Jürgen Ruhr

Final - Tanz


Скачать книгу

Art, über die ich so schwer hinweghören konnte. Birgit nickte.

      „Ich nehme einmal das Baguette ‚surprise‘.“

      „Und für mich die ‚frites surprise‘. Und eine Flasche Limonade.“ Die Sache mit dem Kännchen verkniff ich mir diesmal.

      „Surprise ist nur für Kinder“, erklärte die Frau. „Die Gerichte für Erwachsene stehen weiter oben.“

      „Aber hier steht nichts davon, dass ‚surprise‘ nur für Kinder ist“, warf ich ein und hielt die Karte hoch. „Wie soll man denn erkennen, was für Erwachsene und was für Kinder sein soll?“

      „Das weiß jeder“, murrte sie. „Surprise ist nun einmal nur für Kinder. Das hört man ja schon am Namen: ‚Surprise‘.“

      „Die anderen Gerichte sagen mir aber nicht zu“, beharrte ich auf meiner Bestellung. „Was ist denn ‚Coq au frites‘?“

      Die Bedienung schüttelte den Kopf: „Keine Ahnung. Das hat bisher noch niemand bestellt. Am besten, sie gehen ins Restaurant hinein und fragen den Koch. Oder bestellen sie das, was alle bestellen.“

      „Und das wäre?“, fragte ich neugierig. Was bestellten hier ‚alle‘?

      „Flammkuchen. Den können sie mit Spinat, Erbsen und Möhren oder Thunfisch bekommen.“

      Ich warf einen Blick auf die Karte: „Aber hier steht nichts von Flammkuchen.“

      „Das sind die ‚tarte flambée‘ dort“, erklärte sie geduldig wie zu einem Kind. „Das weiß aber jeder. Also nehmen sie jetzt einen Flammkuchen?“

      „Nein. Ich mag keinen ‚Flammkuchen‘, wir bleiben bei unserer Bestellung.“ Immerhin war der Kunde König, Kindermenü hin oder her.

      „Gut, dann bekommen sie ‚surprise‘. Sie müssen allerdings den Erwachsenenzuschlag bezahlen, ‚surprise‘ ist ja nur für Kinder.“

      Nachdem die Bedienung mit unserer Bestellung fort war, sah ich Birgit an: „Und du meckere noch einmal über Curry-Erwin. Wer hat dir bloß dieses Lokal empfohlen?“

      Diesmal dauerte es geschlagene zwanzig Minuten, bis die Bedienung wieder zu uns kam. Sie stellte ein Baguette vor Birgit hin, das auf der Unterseite pechschwarz war. An den Seiten lief zäh schmutziggelber Käse herunter und oben befand sich eine Masse aus Ketchup, Mayonnaise und kleingehackten Zwiebeln. Ich musste grinsen, denn solch ein Essen hätte Curry-Erwin im Leben nicht seinen Gästen aufgetischt.

      Meine ‚frites surprise‘ bestanden aus einem Mischmasch von matschigen Pommes Frites und Mayonnaise. Es sah aus, als hätte jemand Mayo und Pommes in eine Schüssel getan und mit einem Mixer umgerührt. Außerdem hatte die Frau meine Limonade vergessen.

      „Die Limo fehlt noch“, reklamierte ich, doch die Bedienung schüttelte den Kopf.

      „Sie haben Kaffee bestellt, vorhin. Der läuft gerade durch die Maschine. Nach dem Essen bekommen sie ihren Kaffee.“

      „Ich möchte aber jetzt etwas zu trinken, nicht erst nach dem Essen. Außerdem möchte ich eine Limonade und keinen Kaffee.“

      „Dann müssen sie ihre Bestellung auch korrekt aufgeben“, knurrte die Frau. „Kaffee gibt es immer nach dem Essen, solange werden sie sich wohl gedulden können.“

      „Nein, kann ich nicht.“ Ich blickte auf meine Uhr und stellte mit Entsetzen fest, dass es bald Zeit wurde, zum Büro zurückzukehren. „Ich möchte jetzt direkt zahlen, da wir ins Büro zurückmüssen. Geht das wenigstens?“

      „Natürlich!“ Sie kritzelte ein paar Zahlen auf ihren Block, dann blickte sie auf. „Vierundvierzig achtzig“, forderte sie dann und reichte mir den Zettel.

      Ich beschloss, hierhin nie wieder zurückzukehren. Mit knurrendem Magen fuhren wir zurück zum Büro

      „Schön, dass ihr pünktlich seid“, begrüßte uns Bernd im Planungsraum. Auf dem Tisch stand ein Tablett mit drei Kaffeebechern und einer Thermoskanne. Mein knurrender Magen und ich hätten gerne noch etwas Kuchen dazu gehabt, doch dieses Treffen sollte ja nicht in einem Kaffeekränzchen ausarten.

      „Wie ich ja schon erwähnte, hat mich der Versicherungsangestellte angerufen. Sie wollen über die Aktivitäten der Frau Krynow genauestens informiert werden. Auch bei der Versicherung denkt man, dass sie die Drahtzieherin hinter der Entführung ist. Die Versicherung steht auch mit der französischen Kriminalpolizei in Kontakt und wird über die Ermittlungsergebnisse informiert. Sollten die Ermittlungen allerdings innerhalb eines gewissen Zeitraums kein Ergebnis zeigen, dann sind sie gezwungen, die fünfzig Millionen auszuzahlen. Es geht also darum, Jekaterina Krynow nachzuweisen, dass sie mit den Entführern unter einer Decke steckt. Das ist auch der Grund, warum ihr sie beschatten werdet. Stellt fest, mit wem sie Kontakt hat. Macht Fotos von den Leuten, mit denen sie sich trifft. Jennifer kann euch unterstützen, indem sie zu den Kontakten die entsprechenden Daten besorgt. Name, Anschrift, und so weiter. Schickt ihr die Fotos und alles, was ihr sonst noch herausbekommen könnt, sie erledigt den Rest. Es wäre natürlich schön, wenn wir den vier Entführern auf die Schliche kommen könnten. Euer Auftrag lautet aber, lediglich zu beobachten und die Informationen an uns weiterzuleiten. Ihr mischt euch nicht ein! Verstanden? Wenn es brenzlig wird, dann ruft ihr die Polizei. Jonathan, hast auch du das verstanden?“

      Ich nickte heftig und verschüttete ein wenig Kaffee auf den Tisch. „Sicher, nicht einmischen und im Notfall die Polizei rufen. Das dürfte ja nicht allzu schwer sein. Wie sieht es mit unserem Budget aus? Spesen und so weiter?“

      „Denkst du wieder nur ans Essen?“ Bernd blickte mich fragend an und ich zuckte mit den Achseln. Mein Magen knurrte und ich sehnte mich nach Curry-Erwin.

      Bernd lachte leise: „Aber ich kann dich beruhigen, Jonathan. Wir sprechen allerdings momentan nicht von einer Observation hier in Deutschland, ihr werdet wieder nach Paris reisen müssen, aber dazu komme ich gleich. Auf jeden Fall wirst du dort nicht verhungern. Ihr könnt über finanzielle Mittel innerhalb eines vernünftigen Rahmens verfügen. Da die Versicherung der Auftraggeber ist, müsst ihr alle Ausgaben natürlich belegen, also lasst euch Quittungen geben. Gerechtfertigte Kosten sind abgedeckt, ich vertraue auf euren gesunden Menschenverstand. Alle anderen Dinge, wie Reisekosten, Hotel und Mietwagen klärt Jennifer von hier. Jedenfalls, soweit es möglich ist.“

      Ich räusperte mich. Die plötzliche Änderung des Auftrages kam ein wenig überraschend. „Paris? Ist Jeka denn schon wieder in Frankreich?“

      Bernd schüttelte den Kopf: „Noch nicht. Wir wissen momentan nicht, wo sie sich aufhält, vielleicht sogar in Düsseldorf in ihrer Wohnung. Was wir aber wissen, ist, dass sie für morgen Nachmittag einen Flug nach Paris gebucht hat. Die Info kam von Oberstaatsanwalt Eberson, beziehungsweise von seinem Büro, vor gut einer Viertelstunde herein. Dieser Kommissar Ferylé wurde darüber ebenfalls in Kenntnis gesetzt. Deswegen dürft ihr euch noch einmal in die Stadt der Liebe begeben. Ihr wohnt in einem Hotel in der Nähe des Hotelbootes, knapp eine Straße weiter. Die Krynow wird dort vermutlich wieder ihr Zimmer beziehen, das hat sie noch nicht gekündigt. Außerdem wird für euch ein Leihwagen bereitstehen, ihr braucht im Hotel nur danach zu fragen. Aber alle Unterlagen bekommt ihr später von Jennifer.“

      Bernd trank einen Schluck Kaffee und sah mich an: „Keine Zwischenfragen, Jonathan? Gut, dann kann ich ja mit meinen Erklärungen fortfahren ...“

      „Wann fliegen wir?“, fragte ich nun doch.

      „Tja, Jonathan. Genau das ist die schlechte Nachricht, die ich für euch habe: Ihr reist mit dem Zug nach Paris. Denn diesmal möchte ich, dass ihr bewaffnet seid. Ich weiß, ich sagte, ihr sollt euch nicht einmischen und nur beobachten, ich möchte aber auch nicht, dass ihr den Gangstern wehrlos gegenübersteht, falls es dazu kommen sollte. Die Fahrt wird gut fünf Stunden dauern und geht morgen früh kurz vor neun Uhr vom Bahnhof in Rheydt los. Ihr werdet früh genug in Paris sein, um noch im Hotel einzuchecken. Mit dem Leihwagen fahrt ihr dann zum Flughafen Charles De Gaulle, von wo aus ihr die Frau rund um die Uhr beschatten werdet. Benutzt während der Überwachung die Mini Headsets, um euch zu