Anne-Christine Schmidt

Als die Angst kam - als die Angst ging


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aussichtslos empfundene Auslieferung gegenüber diesen von außen drückenden Zwängen eine entscheidende Rolle für die Entstehung einer Angsterkrankung sowie für deren Manifestation und Chronifizierung. Angststörungen entstehen nicht aus dem Nichts oder gar aus einer Willensschwäche heraus, sondern es gibt immer eine oder zumeist ein Zusammenspiel mehrerer auslösender Ursachen, die tief in das Unbewusste greifen.

      Ich beleuchte die verschiedenen, derzeit etablierten Behandlungsstrategien bei Angsterkrankungen und setze deren Konzept und Herangehensweise in Bezug zu meinen eigenen Erfahrungen, die Angst aufzulösen. Letztlich stelle ich anhand der Darstellung meiner eigenen „Angstgeschichte“ Einflüsse und Umstände zur Diskussion, welche die Entstehung krankhafter Angst begünstigen können. Eine der wichtigen Botschaften, die ich anderen Angstbetroffenen und deren Umgebung mitteilen möchte, beinhaltet die Schuldfreiheit des Leidenden. Schließlich beschreibe ich meinen ganz persönlichen Ausweg als Anregung für andere von Angststörungen heimgesuchte Menschen, um Hoffnung auf Linderung und Heilung zu schenken, unabhängig von Medikamenten und Therapietorturen. Man braucht eine Vision, die einen fortträgt über die Mauer aus Angst, eine Begeisterung, die stärker ist als die Angst.

      I) ANGST

      Krankhafte Angst, deren Auftauchen, jahrzehntelanges Bestehen wie deren Verschwinden ist ein Mysterium. Krankhafte Angst ist ein sehr leidvolles Übel, das viele Lebensjahre raubt.

      Angstproblematiken gewinnen in der modernen Hochgeschwindigkeitsgesellschaft zunehmend an Bedeutung. „Angststörungen nehmen – vor allem in jüngeren Altersgruppen – zu.“ [1] Gegenwärtig leidet etwa jeder siebte Einwohner Europas unter Angstzuständen. Europaweit liegen Angststörungen mit 14 Prozent an der Spitze aller Stressbelastungen [2]. Allein in Deutschland leiden mehr als zwölf Millionen Menschen an einer diagnostizierten Angsterkrankung, über zwei Millionen davon werden von ständig wiederkehrenden Panikattacken geplagt [3].

      Die internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD 10) listet für die Diagnose „Angst- und Panikstörung“ acht verschiedene Kategorien mit eigenen Diagnoseschlüsseln: Agoraphobie, soziale Phobien, spezifische (isolierte) Phobien, sonstige phobische Störungen, nicht näher bezeichnete phobische Störung, Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst), generalisierte Angststörung, Angst mit depressiver Störung gemischt. „Der Begriff `Angst` bedeutet ursprünglich etwas wie Beklemmung oder Beengung. Er ist verwandt mit dem lateinischen `angustus`, was übersetzt `eng` heißt.“ [4] Im Leben wie im eigenen Inneren ist es also eng geworden.

      Dabei sind Ängste etwas ganz Anderes als Angstzustände. Ängste hat jeder Mensch, besonders in schwierigen und belastenden Lebensphasen. „Angst und Furcht sind nicht per se als Zeichen einer psychischen Erkrankung anzusehen. Es gibt eine `vernünftige`, normale und angemessene Angst, die tief im Biologischen verankert ist. Angst und Furcht erfüllen ihre Funktion als Warnsignale, wobei sie angesichts drohender Gefahren Aufmerksamkeit und Handlungsfähigkeit erhöhen.“ [4] Es gibt auch einen Gegenpol zur pathologischen Angst, und zwar die pathologische Angstlosigkeit [4].

      Was aber ist nun eine Angsterkrankung? An dieser Stelle übernehme ich das Symptombild aus einem medizinischen Buch über Angsterkrankungen: „Die Patienten erleben eine Vielzahl körperlicher Beschwerden wie Herzrasen, Schwindel, Atemnot, Brustschmerz oder Hitzewallungen. / Bei schweren Anfällen tritt die Furcht auf, während des Anfalls zu sterben, die Kontrolle zu verlieren oder verrückt zu werden. / Die Anfälle kommen oft spontan, d.h. für die Patienten unerwartet, wie `aus heiterem Himmel`. / Die Symptome entwickeln sich meist plötzlich, innerhalb weniger Minuten. / Es liegen keine organischen Gründe für die Beschwerden vor.“ [4] Im Lauf starker Angstanfälle flieht der Betroffene aus der bedrängenden Situation, oder er sucht Hilfe. Als Folge der bedrohlichen Symptome meidet der Angstpatient all diejenigen Situationen und Örtlichkeiten, in welchen seine Angstanfälle auftreten. Im schlimmsten Fall verlassen von einer Angstneurose betroffene Menschen ihre Wohnung nicht mehr ohne unterstützende Begleitung. Die Medizin diagnostiziert solche Verlaufsformen als „Panikstörung mit Agoraphobie“ [4]. Als Agoraphobie bezeichnet man die Angst vor eigentlich ungefährlichen Situationen und das daraus resultierende Vermeiden dieser angstbesetzten Situationen. Mediziner vermuten, dass ein agoraphobisches Verhalten dem Auftreten von Panikattacken folgt [1]. Die Abläufe während einer Panikattacke stellen eine natürliche Reaktion des Körpers auf eine wahrgenommene Bedrohung dar. Entsprechend mobilisiert der Körper viel Energie, um sich der Bedrohung entweder zu stellen oder zu flüchten (Kampf-/Fluchtreaktion). Allerdings ist die Wahrnehmung der Bedrohung aus dem Ruder gelaufen. „Gemeinsame Merkmale typischer `agoraphobischer` Situationen sind, dass die Patienten es als gefährlich oder peinlich empfinden, dort einen Panikanfall zu erleben, dass Hilfe nicht schnell verfügbar wäre oder dass man nicht leicht fliehen kann.“ [4] Als häufigste Situationen, welche Angstanfälle hervorrufen, lassen sich daher das Autofahren, das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln, das Einkaufen in größeren Kaufhäusern und Kaufhallen, das Alleinsein in einer Wohnung sowie das Besuchen von Veranstaltungen mit großen Menschenmengen aufzählen. Agoraphobie ist eine furchtbar quälende und frustrierende psychische Störung. Sie „macht die Betroffenen mehr zu Gefangenen als zwei gebrochene Fußknöchel“ [5]. „Panische und agoraphobische Ängste gehören zu den häufigsten psychischen Störungen bei Frauen. Viele müssen bei ausgeprägter Agoraphobie ihren Beruf aufgeben. Einige sind derart beeinträchtigt in der Lebensführung, dass sie nicht mehr ohne Begleitung das Haus verlassen können.“ [1] Angststörungen führen oft zu depressiven Verstimmungen und beeinträchtigen die Betroffenen in ihrer Lebensführung schwer [1].

      Mediziner schätzen agoraphobische Ängste als hartnäckige psychische Störungen ein [1]. In den meisten Fällen nimmt die Panikstörung einen chronischen Verlauf. Ein Anteil von über 90% einer Gruppe von Patienten mit einer Panikstörung „erfüllte auch noch nach sieben Jahren die diagnostischen Kriterien für eine solche“ [4]. „Unbehandelte Angststörungen nehmen langfristig einen schlechteren Verlauf als schwere Depressionen.“ [1] Chronische Angststörungen vermindern die Lebenserwartung um vier Jahre, wobei dies demselben Effekt entspricht, der durch Brustkrebs verursacht wird [2].

      Das limbische System des Gehirns spielt eine herausragende Rolle bei der Entstehung und Ausformung von Angstgefühl [4]. Im limbischen System werden Gefühle verarbeitet. Spezielle bildgebende Verfahren zur Untersuchung der Gehirnaktivität stellen bei Panikpatienten häufig eine erhöhte Aktivität in den sogenannten Basalganglien dar. Die Basalganglien sind große Strukturen in der Mitte des Gehirns, die das tiefe limbische System umgeben. Dauerhafter Stress versetzt die Basalganglien in ständige Alarmbereitschaft. Durch Entspannung finden sie in ein gesundes, nicht mehr übererregtes Niveau zurück [6]. Anhand dieses Zusammenhangs erkennt man bereits die Ursachen für Angsterkrankungen: ununterbrochenen, massiven Stress oder ein gravierendes traumatisches Erlebnis oder eine Reihe belastender Ereignisse. Die Speicherung und ständige Neuaktivierung der Angst geschieht in einem Teil des limbischen Systems, welcher den Namen Mandelkern (Amygdala) trägt. Der Mandelkern fungiert als Gefahrenmelder angesichts bedrohlicher Situationen und leitet die Stressreaktion des Organismus über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse ein, was über die Ausschüttung von Stresshormonen zur Freisetzung aller körperlichen Energiereserven führt [2]. Er befindet sich im Hirnstamm an der Unterseite des Hippocampus. Der Hirnstamm steuert unbewusste, vegetative Körpervorgänge. Das Zwischenhirn, welches sich zwischen Stamm- und Großhirn befindet, steuert den Hormonhaushalt.

      Die biologische Aufgabe panikartiger Angst besteht darin, den Körper auf Höchstleistung zu trimmen [1]. „Panikattacken sind höchst dramatisch verlaufende Alarmreaktionen auf Stress.“ [1] Im Fall einer Alarmreaktion agieren die für die Verarbeitung von Gefühlen zuständigen Gehirnregionen des Hypothalamus und des limbischen Systems als „oberste Schaltstellen“. Sie veranlassen über eine Hormonkaskade die Ausschüttung von sogenannten Stresshormonen, vor allem von Adrenalin, daneben auch von Noradrenalin und Kortisol [1]. Das Nebennierenmark setzt Adrenalin und Noradrenalin frei, während die Nebennierenrinde Kortisol in die Blutbahn schleust [2]. Diese Hormone bewirken, dass sich die Blutgefäße verengen, das Herz das Blut stärker pumpt, die Atmung schneller abläuft, die Muskeln sich anspannen und die Leber Glukose freisetzt, damit der Körper Höchstleistungen vollbringen