Ruth Broucq

Zweiter Sieger


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doch mal bitte rein, Ruth“, bat er mich.

      „Aber ich muss erst nach den Kindern sehen, ich komme gleich!“ mit den Worten wollte ich die Treppe hinauf gehen.

      „Die sind hier unten bei uns“, widersprach er.

      „Was? Wieso das denn? Ist was passiert?“ fragte ich erschrocken und folgte ihm in die Wohnung.

      Meine Schwiegermutter lag auf der Couch und der Kleine friedlich schlafend neben ihr. Am Fußende hockte Ramona.

      „Warum sind denn die Kinder hier?“ ahnte ich schon böses.

      Dann erfuhr ich, dass Robert schon viel zu früh weggegangen war, bevor Rene schlief. Der Junge hatte wohl seinen Brei ausgebrochen, sich damit ganz schmutzig gemacht und geweint. Weil Ramona sich keinen Rat wusste hatte sie die Schwiegereltern gerufen.

      „So geht das nicht, Ruth!“ sagte mein Schwiegervater vorwurfsvoll. „Ihr könnt den Rene nicht der Ramona überlassen und beide weggehen, das Mädchen ist noch zu jung um einen Säugling zu betreuen. Wenn der Robert nicht in der Lage ist so lange zu Hause zu bleiben bis du kommst, dann musst du aufhören zu arbeiten und zu Hause bei deinen Kindern bleiben. Die Mami ist noch nicht gesund genug um wieder einzuspringen. So etwas wie heute darf nicht wieder vorkommen.“

      „Ich weiß nicht, warum der Robert so früh geht, der muss ja erst um Sieben anfangen. Ich weiß auch nicht, wieso der nicht mehr von dem Kollegen abgeholt wird, das war doch bisher so. Auf den Mann ist aber auch gar kein Verlass. Sicher wäre es besser, wenn ich zu Hause bliebe, solange der Junge noch klein ist, aber wir brauchen doch meinen Verdienst! Mit Roberts Lohn alleine, kommen wir nicht aus. Ich weiß nicht, was ich machen soll.“ Ich war ratlos und niedergeschlagen.

      „Ja, das ist schon ein Problem, aber wenn du schon mitarbeiten musst, dann zu einem Zeitpunkt wenn Robert zu Hause ist. Deine Schichtarbeit ist das Problem. Vielleicht solltest du dir eine andere Arbeit suchen? Besprich das mal mit Robert.“

      Meine Schwiegermutter hatte zu den Worten ihres Mannes nur zustimmend genickt, versuchte dann tröstend abzuschwächen: „Der Pappi hat zwar recht, aber so schnell ist das ja vermutlich nicht zu ändern, du hast ja sicher Kündigungszeit? Ich bin zwar bald wieder auf den Beinen, und kann dir wieder helfen, aber nur noch kurze Zeit. Auf Dauer ist mir das auch zu anstrengend. Du solltest also wirklich sehen, dass du in absehbarer Zeit eure Zeiteinteilung änderst. Also bei den Stadtwerken kündigen und dir eine andere Arbeit suchen wird wohl das Beste sein.“

      Die verfahrene Situation hatte mir so viel Kopfzerbrechen bereitet, dass ich eine ganz unruhige Nacht hinter mir hatte, sodass ich beim Aufzustehen einen Brummschädel hatte.

      Kaum hatte ich den Kleinen fertig gefüttert und gewickelt, und war gerade dabei Ramonas Schulbrot zu machen, als mein Mann nach Hause kam.

      „Nanu, so früh“? staunte ich.

      „Was denn nun? Auch nicht richtig? Komm ich zu spät, meckerst du, komme ich zeitig weil ich mich beeilt habe, ist dir das auch nicht recht? Weiber! Da soll ein Mann noch durchblicken!“

      Mein Mann war offenbar auch nicht bester Laune, was bei ihm aber keine Seltenheit war.

      Ungeachtet seiner miesen Stimmung erzählte ich ihm gleich von dem abendlichen Vorfall und der Standpauke seines Vaters.

      „Sag ich doch! Kündige diese Scheiß-Schichtarbeit und bleib zu Hause. Schließlich verdiene ich ja nicht schlecht, müssen wir halt ein bisschen kürzer treten. Wird schon klappen“, kommentierte er nur und verzog sich ins Schlafzimmer.

      Beim nächsten Windeln wechseln fand ich Renes Bauchlage seltsam. Ich war der Meinung dass er eine total schiefe Haltung hatte. Sofort trug ich den Jungen hinunter zu meiner Schwiegermutter, erklärte ihr meine Vermutung und fragte sie um Rat.

      „Ich glaube, der Rene hat einen schiefen Oberkörper. Wenn der auf dem Bauch liegt, hängt der nach einer Seite. Schau dir das doch bitte mal an. Ich denke, ich sollte mit ihm zum Doktor Remmers gehen. Was meinst du?“ damit legte ich meinen Sohn bäuchlings auf den Küchentisch. „Guck mal, Mami, angezogen fällt das nicht auf, aber wenn er nackt ist, warte ich ziehe ihn mal kurz aus!“

      Auch meine Schwiegermutter bestätigte meine Entdeckung.

      „Ich gehe morgen früh hin, dann hat der Herr Doktor Sprechstunde, er ist der bessere Arzt. Zu seiner Frau in die Nachmittags- Sprechstunde gehe ich nicht, obwohl die mich bestimmt gleich krankschreiben würde. Aber das hilft dem Kleinen nicht“, überlegte ich welchen Arzt ich von dem Ehepaar Remmers konsultieren sollte.

      Meine Schwiegermutter wusste Rat, sie empfahl mir: „Wenn du zu Hause bleiben willst musst du zu ihr gehen, die schreibt dich direkt krank. Das machst du am besten noch heute. Aber dann kannst du den Jungen ruhig mitnehmen, die ruft doch sowieso ihren Mann wenn etwas über ihren Horizont geht. Wenn die Agnes unseren Rene sieht und du deine Vermutung sagst, ruft die ihren Karl-Herrmann, wetten?“ lachte meine Schwiegermutter amüsiert.

      Sie kannte die Ärztin schon seit Kindertagen, war mit ihr zur Schule gegangen, und hielt nicht viel von ihr. Ob zu Recht oder nicht, im Vergleich zu ihrem Ehemann war Frau Doktor Remmers sicher fachlich unterbelichtet. Das stand zweifelsfrei fest.

      Am frühen Nachmittag machte ich mich also auf den Weg zu der nahegelegenen Arztpraxis.

      Die Ärztin war zwar alles andere als eine Schönheit aber sehr freundlich und Kinderlieb.

      Als sie meinen Sohn sah strahlte sie erfreut und begrüßte mich herzlich.

      „Ach der ist ja niedlich, wie glücklich müssen Sie doch sein, Frau Woods. So ein hübsches Kind habe ich mir immer gewünscht. Leider, leider ist mir dieser Wunsch verwehrt geblieben. Und Sie haben gleich zwei süße Kinder. Beneidenswert. Aber was gibt es denn für ein Problem? Mit dem Jungen oder mit Ihnen, Frau Woods?“ fragte die Ärztin besorgt.

      „Eigentlich mit uns beiden, ich fühle mich zwar elend ausgelaugt, aber zuerst möchte ich Ihnen meine Sorge wegen Renes Rücken zeigen.“ Sagte ich worauf sie mich anwies, den Jungen auszuziehen.

      „Sie bleiben dann wohl besser mal ein paar Tage zu Hause, ich schreiben Ihnen gleich eine Krankmeldung“, sagte die Ärztin ohne jegliche Untersuchung.

      Als sie den Kleinen betrachtete, meinte sie: „Moment mal, Frau Woods, das soll sich mein Mann auch mal ansehen.“

      Dann rief sie in die Haussprechanlage: „Karl-Herrmann komm bitte mal runter, das musst du dir ansehen!“

      Ein paar Minuten später betrachtete Herr Dr. Remmers Renes Rückseite.

      „Ja, Sie haben ein gutes Auge, Frau Woods, es stimmt, der Junge hat eine krumme Wirbelsäule im oberen Brustbein. Guck mal hier Agnes, das sieht man schon an der Po-Falte, die beiden Po-Backen sind nicht gleich, und die Falte geht nach rechts. Das ist sicher von der Geburt. Hat es bei der Geburt Komplikationen gegeben, Frau Woods?“ fragte der Arzt.

      Ich erklärte zögernd: „Na ja, die war nicht so einfach. Die Wehen blieben 12 Stunden lang konstant im Fünf-Minuten-Rhythmus, dann musste die Geburt eingeleitet werden und die Fruchtblase gesprengt. Rene war eine Scheitellage, und das habe ich auch gemerkt, deshalb bin ich dabei auch gerissen. Also einfach war es nicht.“

      Der Arzt nickte, sagte: „Dabei wird wohl die Wirbelsäule was abbekommen haben. Aber keine Sorge, Frau Woods, das kriegen wir wieder hin. Die Knochen sind ja noch weich, mit dementsprechender Gymnastik kann ein Physiotherapeut das wieder gerade biegen. Erst mal gehen Sie mit dem Kleinen zum Röntgen, danach sehen wir ob ich Recht hatte. In Ordnung? Agnes schreib ne Überweisung zum Radiologen. Tschüss Frau Woods, wir sehen uns bald.“

      Nachdem der Arzt den Raum verlassen hatte, klagte ich noch über schlimme Kopfschmerzen und Schlafstörungen.

      „Müssen Sie denn noch arbeiten, Frau Woods?“ fragte die Ärztin und auf mein Nicken sagte sie: „Dann schreib ich Sie mal erst eine Woche krank. Und wenn es dann noch nicht besser ist, verlängern wir noch einmal. Und hier das nehmen Sie vor dem Schlafengehen und die Tabletten gegen die Kopfschmerzen. Wir sehen uns dann nächste Woche wieder, dann