Jürgen Ruhr

Final - Tanz


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ihr Auftrag, oder? Und nicht darüber nachzudenken, ob er genug Geld verdient.“ Sie zündete sich eine weitere Zigarette an und erhob sich. „Überlassen sie das Denken ruhig mir“, giftete sie, trank ihr Glas in einem Zug leer und rauschte davon. Als der Ober für die Getränke das Geld kassierte, musste ich ihren Sekt auch noch bezahlen.

      Birgit und ich schlenderten ein wenig über das Boot. Aus reiner Routine heraus prägten wir uns Gefahrenstellen ein und spielten mögliche Szenarien durch. Nicht, dass mit irgendwelchen Problemen zu rechnen gewesen wäre, doch wenn Sergio heute Abend an dieser Veranstaltung teilnehmen wollte, dann war es gut, einen Überblick zu bekommen.

      „Hier sind sie, ich habe sie schon überall gesucht.“ Jeka Krynow klang ärgerlich. „Sergio möchte einen Spaziergang machen und später zu Abend essen. Da wir ja leider gezwungen sind, sie über alle unsere Aktivitäten zu unterrichten, komme ich hiermit meiner Verpflichtung nach. Sergio und ich verlassen das Schiff in fünf Minuten. Ob sie nun mitkommen oder nicht. Und bitte - ich weiß, dass Sergio das anders sieht, aber ich wünsche es so - wir wollen den Spaziergang und das Essen alleine genießen. Halten sie sich also im Hintergrund! Das Beste wäre, wir würden sie gar nicht bemerken.“ Die Frau drehte sich um, ohne eine Antwort abzuwarten und verschwand in Richtung ihres Zimmers.

      „Was ist denn mit der plötzlich los?“, fragte ich und schaute ihr verwundert hinterher. Jeka war ja nie wirklich freundlich zu uns gewesen, aber ihr Ton jetzt klang noch eine Nuance kühler.

      „Vielleicht hast du sie mit deinen Bemerkungen verärgert“, mutmaßte Birgit. „Künstler sind, was das Finanzielle betrifft, offensichtlich sehr empfindlich.“

      „Ich will nur hoffen, dass die Dame nicht während der gesamten Reise so zickig ist. Hätte ich mal bloß meinen Mund gehalten.“

      Während wir an Land gingen, suchte ich nach einem geeigneten Platz, um auf die beiden Künstler zu warten. Birgit nickte: „Vielleicht kannst du dich ja später bei ihr entschuldigen.“

      Sergio Palyska tänzelte schon fast über die Gangway. Es gab zwei davon, die auf das Hotelschiff führten. Wir standen so, dass wir beide überblicken konnten und als der Tänzer jetzt mit seiner Frau im Arm an Land ging, stieß ich Birgit kurz an. „Da sind sie. Mein Gott, der trägt ja wieder dieses merkwürdige Rüschenhemd und die Dreiviertelhose. Sergio muss aber auch um jeden Preis auffallen!“

      Birgit zuckte mit den Schultern: „Lass ihn doch. Er ist halt ein Künstler.“

      Sergio entdeckte uns und wollte zu uns kommen, doch Jeka hielt ihn am Ärmel fest. Dann flüsterte sie ihm etwas ins Ohr und der Mann nickte. Er winkte uns kurz zu und die beiden gingen am Ufer entlang. Birgit und ich folgten ihnen in einigem Abstand. „Ich fühle mich unwohl, so ganz ohne Waffe“, meinte ich und beobachtete die Menschen, die dem Ballett-Tänzer begegneten. „Wenn er angegriffen wird, können wir ihn nie und nimmer schützen. Wir sollten dichter an die beiden herangehen.“

      Birgit schüttelte den Kopf: „Wer soll ihn hier schon angreifen? Warum überhaupt? Sergio kennt hier kein Mensch. Und wenn wir den beiden näher auf den Pelz rücken, bekommst du es wieder mit Jekaterina zu tun.“

      Wir überquerten die Seine auf einer Brücke und folgten den beiden, die zielstrebig auf ein Restaurant zu gingen, das die Tische und Bänke im Außenbereich mit riesigen Sonnensegeln vor den heißen Strahlen schützte. Zwar stand die Sonne jetzt nicht mehr hoch am Himmel, doch in dem Schatten konnte man sich angenehm aufhalten. Sergio und seine Frau suchten sich einen freien Platz und ließen sich dort nieder. Birgit und ich setzten uns an einen Tisch unter Bäumen, von wo aus wir das Ehepaar gut im Blick hatten.

      „Ob Bernd oder die Versicherung unsere Kosten übernehmen wird?“, fragte ich und sah meine Kollegin an. Dummerweise hatte ich vergessen, meinen Chef auf das Thema ‚Spesen‘ anzusprechen. Da es sich aber um eine Dienstreise handelte, durfte er uns die Übernahme der Kosten kaum verwehren.

      Birgit lachte: „Mach dir keine Sorgen, Jonathan. Das übernimmt alles die Versicherung, solange es sich in Grenzen hält. Du solltest allerdings die Quittungen und Rechnungen aufbewahren.“

      „Das beruhigt mich. Darf ich dich dann zum Essen einladen?“ Wir bestellten beide Fisch und dazu Mineralwasser. Ich beobachtete, wie Sergio sich mit seinen Tischnachbarn angeregt unterhielt und schließlich großzügig Freikarten für seinen kommenden Auftritt verteilte. „Jetzt verschenkt er auch noch Eintrittskarten“, wies ich Birgit auf die Freigiebigkeit des Tänzers hin. „Wie will der jemals seine Unkosten wieder hereinbekommen?“

      Schließlich machte Birgit mich darauf aufmerksam, dass unser Pärchen ihre Rechnung bezahlte und kurze Zeit darauf wanderten wir wieder zurück zum Hotelschiff. Ich hatte unsere Kosten direkt beglichen, als das Essen gebracht wurde und so kam es zu keiner Verzögerung. Als wir uns dem Schiff näherten, konnten wir schon von weitem die Musik hören. Offensichtlich befand sich die Party schon in vollem Gange. „Na dann viel Spaß“, bemerkte ich. „Einer von uns sollte den Künstler immer im Blick haben.“

      „Entspann dich, Jonathan. Ich versuche, in seiner Nähe zu bleiben. Du kannst ja alles aus einigem Abstand beobachten.“ Birgit folgte dem Mann zwischen den tanzenden Menschen hindurch, während sie mich leise nickend zurückließ. „Das habe ich mir alles etwas einfacher vorgestellt“, murmelte ich und versuchte Sergio nicht aus den Augen zu verlieren. Birgit schien die Musik und die Atmosphäre zu genießen, denn sie tanzte geschickt an den Leuten vorbei und hielt sich immer in der Nähe des Künstlers auf. Wenn das Mädchen ihre Aufgabe mal nicht zu sehr auf die leichte Schulter nahm! Meine Gedanken kreisten um das Verhalten des Tänzers und schließlich sagte ich mir, dass die ganze Sache hier vielleicht ja eine als Tournee getarnte Urlaubsreise war. Anders konnte ich mir nicht erklären, dass der Meister jetzt schon wieder mit vollen Händen Eintrittskarten verschenkte.

      Einmal kam Sergio zu mir und sah sich ständig um. Seine Frau war wohl zur Toilette gegangen, um sich frischzumachen und er sah mich bittend an: „Oh Herrjechen, Johni. Du hast meine Jeka aber ziemlich verärgert. Du Dummerchen, du. Jeka sagt, du wolltest dich in ihre Planung einmischen. Das mag sie überhaupt nicht und jetzt ist sie sauer auf dich. Sie hat doch alles nur für mich geplant, eine große Tournee! Und dann kam da die blöde Versicherung und hat darauf bestanden, dass ihr uns begleitet. Ach, Johni, Johni. Mich stört es nicht, aber Jeka ... Sie ist doch Russin, musst du wissen. Oh, da kommt sie ja schon.“ Sergio entfernte sich unauffällig.

      Als seine Frau an mir vorbeigehen wollte, sprach ich sie an: „Auf ein Wort, Frau Krynow.“ Sie sah mich unwillig an, nickte dann aber und trat an die Reling. Als sie eine Zigarette hervorkramte, zückte ich mein Feuerzeug und hielt ihr die Flamme hin.

      „Was gibt es?“, fragte sie und es klang ein wenig milder gestimmt.

      „Ich möchte mich bei ihnen entschuldigen“, begann ich zerknirscht und ich fand, dass mir das ganz gut gelang. „Ich wollte sie nicht beleidigen. Sergio ist so ein großer Künstler und ich finde, sein Tanz ist etwas Besonderes. Sie haben die Tournee großartig geplant und es liegt mir fern, irgendwelche Kritik üben zu wollen. Ich war vorlaut und habe über meine Worte nicht richtig nachgedacht. Bitte nehmen sie meine Entschuldigung an!“

      Sie zog eine weitere Zigarette hervor und ich gab ihr wieder Feuer. Jeka nickte langsam, dann wandte sie sich ohne ein Wort zu verlieren um und verschwand zwischen den Tanzenden.

      Am nächsten Morgen kamen Sergio und Jeka auf den Tisch zu, an dem Birgit und ich schon saßen und frühstückten. Sergio grinste und die beiden setzten sich zu uns. Ich atmete erleichtert auf.

      Die Frau verhielt sich jetzt etwas zugänglicher und zeigte sogar ein wenig Interesse an unserem Beruf. „Und sie sind richtige Bodyguards?“, fragte sie und verteilte großzügig Marmelade auf einer Brötchenhälfte.

      Ich nickte: „Ausgebildet und zertifiziert. Wir haben schon zahlreiche Stars und Sternchen beschützt.“

      „Tragen sie auch Waffen? Als Bodyguards ist doch so etwas Pflicht, oder?“

      „Pflicht nicht gerade“, freute ich mich über meinen Beruf Auskunft geben zu können. „Aber meistens tragen wir natürlich Waffen. Außerdem sind wir