Jürgen Ruhr

Final - Tanz


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traten in den Sonnenschein, der einen herrlichen Tag versprach. Es war angenehm warm und vom Wasser her wehte ein leichter Wind. Die Terrasse mit den Tischen und Stühlen war fast vollständig leer, lediglich ein Mann saß dort vor einer Tasse Kaffee. Als er uns bemerkte, winkte er Birgit und mich zu sich.

      „Herr Kommissar“, begrüßte ich Bertrand Ferylé erstaunt. „Einen schönen guten Morgen. Wollen sie zu uns?“

      Ferylé erhob sich und deutete bei Birgit einen Handkuss an. Ich war versucht, ihm meine Hand ebenfalls zum Kuss hinzuhalten, unterließ das dann aber. Wer weiß, wie der Mann reagieren würde. Der Capitaine nickte: „Ja, leider muss ich sie um einen Gefallen bitten. Als ich gestern zu dieser Tanzschule kam und mir endlich eine volltrunkene Madame Routon die Türe öffnete, war Jekaterina Krynow verschwunden. Ich nahm an, dass sie hier ins Hotel zurückgefahren sei, doch heute Morgen erfuhr ich, dass sie noch nicht hier war.“

      „Jeka wird doch nicht auch entführt worden sein?“, fragte ich, sah aber keine Logik dahinter, warum man die Frau entführen sollte. „Konnte Madame Routon denn irgendeine Auskunft geben?“

      Ferylé schüttelte den Kopf: „Sie sprach lediglich davon, dass Frau Krynow einen Anruf erhalten habe und sehr, sehr wütend war. Dann hat sie die Tanzschule wortlos verlassen. An mehr konnte Madame Routon sich nicht erinnern. Jedenfalls muss ich diese Jeka gestern knapp verpasst haben.“

      „Und was bei diesem Telefonanruf gesprochen wurde, wusste die Tanzlehrerin auch nicht, nehme ich an.“

      „Ja, sie hat die Sprache nicht verstanden. Stimmt, jetzt da sie es sagen: Madame Routon war sich nicht ganz sicher, aber sie meint, dass die Frau am Telefon russisch gesprochen hat.“

      Der Ober kam und wir bestellten für uns das Frühstück. Capitaine Ferylé orderte noch eine Tasse Kaffee. „Ich brauche eine persönliche Identifikation der Leiche. Eigentlich sollte das die Ehefrau übernehmen, doch jetzt muss ich sie bitten, mich in die Pathologie zu begleiten. Wären sie so gut?“

      Ich nickte: „Wenn sie uns nur noch frühstücken lassen, dann kommen wir gerne mit ihnen. Aber wir haben heute Sonntag, kommen wir dort überhaupt hinein?“

      Der Kommissar nickte: „In der Annahme, Frau Krynow hier zu treffen, habe ich den Pathologen überredet, ausnahmsweise heute Vormittag eine Sonderschicht einzulegen. Er wird also auf uns warten.“

      „Gut, natürlich kommen wir mit. Dürfen wir Paris danach verlassen, oder müssen wir noch zu ihrer Verfügung stehen?“

      Ferylé lachte: „Nein, sie können jederzeit nach Deutschland zurückkehren. Oder soll ich sie hierbehalten und ihnen so zu ein paar Urlaubstagen verhelfen?“

      „Das wäre schön“, meinte ich wehmütig. „Doch unser Chef würde sich vermutlich nicht sonderlich darüber freuen. Es gibt genug Arbeit und unser Jahresurlaub steht auch noch aus. So gerne ich auch hierbleiben würde, wenn es nicht unbedingt sein muss, dann erwartet uns unsere Heimat schon.“

      Der Hauptkommissar schob mir seinen Notizblock und einen Kugelschreiber hin: „Geben sie mir eine Rufnummer, unter der ich sie in Deutschland erreichen kann“, meinte er dann und sah uns dabei zu, wie wir Brötchen und Croissants verspeisten.

      Als Birgit sich satt zurücklehnte, sah sie mich fragend an: „Soll ich uns für heute Nachmittag einen Flug buchen oder willst du lieber noch einen Tag hierbleiben und morgen zurückfliegen?“

      „Nein, das ist in Ordnung. Dann rufe bitte auch Bernd an, denn Chrissi wird uns wieder am Flughafen abholen. Sehen wir zu, dass wir so schnell wie möglich nach Deutschland zurückkommen.“

      Ferylé drängte uns nicht, doch ich sah ihm an, dass er froh war, als wir endlich zu seinem Wagen aufbrachen. Fünfzehn Minuten später betraten wir den gekachelten Raum mit den Metalltischen. Ein dicklicher, ungefähr fünfzig Jahre alter Mann in einem weißen Kittel kam uns entgegen. Er nickte uns zu und sprach den Polizisten auf Französisch an. Ich verstand kein Wort, entnahm aber aus dem Tonfall und der Mimik, dass er - vermutlich über unser spätes Erscheinen - nicht sonderlich erfreut war.

      „Gustave Perrot“, stellte der Kommissar den Pathologen vor und nannte dann unsere Namen.

      „Qui d’accord“, meinte der Weißkittel nur und bedeutete uns, ihm zu folgen. Wir traten an eine Wand, die mit zahlreichen Metalltüren bestückt war. Perrot suchte das richtige Fach, nickte zufrieden und öffnete die Tür. Dann zog er eine Bahre mit einer Leiche, die mit einem weißen Tuch bedeckt war, heraus. Er entfernte das Tuch gerade so weit, dass wir dem Toten ins Gesicht blicken konnten.

      „Ja, das ist Sergio Palyska“, bestätigte ich und Birgit nickte ebenfalls. „Es gibt keinen Zweifel.“

      „Danke, sie haben mir sehr geholfen. Das war’s dann auch schon. Sie können am Wagen auf mich warten, ich bringe sie dann ins Hotel zurück.“ Ferylé wandte sich erneut an den Pathologen und sprach ein paar Worte mit dem Mann, die ich aber nicht verstand.

      Fünf Minuten später schloss er sein Fahrzeug auf. „Gustave Perrot ist ein wenig brummelig“, erklärte er, „doch der Mann hat das Herz auf dem rechten Fleck. Ich habe ihm erklärt, dass sie noch heute nach Deutschland zurückfliegen und er bittet sie, sein schroffes Verhalten zu entschuldigen.“

      „Ist schon in Ordnung“, erwiderte ich. „Ich wäre auch nicht erfreut, wenn man mich am Sonntag zur Arbeit rufen würde. Obwohl ... in unserem Beruf kennen wir auch keine geregelten Arbeitszeiten.“

      Der Kommissar nickte: „Ja, da gibt es eine Menge Menschen, die dieses Schicksal teilen. Ärzte, Pfleger, Busfahrer und und und. Wenn die alle am Wochenende die Arbeit niederlegen würden, bräche das Land zusammen.“

      Während ich noch darüber sinnierte, welche Berufsgruppen alle am Wochenende arbeiten mussten - ich dachte gerade an Curry-Erwin, der keinen einzigen Tag in der Woche frei nahm - hielt Ferylé direkt vor dem Hotelschiff. „Ich wünsche ihnen einen guten Heimflug“, verabschiedete er sich und wir gaben uns die Hand.

      „Netter Kerl“, meinte Birgit, als wir das Hotel betraten. „Mir tut es nur um Sergio leid. Dieser merkwürdige ‚Tanz des Flamingos‘ und die Musik waren zwar furchtbar, doch eine Kugel in den Rücken hatte er nicht verdient. Hoffentlich kann die Polizei die Mörder ermitteln und auch der Krynow etwas nachweisen, wenn sie wirklich in der Sache mit drinsteckt.“

      Wir flogen um vierzehn Uhr fünfzig mit der Air France zurück nach Düsseldorf.

      IV.

      Kurz vor neun Uhr am Montagmorgen betrat ich das Gebäude unserer Detektei.

      Der Rückflug von Paris nach Düsseldorf war gestern ohne Zwischenfälle verlaufen und Christine erwartete uns schon in der Ankunftshalle des Flughafens. Während der Fahrt sprachen wir über den missglückten Auftrag und Chrissi informierte uns, dass Bernd für neun Uhr am folgenden Tag eine Besprechung im Planungsraum angesetzt hatte.

      Jetzt war ich gespannt darauf, was Bernd uns mitteilen würde und mein direkter Weg führte mich in den Planungsraum. Als ich eintrat, unterhielt sich Birgit gerade mit Jennifer, die uns Kaffee und Brötchen besorgt hatte. „Morgen ihr beiden“, begrüßte ich die Frauen und schenkte mir, ohne lange zu zögern, eine Tasse von dem dampfenden Getränk ein. Dann ließ ich meinen Blick über die belegten Brötchen schweifen. „Jenny, du bist ein Schatz“, schmeichelte ich der Blonden. „Wie immer eine perfekte Auswahl.“

      „Na, wenn du zufrieden bist, Jonathan, dann kann ich euch ja jetzt alleine lassen. Da kommt Bernd auch schon“, entgegnete die Kleine und verließ den Raum in dem Moment, als Bernd hereintreten wollte. Lächelnd machte er ihr Platz und ließ sie erst durch die Tür gehen. Ich schnappte mir derweil ein Mettbrötchen und biss herzhaft hinein. Heute Morgen war ich nicht zum Frühstücken gekommen und mein Magen knurrte vernehmlich.

      „Guten Morgen“, Bernd nickte uns zu, dann sah er mich an. „Und guten Appetit, Jonathan. Ich hoffe, ihr hattet gestern einen guten Flug. Wir treffen uns heute