Ruth Broucq

Zweiter Sieger


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      falsche Hoffnung

      Mit 23 Jahren, als Mutter von zwei Kindern, zum zweiten Mal verheiratet, allerdings mit dem gleichen Mann, wurde für mich das Familienleben nicht einfacher, sondern damit fing der Stress erst richtig an.

      Schon die ersten Lebenswochen unseres zweiten Kindes gestalteten sich chaotisch, woran nicht nur die beengte Wohnung schuld war. Zwar war es nicht einfach mit 4 Personen in einer Zweizimmer-Wohnung zu leben, mit einem Schulkind und einem Säugling sogar ein ziemlicher Spagat, wegen der unterschiedlichen Zeiten.

      Jedoch am schlimmsten war Roberts restliche Zeit auf der Meisterschule, die einen kaum zu bewältigenden Kostenfaktor darstellte, denn die Unterstützung vom Arbeitsamt war nicht gerade üppig. Auch meine Bezüge zum Mutterschafts-Urlaub hielten sich in bescheidenem Rahmen. Und obwohl mein Mann genau wusste, dass wir jede Mark umdrehen mussten um über die Runden zu kommen, schränkte er seinen Lebenswandel keinen Deut ein. Nicht nur, dass er seine regelmäßigen Saufabende mit seinen Kegelbrüdern beibehielt, nein, er kam auch außer der Reihe oft betrunken von der Schule zurück. Das belastete unsere erneute Aufbauphase bezüglich neuer Familienbindung genauso sehr, wie auch unsere Haushaltskasse.

      Als ich dann am Ende der Mutterschutz-Zeit wieder arbeiten musste, wurden die Einnahmen noch geringer und mein Leben noch schwieriger. Zwar hatte ich meinen Arbeitsplatz als Schaffnerin, bei den städtischen Verkehrsbetrieben, vorsichtshalber beibehalten, aber das bedeutete Schichtarbeit.

      Eigentlich hätte ich wegen des höheren Verdienstes Vollzeit arbeiten müssen, aber das war unmöglich, weil sich keine ausreichende Betreuung für den Kleinen fand.

      Deshalb hatte ich Kurzdienst angemeldet, sodass ich nur drei bis vier Stunden auf den Einsatzwagen eingesetzt wurde. Das hieß aber auch in den frühen Morgenstunden oder am Nachmittag zu den Berufsverkehrszeiten zu arbeiten, zwar kürzere Arbeitszeit, aber weniger Lohn.

      Gott sei Dank war Rene ein pflegeleichtes Baby. Er schlief fast nur, sodass er nur gewickelt und gefüttert werden musste. Im Frühdienst, gegen 4 Uhr nachts, machte ich den Kleinen fertig und legte ihn ins Bettchen zurück. Er schlief immer umgehend wieder ein, so dass ich beruhigt zur Arbeit gehen konnte. Meine Schwiegermutter versorgte ihn dann später, dazu hatte sie sich bereit erklärt. Zum Glück wohnten wir im gleichen Haus, sodass der Ablauf am Vormittag ganz gut geregelt war. Aber eine Vollbetreuung hatte sie konsequent abgelehnt. Zur gleichen Zeit mussten Ramona und Robert zur Schule.

      Im Spätdienst sollte Robert den Jungen versorgen wenn er von der Schule nach Hause kam. Aber auch darauf nahm mein Mann keine Rücksicht. Wenn er Lust zu saufen hatte, blieb er einfach weg. Zum Glück passte meine Schwiegermutter auf, denn sie kannte ja ihren Sohn und auch die Zeiten wann Rene versorgt werden musste. Und wenn Robert nicht rechtzeitig nach Hause kam, fütterte sie den Säugling.

      Streit war in solchen Fällen natürlich vorprogrammiert!

      Aber meine Ermahnungen und Vorhaltungen prallten an Robert ab.

      Auf mein Argument: „Ohne deine Mutter müsste unser Sohn hungern, bis ich von der Arbeit zurück bin. Gott sei dank kümmert sie sich um den Kleinen.“ erwiderte mein Mann gelassen: „Und? Kann sie doch, ist doch ihr Enkel! Außerdem hat sie eh nix anderes zu tun“.

      Er war nicht bereit seinen Lebensstil zu verändern oder auch nur einzuschränken.

      Dass ich schon nach kurzer Zeit unserer erneuten Ehe diesen Schritt wieder bereute, überhörte meine Mutter nicht stur. Vermutlich war sie froh, dass die räumliche Einschränkung durch Ramona und mich, wieder vorbei war. Das war zwar verständlich, aber obwohl für mich die Enge der elterlichen Wohnung am unbequemsten gewesen war, hatte mein Leben zu der Zeit mehr Vorteile als Nachteile gehabt. Wehmütig dachte ich oft daran zurück. Aber durch das zweite Kind erübrigte sich jeglicher Änderungs-Traum zurück.

      Auch die Stimmung am Arbeitsplatz war irgendwie anders, nicht mehr die gleiche Kameradschaft. Vieles hatte sich in meiner Dreimonatigen Abwesenheit verändert. Es gab sehr viele neue Fahrer und die neuen lenkten die Einsatzwagen. Also sah ich die alten Kollegen immer nur kurz bei Dienstbeginn oder Ende.

      Auch die Fahrer auf dem Nachhauseweg, waren mir fast fremd, weil die Omnibusse- Linien nur Einmann-Linien waren, damit hatten wir Obus-Schaffner kaum Kontakt.

      Aber die gedrückte Stimmung kam hauptsächlich von einem Gerücht; es hieß, auch die Hauptlinien sollten auf Einmann-Betrieb umgestellt werden. Das hieße, die Schaffner wären dann überflüssig. Entlassung, war das drohende Unheils-Gerücht, das über den städtischen Verkehrsbetrieben schwebte.

      Egal mit wem ich darüber redete, ob Kollegen, oder innerhalb meiner Familie, keiner glaubte daran. Die einhellige Meinung war, dass die 2 Hauptstrecken zu starken Publikumsandrang hatten um von einer Einzelperson bedient werden zu können.

      „Bei den vielen Fahrgästen, kassieren und fahren? Und dabei noch den Fahrplan einzuhalten? Unmöglich!“ War die einheitliche Ansicht.

      Ich hatte so meine Zweifel, denn wozu waren die vielen neuen Fahrer eingestellt worden? Ein unruhiges Gefühl blieb.

      Die Entwicklung im häuslichen Bereich schob die Sorge um die berufliche Unsicherheit beiseite, als gleichzeitig die langersehnte Vergrößerung unserer Wohnung nahe rückte, und die Meisterschule zu Ende ging.

      Robert bekam die Prüfungs-Termine und die Italiener kündigten ihren Auszug an. Beides bedeutete endlich aufatmen zu können, aber leider auch wieder zusätzliche Ausgaben, die wir gar nicht finanzieren konnten.

      Wieder einmal nahm Robert es auf die leichte Art: „Ist doch kein Problem. Kann meine Mutter uns leihen. Bald verdiene ich ja wieder, und als Meister sowieso besser, dann kriegt sie es zurück. Frag sie mal.“ Schob er mir den schwarzen Peter zu.

      „Warum ich? Frag du sie doch. Ist doch deine Mutter!“ lehnte ich ab.

      „Was soll der Blödsinn? Du weißt doch ganz genau, dass sie mir nichts leiht ohne deine Zustimmung. Kannst du sie doch direkt selbst fragen. Also mach schon. Wir brauchen ungefähr Tausend Mark für die Renovierung und Fünfhundert Prüfungsgebühren. Klär das mal zügig!“ War Roberts Argument, dem ich nichts entgegenzusetzen hatte.

      Vermutlich hatte meine Schwiegermutter schon mit meiner Bitte gerechnet, denn sie war gar nicht erstaunt, verlangte aber, dass mein Mann dem Gespräch ebenfalls beiwohnen sollte. Sie lud uns zum Abendessen am Sonntag ein, um dabei alles in Ruhe zu besprechen.

      „Ich will nicht lange drum herum reden, es geht um Onkel Karls Geld. Ich muss die Sache gerichtlich durchboxen und dazu brauche ich familiären Rückhalt, auch eure Unterstützung. Ich habe einen guten Anwalt beauftragt, und schließlich kostet das eine beträchtliche Summe, Anwalts- und Gerichtskosten. Es kann lange dauern und kostet auch Nerven. Deshalb möchte ich sicher sein, dass ihr hinter mir steht. Das hat natürlich nichts mit dem Geliehenen zu tun, dazu kennt ihr ja meinen Standpunkt. Ich helfe euch natürlich, das können wir ja später verrechnen.“

      Zwar wusste ich dass sie immer noch mit Onkel Karls Witwe im Streit lag, aber mir war nicht wirklich klar was meine Schwiegermutter mit verrechnen meinte, denn ich sah keinen Zusammenhang zwischen ihrer Erbschaftsklage und uns. Aber ich nickte genauso wie mein Mann auch. Nur eines war uns wichtig, unserer Renovierung stand nur noch der Auszug der italienischen Mieter im Wege.

      Als die beiden anderen Zimmer endlich frei waren, waren wir doch entsetzt wie verwohnt die Räume waren.

      „Schöne Scheiße, ausgerechnet jetzt, mitten in der Prüfungs-Phase! So viel Arbeit! Wie soll ich das denn machen?“, stöhnte mein Mann.

      Genervt knurrte ich: „Stell dich doch nicht so an, ist doch ein Kinderspiel für dich. Wozu bist du denn Maler, und jetzt auch noch Meister? Das darf für dich doch kein Auftrag sein, die zwei Zimmerchen.“

      Es wurde eine langwierige Sache. Robert musste seine Meisterarbeit fertigen und auch noch die kaufmännische Prüfung bewältigen, da blieb nur ab und an abends ein Stündchen Zeit für unsere Wohnung. Auch wenn ich noch so gerne endlich die hinzugekommenen Räume benutzt hätte, ich durfte nicht ungeduldig werden.