz. «Die Dörfer am See fürchten ihn nicht so sehr, im Gegenteil, sie sind die einzigen die glauben, er beschützt sie. Deshalb opfern sie jeden neunten Tag einen Teil ihrer Lebensmittel. Das hat mir jedenfalls mein Vater einmal erzählt. Aber ich glaube nicht, dass sie sich jemals auf die Insel trauten. Ein Kupferhändler erzählte uns einmal, wie sie die Opfergaben zur Insel schaffen. Ich verstehe das aber nicht so ganz.«

      Noch einmal ermuntere ich ihn weiter zu erzählen.

      »Also, sie packen die Opfergaben am Morgen auf ein Floss und lassen es treiben und durch die Magie des Druiden kommt es eine Nacht später wieder leer zurück.«

      Armedus sieht mich lange an, als wolle er seine Glaubwürdigkeit prüfen.

      »Mein Vater, glaube ich, hatte weniger Angst vor dem Druiden, denn er sagte dem Händler, das ist alles keine Magie und jeder Fischer kennt die Strömungen. Es gibt im See sicher eine Morgen- und eine Abendströmung.«

      »Und der Händler?« frage ich schmunzelnd.

      »Der Händler bestand darauf, es sei Magie. Ich glaube auch, der Druide ist ein Zauberer. Aber Vater kennt den Druiden besser, aber...«

      Neugierig geworden, fordere ich ihn auf fort zu fahren und er flüstert unsicher: »Darüber möchte ich lieber nicht sprechen.«

      Ich respektiere seinen Wunsch und bitte ihn mir nur noch etwas über den Druiden zu erzählen.

      »Wenn Du möchtest,« füge ich noch an und er beginnt ehrfürchtig und leise weiter zu sprechen.

      »Kein Mensch kann so alt werden und er muss unendlich alt sein. Als Kind hat mein Vater darüber gesprochen, wie seines Vaters Vater den Zauberer einmal gesehen hat, und dass bereits der, von einem uralten Mann berichtete. Einige Leute behaupten, er sei über tausend Familien alt. Ich glaube, er ist schon immer hier.«

      Bevor ich mich beherrschen kann, rutscht mir »So ein Unsinn!« heraus.

      Ich bin froh darüber, dass Armedus meinen Zwischenruf entweder nicht gehört oder nicht verstanden hat. Jedenfalls nimmt er keine Notiz davon und spricht ohne zu unterbrechen weiter.

      «Der alte Mann soll alles wissen und die Gedanken eines jeden aussprechen können. Er soll ein Heiler sein. Aber... aber... aber ich kenne niemanden, den er geheilt hat.«

      Amüsiert spreche ich leise zu mir selbst: »Kein Wunder, wenn ihm jeder aus dem Weg geht.«

      Aber der Alte interessiert mich, obwohl ich immer noch nicht weiß, woher die verdammten Waffen kommen.

      Ich spüre die Angst Armedus, über diese Dinge zu sprechen. Ein bemerkenswerter Junge. Er hat sicher mehr Mut als die meisten Erwachsenen. Armedus versucht seinen Bericht fortzuführen und ich fühle, wie viel Überwindung ihm jedes Wort abverlangt.

      Um ihn zu entlasten, hole ich uns je einen Becher frisch gerührter, mit Honig gesüßter Eier, Armedus Lieblingsgetränk. Still, jeder mit sich selbst beschäftigt, trinken wir unsere leckere Eierspeise.

      Nach einer Weile frage ich, um wieder zum Thema zu kommen: »Und dieser alte