Jürgen Ruhr

Final - Tanz


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mir einen Scherz erlaubt hatte, da die Sendung nicht frankiert gewesen war.

      „Was ist nun, Jonathan? Worüber denkst du jetzt so angestrengt nach? Ja oder nein? Lädst du mich nun ein?“

      Ich überlegte. Je nach Art von Gastronomie könnte diese Einladung teuer für mich werden. Und da es mit meinen Finanzen nicht sonderlich gut stand - nach dem Kauf des neuen Wagens - und Bernd die Kosten wohl kaum als Spesen durchgehen lassen würde, müsste ich über eine Einladung gut nachdenken. Bei Curry-Erwin kannte ich die Preise und war vor Überraschungen sicher. „Wie sind denn da so die Preise?“, fragte ich Birgit.

      „Normal.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Wie überall auch, denke ich. Es ist ein ganz normales Lokal, Jonathan. Nur, dass sie draußen an der frischen Luft Tische und Stühle stehen haben. Außengastronomie halt.“

      „Okay“, stimmte ich zu. „Ausnahmsweise, weil das Lokal neu ist. Aber wirkliche Qualität bekommst du nur bei Curry-Erwin.“

      Wir meldeten uns bei Jennifer ab und versprachen pünktlich zu der Besprechung wieder da zu sein. Birgit erklärte mir, wohin ich zu fahren hatte, dann quetschte sie sich auf den Beifahrersitz. „Niedlich“, meinte sie. „Aus dem will aber auch erst noch ein Großer werden ...“

      Ich fuhr extra einen Umweg und beschleunigte das Fahrzeug gekonnt aus den Kurven heraus. Auf einer Geraden gab ich richtig Gas. Birgit blickte sich nach hinten um, dann meinte sie: „Vielleicht solltest du nicht so rasen, Jonathan. Wir haben doch Zeit genug. Ich befürchte, du bist gerade geblitzt worden, da hinten steht ein Blitzapparat.“

      Ich verminderte abrupt das Tempo. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Der Wagen brachte mir kein Glück. Erst das Abschleppen vor Erwins Tür, dann dies hier. Ich blickte in den Rückspiegel und plötzlich fielen mir die Worte des Abschleppfahrers, der meinen verbrannten Wagen entsorgt hatte, ein: Am Rückspiegel fehlte der Talisman, der noch im Handschuhfach liegen musste.

      „Kannst du mal bitte das Handschuhfach öffnen?“, bat ich Birgit. „Darin findest du ein kleines, weißes Äffchen, das an den Spiegel gehangen werden muss. Ist ein Glücksbringer.“

      Birgit durchwühlte das Fach und fand schließlich das Äffchen. „An so etwas glaubst du, Jonathan? Ein Talisman? Du trägst aber nicht auch noch ständig eine Hasenpfote mit dir herum?“ Sie lachte und betrachtete den kleinen Kerl. „Niedlich“, meinte sie dann. „Dass ein ausgewachsener Kerl, noch dazu Personenschützer und Detektiv, an so einen Mist glaubt. Und das muss an den Rückspiegel?“

      „Genau“, bestätigte ich. „Kannst du ihn bitte dranhängen?“

      „Jetzt, während der Fahrt? Willst du das nicht übernehmen, wenn wir da sind?“

      Ich schüttelte den Kopf: „Je eher, desto besser. Dann wäre die Sache mit dem Blitzer vielleicht gar nicht passiert. Du brauchst einfach nur die Schlaufe um den Spiegel herumzulegen.“

      Birgit versuchte die dünne Kordel um den Spiegel zu wickeln, stellte sich dabei aber recht ungeschickt an. Der Spiegel verdrehte sich und fast wäre das Äffchen heruntergefallen. „Warte“, meinte ich und zog die Kordel gerade. Erleichtert sah ich, dass der Talisman richtig an seinem Platz hing.

      Im gleichen Moment bemerkte ich die roten Bremslichter des Wagens vor mir. Erschreckt drückte ich Bremse und Kupplung gleichzeitig durch und die Reifen schlitterten quietschten über den Asphalt. Ich sah im Geiste schon verbeultes Blech, Scherben und einen dampfenden Kühler, doch mein kleiner gelber Wagen kam Millimeter hinter dem Vordermann zum Stehen. Erleichtert grinste ich Birgit an: „Siehst du, ohne den Talisman wäre ich dem da vorne drauf gefahren. Schon der Mann vom Abschleppdienst, der meinen alten Ford mitgenommen hat, schwor auf die Glücksbringer. Und er hatte wirklich Recht, wie du siehst.“

      Birgit schüttelte den Kopf, als jemand gegen meine Scheibe klopfte. Ich ließ sie ein Stück herunter. „Du Schwachkopf“, schrie ein vielleicht Fünfundzwanzigjähriger. „Du wärst mir fast in die Karre gefahren!“

      „Aber nur fast“, lächelte ich.

      Der Mann drohte mir mit der Faust und trat im Vorbeigehen gegen den Kotflügel meines Wagens. Dann sprang er auf seinen Fahrersitz und fuhr mit quietschenden Reifen davon.

      „Verdammt, was war das für ein Idiot? Hast du seine Autonummer?“ Ich wollte aus dem Wagen steigen, um mir den Schaden anzusehen, doch ein wütendes Hupkonzert zwang mich zur Weiterfahrt.

      Auf dem Parkplatz vor dem Restaurant besah ich mir den Kotflügel. Direkt über dem Reifen konnte ich eine dicke Delle erkennen. „Scheiße“, murmelte ich. „Birgit, hast du die Nummer von dem Wagen?“

      Meine Kollegin schüttelte den Kopf: „Es ging leider zu schnell. Aber das dürfte sich vielleicht mit ein wenig Aufwand wieder ausbeulen lassen.“ Sie lachte. „Einen neuen Wagen wirst du dir deswegen nicht kaufen müssen ...“

      Das Restaurant lag verlassen. Ich blickte mich um, konnte aber keine Gäste entdecken. Auch der Parkplatz war, bis auf meinen Wagen, leer. „Bist du sicher, dass die mittags geöffnet haben?“, fragte ich Birgit.

      „Ganz sicher. Geöffnet von elf Uhr bis zweiundzwanzig Uhr. Hier müsste eigentlich mehr los sein ...“

      Wir suchten uns einen schattigen Platz und setzten uns. Die Tische und Bänke hier draußen bestanden aus Bierzeltgarnituren und waren recht unbequem. Ich sah mich nach einer Bedienung um, wurde allerdings nicht fündig. Nach fünfzehn Minuten erhob ich mich. „Ich schaue mal, ob hier überhaupt jemand bedient“, erklärte ich Birgit. Doch im selben Moment schlurfte eine magere Frau von vielleicht zwanzig Jahren, lustlos heran. ‚Vermutlich eine Studentin, die sich etwas nebenher verdient‘, dachte ich und ließ mich wieder auf die Bank fallen.

      „Hier draußen nur Kännchen“, begrüßte sie uns und zückte einen Block und einen Bleistift.

      „Ihnen auch einen recht schönen guten Tag“, meinte ich freundlich und lächelte sie an.

      „Was kann ich ihnen bringen?“, knurrte die Bedienung unfreundlich.

      „Mir ein Kännchen Limonade. Und die Karte, wenn es so etwas gibt.“ Noch immer lächelte ich.

      „Wollen sie mich auf den Arm nehmen?“ Die Bedienung sah mich böse an. „Es gibt keine Kännchen, hier draußen nur Flaschen.“

      „Sie sagten doch, hier gäbe es nur Kännchen. Nun gut. Dann doch keine Limonade, sondern eine Flasche Kaffee“, änderte ich meine Bestellung. Birgit sah mich böse an und ich wusste, dass ich es jetzt nicht übertreiben durfte.

      „Ich nehme eine Flasche Cola“, bestellte meine Kollegin und die Bedienung rauschte ab. Ich war gespannt, was sie mir nun bringen würde? Ein Kännchen Limonade oder eine Flasche Kaffee? Oder am Ende doch ein Kännchen Kaffee?

      Es dauerte wieder eine Viertelstunde, dann kam die Frau mit einer Flasche Cola und einer Speisenkarte zurück. Sie stellte die Flasche wortlos auf den Tisch, legte die Karte daneben und verschwand wieder in dem Gebäude.

      Ich sehnte mich nach Curry-Erwin, der mir die meisten Wünsche von den Augen ablas. Oder den Lippen oder von wo auch immer. Erwin kannte mich und wusste, womit er mich glücklich machen konnte.

      „Schon gewählt, Jonathan?“

      „Wie denn? Ich habe ja keine Karte. Und zu trinken habe ich auch nichts!“

      Birgit hielt mir ihre Karte hin: „Hier, ich nehme ein Baguette ‚surprise‘, das hört sich vielversprechend an.“

      Ich blickte auf das einzelne Blatt, das in Klarsichtfolie eingeschweißt war. Auf der Vorderseite wurden einige Gerichte mit durchweg französischen Bezeichnungen aufgelistet, auf der Rückseite befanden sich die Getränke. „Das ist ja schwieriger, als in Paris“, stöhnte ich. „Was um alles in der Welt ist ‚Coq au frites‘? Irgendwas mit Pommes wohl. Und tausend Arten ‚tarte flambée‘.“ Es gab noch eine Rubrik ‚Surprise‘ und neben dem Baguette stand auch irgendetwas mit ‚frites‘. „Ich nehme diese ‚frites surprise‘, was immer das sein mag.“

      Diesmal