Elvira Alt

Sodom und Gomorrha


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ihm die Sinne. Eine fleischgewordene Göttin und er war die Opfergabe. Sascha stürzte sich auf sie, nahm sie mit einer Leidenschaft, in der keine Spur von Liebe oder Zärtlichkeit lag. Er fühlte sich auf dem Gipfel seiner Manneskraft und seine Erregung wurde noch von wildem Hass gesteigert.

      In letzter Zeit kam es ihm vor, als sei Julia fremdgesteuert. Zum hundertsten Mal fragte er sich, wie er sich nur in diese aussichtslose Lage hatte manövrieren lassen können. Hatte er sich nicht immer für den glücklichsten Mann der Welt gehalten?

      Sascha sah in den Spiegel und hatte das Gefühl, in eine Dornenhecke gefallen zu sein.

      „Sieh nur, was Du angerichtet hast. Ich weiß, Du wolltest das nicht.“

      Er trat auf das Bett mit den monogramm-bestickten Satin-Laken zu und wollte sie an sich ziehen.

      Sascha spürte, wie ihr Körper unter seinen zärtlichen Händen schon weich wurde, nachgab. Sie versuchte sich seiner heftigen Zärtlichkeiten zu erwehren. Julia riss den Kopf zur Seite, sodass seine Küsse ihren Hals trafen. Nur noch wenige Augenblicke, und der Widerstand würde gebrochen sein - dachte Sascha. Sie schlang ihre Arme um seinen Körper und ihre Fingernägel krallten sich, wie die Krallen einer Katze, in seinen Rücken. Er schrie auf vor Schmerz und löste sich aus ihrer Umarmung.

      Sie schmiegte sich nicht an ihn, sondern pflanzte sich in schamloser Dreistigkeit vor ihm auf. „Schrei nur! Hätte ich ein Messer, dann würde ich ihn Dir abschneiden und in den Mund stecken!“ Sie spuckte Gift und Galle.

      Sascha bemerkte, wie sich seine Nackenhaare leicht sträubten. „Bitte, Julia!“, bettelte er. „Das Kind könnte Dich hören.“

      An einem Fenster blühten die ersten Eisblumen.

      Wieder versuchte er sich ihr zu nähern.

      „Rühr mich nicht an!“, knurrte sie.

      Sie turnte über das Fußende des Bettes und angelte nach ihren Hausschuhen und einem T-Shirt, zog beides an. Julia trat an einen Spiegel, presste die Hände gegen die erhitzten Wangen und fuhr sich mit einem Kamm durch die Haare.

      Sein Stolz war verletzt. „Von der Mutter meines Kindes erwarte ich ...“

      „Ach so, ich soll lieb zu Dir sein. Dann gib mir endlich was ich haben will!“

      Nervös sah Sascha zur Tür. „Ich kann doch nicht, ich hab doch nichts“, sagte er beschwichtigend.

      Er bemerkte, dass er einen Fehler gemacht hatte, noch bevor er ihr böses Lachen hörte.

      „Dann besorge es Dir“, schrie sie. „Du hast es versprochen!“ Anzeichen von Hysterie machten sich wieder bemerkbar. Sie gebärdete sich wie jemand, der während eines Zechgelages unvermittelt und auf schreckliche Weise ernüchtert wurde.

      Sie stellte sich mit verschränkten Armen vor die Tür. „Die Bedingungen sind nicht verhandelbar!“

      Zum wiederholten Mal bekam er eine Ahnung davon, wie groß ihre Angst war, finanziell mittellos dazustehen, wie sie schimpfte und mit dem Schicksal haderte - und wie resolut, diese Nervensäge, werden konnte. Er musste schnellst möglichst verschwinden, bevor die Nachbarn wieder die Polizei riefen.

      „Eine Million aufzutreiben, das braucht nun mal Zeit“, versuchte er sie zu beruhigen. Sascha atmete tief ein und seufzte dann ergeben. „Aber ich werde einen Weg finden“, räumte er friedfertig ein.

      Dieses Angebot ließ wieder den Anschein von Eintracht einkehren, dachte er, doch seine Antwort brachte sie innerlich zur Weißglut. Eine Weile blieb es still.

      Dann drehte er sich um und ihre Miene war so wutentbrannt, wie eine Naturgewalt, so, dass Sascha erstarrte. Diese Julia kannte er nicht und das machte ihm Angst. Hastig zog er sich an. Währenddessen stürmte Julia durch das Zimmer. Sascha betete sie an. Was für eine Frau! Aber irgendwie hatte sie sich verändert. Sie hatte etliche Kilos abgenommen. Julia sah erschreckend dünn aus. Viel zu dünn.

      Er warf einen Blick in den Spiegel. Kleine Blutrinnsale liefen ihm über die Wangen. Kratzwunden, die ihm Julia beigebracht hatte.

      Wieder versperrte sie mit verschränkten Armen den Ausgang.

      „Wie soll ich das nur meiner Frau erklären?“

      „Das ist mir vollkommen schnuppe. Duschen ohne nass zu werden geht nun mal nicht. Ich habe Dir gesagt, dass ich Deine Frau respektiere und Dich mit ihr teilen kann, aber … Du hast noch ein Verhältnis!“, schrie sie besitzergreifend, „mit Frau Pfeffer, gib es endlich zu! Ich bin doch nicht blöd! Der feine Patentanwalt Pfeffer, immer so korrekt. Von wegen Geschäftsreisen. Er verbringt die Zeit im < Ball der einsamen Herzen > und sie ist die ganze Zeit allein. Wenn Du wüsstest! Wenn ich auspacke! Ich war und bin immer noch seine Sekretärin, kenne ihn besser als seine eigene Mutter. Finanziell wäre da aus seinem Techtelmechtel einiges rauszuholen.“ Julia gab die Tür wieder frei.

      Er hörte ihr schon nicht mehr zu.

      Einen Moment lang spielte Sascha tatsächlich mit dem Gedanken, reinen Tisch zu machen, die Wahrheit auszupacken, aber er verwarf die wahnwitzige Idee ebenso schnell, wie sie ihm gekommen war.

      Während er die glücklichen Tage heraufbeschwor, kam ihm auf dem Nachhauseweg die rettende Idee.

      Es schneite. Der Wind trieb Sascha die Flocken ins Gesicht. Sie nahmen ihm die Sicht nach oben und ließen seine Gedanken abreißen. Sascha versuchte sein Gesicht aus dem Schnee zu drehen, der von einem scharfen Wind waagrecht durch die Luft gefegt wurde. Seine Schuhe waren durchweicht, die Hose nass bis zu den Knien. Irgendjemand sollte vielleicht mal diese Straße streuen.

      Wie jeden Tag, nach dem Mittagessen, machte es sich Regina in ihrem Sessel bequem, ließ den kleinen Hund auf ihrem Schoß Platz nehmen, streichelte und kraulte ihn eine Weile, bevor sie die Lesebrille aufsetzte und ihre Handarbeit aus dem Korb nahm. Häufiger als früher nickte sie schon nach kurzer Zeit ein, wobei die Stricknadeln ihren Fingern entglitten und ihr Kopf gegen das Polster fiel. Sie machte die Augen zu, damit sie von ihren Erinnerungen leichter in die Vergangenheit zurückgetragen werden konnte. So schlief sie, mit dem Hund auf dem Schoß. Das Kind spielte mit seinen Puppen.

      Sascha ging geradewegs ins Wohnzimmer.

      Als Reginas Blick auf ihren Mann, der breitbeinig, um sich im Gleichgewicht zu halten, fiel, wurde sie vor Schreck ganz blass. Es schien, als wollten ihm die Beine demnächst den Dienst versagen. In seinen Augen war ein unheimliches Glitzern.

      „Um Himmels willen, was ist geschehen?“, forschte Regina.

      Sascha verzog sein Gesicht mühsam zu einem vagen Lächeln, was ihm höllische Schmerzen bereitete. „Ich glaube, ich hab was ziemlich Dummes angestellt“, platzte er heraus.

      „Wieso?“, fragte Regina. Ihr Gesicht nahm den Ausdruck des Erstaunens an.

      Hinter seinem Rücken brachte er eine kleine Katze zum Vorschein, fauchend. „Ich hab sie für Viktoria gekauft, aber das verdammte Biest fiel mich an, als ich sie in den Korb stecken wollte.“

      Sascha Junk

      Saschas Horoskop: Warum immer nur an andere denken? Verwöhnen Sie sich doch auch mal selbst. Es gibt im Leben keine Reue, nur Lektionen.

      Fast zehn Jahre hatte Sascha damit zugebracht, sich nach allen Regeln der Kunst ein Doppelleben aufzubauen, von dem nicht einmal seine engsten Freunde etwas wussten – dachte er.

      Sascha war sprunghaft und liebte die Oberflächlichkeit. Beim Einkaufen beispielsweise waren die Namen der Hersteller für ihn das Wichtigste. Er liebte auch seine Arbeit und war rege und aufmerksam, solange es um die Schickeria ging.

      Außerdem war er ein hervorragender Organisator. Sascha war in der Lage, innerhalb weniger Wochen nach seiner Ankunft in Mallorca einen Liegeplatz im Hafen oder den Mietvertrag für eine Villa im August zu beschaffen, die niemals auf dem freien Markt angeboten worden wäre, sowie alle möglichen nützlichen Kontakte herzustellen, seien sie geschäftlich oder sonstiger