Josephine Becker

Rakna


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Eisenfuß lebte. Ihre älteste Tochter war im selben Jahr wie seine eigene geboren worden und sie spielten oft zusammen. Burk klopfte drei Mal an die Tür, als sich eine barsche Männerstimme unter die Rufe mischte.

      „Sei endlich still oder du bringst uns ins Grab.“, schrie Peadair, doch wen er damit meinte, wusste Burk nicht. Die Tür wurde aufgerissen und ein kreidebleicher Mann sah ihn an. Als er Burk erblickte, schien sich seine Anspannung merklich zu verringern.

      „Du bist es! Um ehrlich zu sein, ist das heute nicht der richtige Tag für einen Besuch.“ Ohne die Worte abzuwarten, trat Burk ein und schloss die Tür hinter sich.

      „Was ist hier los Peadair? Die Leute denken, bei euch wird ein Schwein geschlachtet. Sie sind schon ganz unruhig.“

      „Es ist meine Gattin, irgendetwas stimmt nicht.“ Alarmglocken schellten in Burks Kopf. Peadairs Frau Maidread war schwanger. War etwas mit dem Kind?

      „Ist was mit dem Baby? Währe es besser, wenn ich Slaine hole? Sie hat schon vielen Säuglingen bei der Geburt geholfen!“

      „Nein, das ist nicht das Problem. Komm und sieh selbst!“ Peadair führte ihn mit zitternden Knien in das Schlafgemach. Dort lag Maidread mit ihrem Neugeborenen auf dem Arm. Als sie die Kammer betraten, ertönte von Neuem das Geschrei.

      „Lasst mein Baby! Verschwindet! Ich lasse nicht zu, dass ihr unserem Kind etwas antut!“ Sie hatte die Bettdecke über das Neugeborene gezogen und es war nur noch ihr angstverzerrtes Gesicht zu sehen. Peadair verfiel bei diesem Anblick in Rage und schrie nun aus Leibeskräften. So hatte Burk seinen alten Freund noch nie erlebt.

      „Wir dürfen es nicht behalten! Es ist nicht lebensfähig. Es wird niemals akzeptiert.“ Diese Worte aus dem Mund von ihm zu hören, war erschreckend. Peadairs Nachwuchs war sein ganzer Stolz und er hatte sich so auf die Geburt ihres dritten Kindes gefreut. Doch jetzt war er nur noch ein Nervenbündel, das herum schrie und wild mit den Armen fuchtelte.

      „Zeigt es mir! Zeig mir dein Baby.“ Sagte Burk, doch sein Freund wurde bei diesen Worten zornig. Aber Maidread beruhigte sich etwas. Als Burk näher an das Bett herantrat, erwartete er schon das Schlimmste. Er stellte sich ein verkrüppeltes Kind vor, mit einem Arm, mit vollkommen verzerrtem Kopf oder Gliedmaßen. Aber als sie die Bettdecke hob, um es ihm zu zeigen, war er überrascht. Das kleine Mädchen, welches sie in den Händen hielt, war hübsch. Es hatte gesunde Arme und Beine und einen normal geformten Körper. Nur ihr Haar war anders. Der dicke, kurze Flaum, war vollkommen weiß.

      „Wir haben eine alte Frau geboren! Sie ist eine Missgeburt. Sie kann nicht bleiben!“, schrie Peadair erneut. Er hatte endgültig die Fassung verloren. Sein Blick war wahnsinnig und er raufte sich dicke Büschel blonden Haares heraus. Seine Verzweiflung ließ er an dem Schrank aus und schlug auf ihn ein, bis seine Hände blutigrot wurden. Burk zog ihn nach draußen in den Flur, doch sein Freund wehrte sich heftig. Als Peadair sich nicht beruhigte, verpasste Burk ihm eine saftige Ohrfeige. Für einen Moment war Peadair zu perplex, als dass er in der Lage war, zu reagieren. Er war gebändigt. Burk nutzte den kurzen Augenblick um sorgsame Worte an seinen Freund zu richten.

      „Hör zu! Auch wenn es anders aussieht, so ist es dennoch dein Kind. Du bist der Vater! Falls du nicht kühlen Kopf bewahrst, wird diese Familie zu Grunde gehen. Sicher hast du recht damit, dass es nicht akzeptiert werden wird. Deshalb ist es deine Aufgabe, es irgendwie zu ermöglichen. Reiß dich zusammen.“ Peadair sah Burk fassungslos an. Dann senkte er den Blick demütig. Er schien sein Schicksal zu akzeptieren.

      „Ich bin mir nicht einmal sicher, ob das Kind von mir ist!“, sagte er und ließ den Kopf hängen. Es war nicht undenkbar, aber letztendlich kam es nicht darauf an.

      „Selbst wenn es das nicht ist, wird es zu dem werden, mit jedem Tag, an dem es sich in deiner Gegenwart aufhält! Los jetzt, geh zu Maidread!“ Burk wandte sich ab, um die Familie zu verlassen. Als er die Eingangstür hinter sich schloss, wurde er von jemandem unangenehm überrascht.

      „Kein Wunder, dass ich Euch hier antreffe! Was ist hier los?“, fragte eine scharfe Stimme. Es war der Hauptmann. Er war der Letzte, den er jetzt zu sehen beliebte.

      „Maidread ist krank. Sie fühlt sich nicht wohl. Ich war gerade auf dem Weg zur Kräuterfrau, um Hilfe zu holen!“, antwortete Burk. Er wollte weitergehen, aber der Hauptmann hielt ihn zurück.

      „Sie ist krank? Was ist mit ihr?“, fragte er mit zusammengekniffenen Augenbrauen. Eine seltsame Aura der Nervosität umgab ihn. Wusste er vielleicht etwas?

      „Sie hat eine Wochenbettdepression!“, schwindelte Burk, ohne richtig darüber nachzudenken, was er da von sich gab. Er musste ihn unbedingt davon abhalten, in dem Langhaus der Eisenfuß herumzuschnüffeln.

      „Eine Wochenbettdepression? Ich sollte nach dem Rechten sehen!“, antwortete der Hauptmann überraschend besorgt für seine sonst so harte Art.

      „Nein!“, warf Burk etwas zu laut ein, doch der Hauptmann schien es nicht merkwürdig zu finden, als er hinzufügte:

      „Sie reagiert nervös auf Männer. Deshalb hole ich die Kräuterfrau. Sie kann sicher zu ihr durchdringen.“ Wieder sah der Hauptmann ihn skeptisch an, doch dann glätteten sich seine Gesichtszüge.

      „Nun gut, ich werde Slaine holen. Ihr solltet jetzt Euren eigenen Geschäften nachgehen Burk, das ist ein Befehl!“ Widerwillig nickte Burk und begab sich auf den Heimweg. Er hoffte zutiefst, dass die Kräuterfrau kühlen Kopf bewahrte und den Hauptmann nicht mit ins Haus nahm. Sie war eine kluge Frau. Außerdem hasste sie den Anführer der Wache, nach dem, was er ihrem Sohn antun wollte. Doch irgendwann würden die Leute erfahren, was mit der jüngsten Tochter der Familie Eisenfuß nicht stimmte. Hoffentlich hatte sich Peadair bis dahin einen guten Plan einfallen lassen. Jetzt drängte sich seine eigene Tochter in sein Bewusstsein und er bereute es, sich eingemischt zu haben. Wieder war er in seltsame Geschehnisse verwickelt, die keiner zu erklären vermochte. Das würde ein ungutes Licht auf seine ohnehin nur geduldete Familie werfen. Zu allem Übel war das älteste Kind der Eisenfuß-Familie, die beste Freundin von Burks Mädchen. Warum war ausgerechnet sie mit seiner Tochter befreundet? Dabei hatte er die letzten Jahre nur daraufhin gearbeitet die Schmach, die auf ihrer Familie lag, endgültig auszumerzen. Er würde es nicht zulassen, dass dies irgendjemand wieder zerstörte. Vor allem durfte seine Tochter nichts von dem Geheimnis ihrer Mutter erfahren! Niemals!

      Die Trauerweide

      Genau dieses kleine Mädchen spielte in jenem Augenblick mit zwei Freunden an ihrem Lieblingstreffpunkt. Er lag mitten im Wald und war deswegen streng genommen verboten. Aber aus besagtem Grund waren sie dort am liebsten. Nie kam jemand hier her, um sie zu stören. Es ergoss sich orangenes Licht über den mit Moos bedeckten Waldboden, als die kleine Gruppe von Kindern die Köpfe zusammensteckte. Ihre Stimmen überschlugen sich, während sie aufgeregt miteinander plauderten. Ein Mädchen, dessen blondes Haar in dem Licht der untergehenden Sonne wie fließendes Gold erschien, erhob das Wort. Sie sprach zu einem Jungen, der deutlich kleiner als sie wirkte, seine braunen Augen, welche feine goldene Einschlüsse durchzogen, hatte er weit aufgerissen. Die Spannung und Nervosität war ihm unverkennbar anzusehen. An der Ähnlichkeit erkannte man eindeutig, dass die beiden Kinder Geschwister waren. Ein weiteres Kind saß in der kleinen Runde und lauschte aufmerksam den Worten des blonden Mädchens. Sie hatte helle Haut und hellbraunes Haar, das in leichten Locken bis zu ihren Schultern reichte. Eine einzelne Strähne hing ihr ins Gesicht und überdeckte eines ihrer leuchtend grünen Augen. Sie hörte wachsam zu, während das Mädchen sprach. Allerdings wirkte sie weniger ängstlich als interessiert.

      „Ich hab es genau gehört, glaubt es mir! Das haben sie gesagt, wirklich!“, sagte das blonde Mädchen. Ihr glänzendes Haar wippte wild hin und her, während sie aufgeregt mit dem Kopf nickte. Sie dämpfte ihre Stimme, als ob sie sonst Jemand belauschen würde.

      „Als unsere Eltern Kinder waren, sind manchmal Wesen im Wald erschienen. Unter dem verfluchten Baum sind sie aus dem Nichts gekommen.“ Während das Mädchen sprach, richteten sie ihre Blicke erschrocken in Richtung des besagten Baumes.

      „Sie sind einen