Jürgen Ruhr

Final - Tanz


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nur im Ausland. Ach, ich brauche jetzt meine Ruhe, gehen sie, gehen sie.“

      Sie wandte sich an uns und meinte beschwörend: „Geben sie meinem Mann ein paar Minuten, bitte. Wir kommen dann gleich ins Foyer, dort wird Sergio auch Autogramme geben. Bitte warten sie dort auf uns.“

      Ich nickte und wir zogen uns zurück. „Stockschwul“, lächelte ich. „Der Mann ist ja stockschwul.“

      Birgit sah mich von der Seite an und in ihrem Blick schwang etwas Missbilligung mit: „Homosexuell, Jonathan. Du vergisst allerdings, dass Sergio verheiratet ist. Vielleicht spricht er aber auch nur so, weil er ja gerade eine anstrengende Performance hinter sich hat.“ Sie überlegte einen Moment: „Ach ja, wie betitelst du Bernd eigentlich?“

      „Bernd benimmt sich aber nicht wie ein Schwul - wie ein Homosexueller. Und er spricht auch nicht so!“

      Mittlerweile waren wir im Foyer angelangt und ich bestellte uns an der Bar etwas zu trinken. Die Gruppe mit den zerrissenen Hemden bemerkte mich und begann zu klatschen. „Bravo, bravo“, riefen sie und ich sah mich um, ob der Meister eingetroffen sei. Doch die Leute meinten offensichtlich mich.

      „Das gilt dir“, bemerkte Birgit irritiert. „Weswegen machen die jetzt so ein Theater?“ Als die Männer auf ihre zerschnittenen Hemden zeigten, lächelte sie verstehend. „Ach so, wegen der neuen Kleiderkreation. Jonathan Lärpers, der Trendsetter! Du bist jetzt auch so etwas, wie ein Star. Jedenfalls in der Szene hier.“

      Erneut brandete Applaus auf und diesmal klatschten auch die anderen Personen. Ich verbeugte mich gerührt und wollte gerade dankend die Hände heben, als Sergio Palyska mit seiner Frau an uns vorbeirauschte. Sofort bildete sich eine dichte Traube um ihn herum.

      „Hach Kinder, wie lieb ihr doch seid“, hörte ich ihn säuseln. Er trug jetzt ein weißes Rüschenhemd und dazu eine Kniebundhose mit Schnürung. Das sah bescheuert aus, aber nicht ganz so dämlich wie die Strumpfhose, die er beim Tanzen getragen hatte.

      Ich lächelte Birgit an. „So eine Hose würde mir bestimmt auch stehen“, scherzte ich und sie nickte ernsthaft.

      „Ja, Jonathan. Das würde bestimmt zu dir passen.“ Wollte die Kleine meinen Sarkasmus übertreffen oder meinte sie es ernst?

      Die Männer führten dem Tänzer jetzt stolz ihre kaputten Hemden vor und wenige Minuten später kam der mit seiner Frau im Gefolge auf uns zu. Lächelnd streckte er mir die Hand entgegen. „Herrjechen, wenn ich das gewusst hätte ... Du bist ja auch ein großer Künstler. So eine gewagte Kreation und solch ein großartiger Erfolg. Ich verneige mich vor dir, Herr Läjers. Du musst unbedingt auch für mich etwas Schönes entwerfen. In Paris, der Stadt der Mode, das ist genau der richtige Ort. Ach, wie ist das aber herrlich, herrlich.“

      „Wir sind hier, damit sie uns schon einmal kennenlernen“, erklärte ich. Auf seine Modewünsche ging ich lieber nicht ein. Außerdem irritierte mich Birgits Dauergrinsen. „Das hier ist meine Kollegin Birgit Zickler und mein Name ist Jonathan Lärpers.“

      „Herrjechen, das sagtest du doch schon. Johni, das klingt so ... so ... romantisch. Ich bin der Sergio. Mit scharfen ‚Ser‘ und weichem ‚gio‘.“ Plötzlich hatte er zwei Gläser mit Sekt in den Händen und hielt mir eines davon hin. „Stößchen, lieber Johni. Auf eine gute und produktive Zusammenarbeit.“

      Ich prostete ihm mit meiner Limonade zu und bevor die Situation peinlich werden konnte, nahm seine Frau ein Sektglas aus seiner Hand. „Willkommen in der Familie. Ich bin Jekaterina Krynow, ihr könnt mich ‚Jeka‘ nennen. Wie hat euch die wundervolle Vorführung gefallen? War es nicht einfach umwerfend?“

      „Einfach grandios“, fiel Sergio ein und ich nickte.

      „Super spitzenmäßig“, lobte ich. „Besonders der Entrechat. Diese Eleganz, diese Anmut. Ich hätte noch stundenlang zusehen können. Bravo Meister, mein besonderes Bravo.“

      In diesem Moment erhielt ich von Birgit einen Stoß in die Seite. Ich nahm an, sie wollte mir damit mitteilen, dass ich es nicht übertreiben sollte.

      „Ach Herrjechen, du verstehst aber etwas von echter Kunst. Am Ende warst du selbst einmal aktiv im Ballett? Wie herrlich, wie herrlich. Ein Künstler und wahrhaft talentierter coupeur.“

      Ich musste ein wenig ratlos dreingeschaut haben, was Birgit veranlasste mir zuzuflüstern: „Coupeur ist Französisch und bedeutet so viel wie ‚Schneider“

      Ich war heilfroh, als Sergio sich wieder seinen anderen Gästen zuwandte.

      II.

      Die Tage vergingen schnell, das Training hielt mich in Atem. Bernd ließ mich am Freitagvormittag noch einen Krav Maga Lehrgang für Polizisten abhalten, dann konnten Birgit und ich uns auf den Flug nach Paris vorbereiten. Die Kleine mit den bunten Haaren hatte immer fleißig teilgenommen und jetzt, auf dem Weg zur Dusche fragte ich sie: „Wie wär’s, Birgit, soll ich dich noch zum Mittagessen bei Curry-Erwin einladen, bevor es nach Frankreich geht? Du hast auch immer noch eine Probefahrt in meinem neuen Wagen ausstehen. Vielleicht kommt Christine ja auch mit.

      „Zu Curry-Erwin?“ Birgit lachte. „Da kriegen mich keine zehn Pferde mehr hin. Wenn überhaupt, dann musst du mich schon in ein vernünftiges Lokal einladen. Aber heute habe ich leider keine Zeit, denn ich fahre nach dem Duschen nach Hause und packe noch die letzten Sachen für die Reise zusammen. Vielleicht solltest du das ebenfalls machen, anstatt dir den Bauch mit pappigen Pommes, ranziger Mayonnaise und muffigen Currywürsten vollzuschlagen. Und wenn sie dir dann wieder deinen Wagen abschleppen, kommst du am Ende auch noch zu spät zu Chrissi und dann kannst du zusehen, wie du nach Düsseldorf kommst. Du weißt doch, dass sie um halb zwei losfahren will?“

      Ich nickte. Diesmal wollten wir nicht mit dem Zug nach Düsseldorf fahren, sondern Christine brachte uns mit dem Wagen zum Abfluggebäude. Wegen der langen Reise brauchten wir je zwei Koffer und der Transport im Zug wäre einfach zu umständlich geworden. Natürlich müsste ich pünktlich sein, denn meine Kollegin würde nicht auf mich warten. Ich begrub meine Pläne mit Curry-Erwin, obwohl ich ihm gerne von meiner Abreise nach Paris erzählt hätte. Zu Hause kochte ich mir schnell ein paar Nudeln und checkte mein Reisegepäck auf Vollständigkeit. Unsere Waffen mussten wir schweren Herzens bei Bernd im Safe lassen, doch die würden wir eh nicht brauchen. Hoffentlich.

      Diesmal stand ich zeitig vor Christines Wohnungstür eine Etage unter meiner. Die beiden Koffer hatte ich hinter mir die Treppe heruntergezogen, schließlich verfügten sie an einer Seite über Rollen. Es polterte ziemlich laut und Sekunden später öffnete sich die Tür gegenüber und die alte Nachbarsfrau erschien im Rahmen. „Was machen sie denn für einen Lärm hier? Kennen sie nicht die Hausordnung? Jetzt ist Mittagsruhe und daran haben sie sich auch zu halten. Wer sind sie überhaupt?“ Dann fiel ihr Blick auf die beiden Koffer und sie schüttelte den Kopf: „Das geht nicht, sie können nicht einfach bei Frau Weru einziehen wollen! Ist das denn mit der Hausverwaltung abgesprochen?“

      „Ich will nicht einziehen“, erklärte ich. „Außerdem wohne ich hier. Sie sollten mich inzwischen doch kennen.“

      „Sie wohnen hier? Mit den Koffern im Treppenhaus? Das wird ja immer schöner. Wenn sie nicht sofort das Haus verlassen, rufe ich die Polizei!“

      „Gute Frau“, versuchte ich sie zu besänftigen. „Ich bin der Mieter über Frau Weru, sie kennen mich doch. Mein Name ist Jonathan Lärpers.“

      „So, so. Das soll ich ihnen glauben? Der Herr Lärpers sieht irgendwie anders aus. Der trägt nämlich so einen Vollbart.“

      Ich nickte. Den Vollbart hatte ich mir vergangenes Jahr im Urlaub stehen lassen, aber schon nach kurzer Zeit wieder abrasiert. Vermutlich hatte die Frau mich noch mit Bart in Erinnerung.

      „Den Bart habe ich abrasiert. Aber warten sie, Frau Weru kann das bestimmt aufklären.“ Ich klingelte bei Chrissi und lächelte der Nachbarin vielsagend zu.

      Christine öffnete kurze Zeit später die Tür. „Jo...“, wollte sie sagen, doch die alte Frau kreischte