nur um zu ihm zu kommen.
Er verliebte sich ständig und jedes mal half ihm die neue Liebe, die alte zu vergessen. Sascha betete die Frauen an. Für ihn waren sie alle schön. Stets brachte er es fertig, ein Dutzend davon in Bereitschaft zu haben. Eine Tür ging auf, eine andere zu. Die herzzerreißenden tränenreichen Abschiedsszenen bestanden immer aus einem großzügigen Geschenk und einem – man sieht sich.
Doch all das gehörte der Vergangenheit an.
Regina war eine reiche Erbin einer legendären Frankfurter Dynastie. Als Sascha sie zum ersten Mal sah, waren seine Junggesellen-Tage gezählt. Wenig später fand er sich als Ehemann wieder. Er war angekommen – dachte er.
Regina war ebenso energisch wie schön, und sie wusste was sie wollte. IHN, seinen Bruder, den Vikar.
Also hatte sich Sascha von einem sorgenfreien Junggesellen in den Mann einer schönen jungen Erbin verwandelt. Er stieg in das Familienunternehmen, der Detektei Indiskret, ein, was innerhalb des Konzerns - bei den Männern - für große Spannungen sorgte. Andererseits war ihm - durch die weibliche Belegschaft - von Anfang an Erfolg beschieden. Stets lächelte er smart und war charmant. So herrschte eitel Duldsamkeit.
Die Ehe mit Regina blühte und gedieh, dank göttlichem Beistand.
Hatte er zuerst befürchtet eine Heirat würde seine Männlichkeit beeinträchtigen, stellte sich diese Angst bald als unbegründet heraus. Er reduzierte die Anzahl seiner Freundinnen und alles lief nach Wunsch wie zuvor.
Regina war ihm die perfekte Ehefrau. Sie liebte ihn und behandelte ihn wie einen König, was nach seiner Ansicht nach genau das war, was er verdiente.
Die ganze Sache hatte nur einen Haken. Witterte sie Grund zur Eifersucht, verwandelte sie sich in eine Furie.
Mit tugendsamer Entrüstung wies er die Anschuldigungen zurück. Mit allergrößter Diskretion trieb er sein Spiel weiter, dass auch nicht der Hauch eines Verdachts auf ihn fiel. Manchmal fragte sich Sascha, warum er eigentlich ständig fremdging.
Dann begegnete ihm Julia und er konnte der Versuchung nicht widerstehen. Sie wurde unter einer Bedingung seine Geliebte: Sascha musste allen anderen Frauen in seinem Leben, außer seiner Ehefrau, entsagen.
Mit welcher Frau er jeweils zusammen war, immer fühlte er, dass er die andere betrog. Und das steigerte sein Begehren.
Beide Frauen wurden etwa zur gleichen Zeit schwanger. Nach neun Monaten schenkte Regina einem Mädchen das Leben, ein paar Tage später Julia einem Jungen.
Die fünfte Jahreszeit
Reginas Horoskop: Ihre gute Laune könnte dadurch getrübt werden, dass Sie sich unter Druck gesetzt fühlen. Locker bleiben. Man muss die Feste feiern, wie sie fallen.
Es gibt jemanden in Ihrem Leben, der nur darauf wartet, dass Sie den ersten Schritt wagen. Trauen Sie sich!
Regina hatte für den Fasching so gar keinen Nerv. In diesem Jahr blieb ihr der Hexenrummel und die Weiberfastnacht erspart und dennoch ließ sie sich dazu überreden, wenigstens zu einer dieser Veranstaltungen, am Samstag, zu gehen. Ihre Bekannten versprachen, dass die Party poppiger und knalliger werde als je zuvor. Einen spektakulären Liveact, ein neunziger Revival mit einem abgedrehten DJ Team an den Plattentellern, einem verrückten Science-Fiction Kostümwettbewerb und einer Überraschung, jedesmal, wenn die Konfetti-Kanone explodiert.
„Was ist das denn für ein Kaffeekränzchen?“, fragte Regina zaghaft in die Runde und schüttelte ihren Kopf.
Alle Damen an ihrem Tisch brachen in helles Gelächter aus und machten sich fast in die Hosen. Nur eine ihrer Bekannten gab ihr eine einigermaßen vernünftige Antwort.
„Die Tanzgruppe aus dem blauen Affen inklusive ihrem Funkenmariechen. Ihr Auftritt ist legendär und beendet, wie jedes Jahr, von Veilchendienstag auf Aschermittwoch die Karneval-Saison um Mitternacht.“
„Kenne ich nicht,“ musste Regina gestehen. „Der blaue Affe, ist das ein Kabarett? Führen sie den Tanz der Sieben Schleier auf?“
Sie konnte den Blick von der außergewöhnlichen Aufmachung der Frauen nicht abwenden. „Die sehen so normal aus, elegant, gar nicht verkleidet“, stellte Regina fest.
„Glaub mir Regina, sie sind kostümiert und im normalen Leben würdest auch Du sie keines Blickes würdigen. Sie sind anders. Man meidet ihre Nähe wie die Pest, so als ob sie Lepra hätten“, sagte Reginas Bekannte, lachte wie ein Honigkuchenpferd über Reginas Naivität, nicht im geringsten bemüht, ihr Desinteresse zu verhehlen.
Eine der Frauen stach Regina ganz besonders ins Auge. Ihr Anblick war umwerfend. Sie war genauso groß wie sie, etwas älter, und Regina hätte gerne gewusst, von welchem Friseur ihre modische Frisur stammte. Ihre Figur, in der engen Korsage, einfach traumhaft, beneidenswert. Vom Scheitel bis zur Sohle reine Weiblichkeit, ohne so dick aufzutragen, dass sie die Pferde scheu gemacht hätte oder auf die Modeseite der Boulevardpresse gekommen wäre.
Wie sie da im Sitzungssaal, von rund einem Dutzend Schönheiten, ihrem persönlichen Hofstaat, flankiert wurde, wirkte sie ungemein selbstsicher, kühl und eindrucksvoll. Die Worte aus ihrem Mund klangen beinahe aufregend. Peinlich berührt stellte Regina fest, dass die Frau nach einigen Minuten nur noch sie allein ansah. Regina redete sich ein, dass der ständige Blickkontakt vermutlich zu ihrer Taktik gehörte. Sie kam sich vor wie bei Gericht, wo es zweckmäßig ist, beim Plädoyer einen der Geschworenen zu fixieren. Sicher war das eine plausible Erklärung. Beunruhigender fand Regina allerdings ihre eigene Reaktion auf den beharrlichen Blick dieser blassgrauen Augen, der eine fast hypnotische Wirkung auf sie hatte. Ihre ausgesprochen aristokratische Nase und der großer Mund war im Gegensatz dazu eine Spur zu vulgär, ihre Augenbrauen verrieten Arroganz. Regina fühlte sich geradezu überwältigt von der physischen Anziehungskraft, die diese Frau auf sie ausübte und die im übrigen alle Anwesenden in ihren Bann zu ziehen schien.
Regina war vollkommen verwirrt von ihrer Reaktion, einer Mischung aus unguter Vorahnung und Erregung. Es war ein gänzlich neues Gefühl, das sie nicht einmal ansatzweise begriff. Was um alles in der Welt geschah mit ihr?
Nachdem die Karnevalsredner, die Bütt, ihr Vortragspult verlassen hatten, wurde an der Sektbar geschunkelt, getanzt, gelacht, geküsst und schamlos Händchen gehalten. Chantals Hofstaat war immer noch damit beschäftigt, als ein Mann, verkleidet als Scheich, in Sichtweite kam. Er zog sich nicht diskret zurück, sondern marschierte rücksichtslos auf Chantal zu, wie ein Drache, der sich über ein wehrloses Schaf hermacht. Er überreichte ihr seine Visitenkarte und hatte somit das Gefühl, alles getan zu haben, was der Anstand gebot und er war keineswegs gewillt, herumzulungern, bis sie eine passende Haltung eingenommen hatte, ihn zu empfangen, ihm ihre Gunst zu erweisen.
Sie blickte ihn herablassend an.
„Ich störe doch hoffentlich nicht?“, fragte er weltmännisch leicht eingeschnappt.
„Du liebe Güte“, sagte Chantal, nachdem sie seinen Namen gelesen hatte. „Keineswegs. Trinken Sie doch ein Glas mit uns“, lud sie ihn ein.
„Das ist sehr freundlich von Ihnen“, sagte der Scheich, der niemals zögerte, wenn es darum ging, seine Bedürfnisse anzumelden. „Doch ich fürchte, zunächst müssen wir etwas ziemlich Wichtiges besprechen.“ Sein Lächeln war gewinnend.
„Selbstverständlich.“ Chantal warf ihren Damen einen Blick zu, woraufhin diese sich mit einem aufmunternden Grinsen in den Trubel mischten. Sie ließen ihre Chefin mit dem fragwürdigen Geschäftsanliegen des Scheichs zurück.
Chantal sprach mit jener anrührenden Aufrichtigkeit, die ein ausschließliches Privileg des Alters ist.
Zu gegebener Zeit, lud Chantal Regina für die kommende Woche, zum Mittagessen ein. Ob Regina sich nur Chantals Sympathie sichern wollte, um sie zu bitten, ihr Tanzunterricht zu geben, wusste sie selbst nicht genau. Mit ihrer Art der kunstvollen Verführung, hatte Chantal schon häufiger Erfolg.
Als Regina in dem Restaurant