Walter Brendel

Die Macht der Geheimbünde


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zunehmend Einfluss auf den Staat und seine Entscheidungsstrukturen. Durch geheime Lobby-Arbeit, wechselseitigen Personalaustausch zwischen Wirtschaft und Politik, sowie institutionalisierte Bündnisse („Sozialpartnerschaft“) würden die „Monopolherren“ zunehmend Einfluss auf die Staatsleitung gewinnen, um diese schließlich voll-ständig ihren dubiosen Zwecken zu unterwerfen. Zu diesen Zwecken gehöre auch, den von Marx vorausgesagten tendenziellen Fall der Profitrate durch ökonomische und territoriale Expansion auszugleichen. Dies führe den so agierenden imperialistischen Staat in Konflikte mit anderen imperialistischen Staaten, was nahezu unausweichlich in kriegerische Auseinandersetzungen, wie den Ersten Weltkrieg münde.

      Damit unterstellten Lenin und andere Theoretiker, die ihm folgten, dass z. B. der Imperialismus und der durch ihn verursachte Erste Weltkrieg das Ergebnis illegitimer und geheimer Einwirkungen eines vergleichsweise kleinen Personenkreises sei, nämlich der „Agenten des Monopolkapitals“. So sah z. B. die Kommunistische Internationale von 1919 eine internationale, imperialistische Verschwörung des Kapitals: „Dagegen rüstet sich das Weltkapital zum letzten Kampf. Unter dem Deckmantel des „Völkerbundes“ und eines pazifistischen Phrasenschwalls macht es die letzten Anstrengungen, die spontan zerfallenden Teile des kapitalistischen Systems wiederzusammenzukleben und seine Kräfte gegen die immer mehrwachsende proletarische Revolution zu richten. Diese neue ungeheure Verschwörung der Kapitalistenklasse muss das Proletariat mit der Eroberung der politischen Macht beantworten, diese Macht gegen seine Klassenfeinde richten und als Hebelder ökonomischen Umwälzung in Bewegung setzen. […] Niedermit der imperialistischen Verschwörung des Kapitals!“

      Zwar stießen die Versuche, den gesamten Leninismus als Verschwörungstheorie zu beschreiben, in der Forschung kaum auf positives Echo, der Politologe Reinhard Kühnl sieht jedoch in späteren Formen dieser Theorien einzelne verschwörungsideo-logische Elemente auf der Hand liegen. In den siebziger und achtziger Jahren seien vielfach so genannte „Kartell- oder Agenturtheorien“ diskutiert worden, nach denen der bürgerliche Staat und seine Repräsentanten nichts als Weisungsempfänger von Personal auftretenden Vertretern industrieller Interessenseien. Diese – laut Kühnl –schlichte und personalisierende Beschreibung des Verhältnisses zwischen Staat und Kapitalinteressen würde heute auch von den meisten Marxisten abgelehnt, die den Einfluss industrieller Interessen nicht leugnen, ihn aber nicht als einzige Ursache für die Machtübernahme Hitlers betrachten.

      Ein Beispiel für eine solche Agententheorie ist etwa die in der DDR-Geschichtswissenschaft einhellig vertretene Auffassung, vor allem die Großindustrie habe in der Weimarer Republik die NSDAP finanziert und durch direkte Einwirkung auf Entscheidungsträger wie zum Beispiel durch die Industrielleneingabe vom November 1932 an die Macht gebracht. Daher, so die Behauptung, sei das personale Handeln der Großindustriellen der wichtigste Faktor, der zu der Übergabe der Macht an die Nationalsozialisten beigetragen hätte. Hier wird im Sinne einer Verschwörungsideologie ein zentrales weltgeschichtliches Ereignis auf das zielgerichtete verborgene Wirken einer kleinen Minderheit zurückgeführt.

      Die Kanzlerschaft Hitlers wird in dieser Auffassung mit einem „monokausalen Kaufakt“ verborgen handelnder Kapitalisten erklärt, die damit angeblich ihre Expansi-onsinteressen wahren wollten. Andere Faktoren wie die nationalsozialistische Massenbewegung, die Weltwirtschaftskrise, die Folgen des als nationale Schmach empfundenen Versailler Vertrags und der Mangel an entschiedenen Verteidigern der Republik werden demgegenüber ausgeblendet. Die historische Forschung nimmt heute dagegen an, dass der Anteil der Großindustrie an der Finanzierung der NSDAP gering war, unbeschadet der Tatsache, dass sie durchaus aktiv an der Zerstörung der Weimarer Republik mitgewirkt hat. Die Einflussnahme einzelner Großindustrieller wird dabei nicht geleugnet, aber in ein komplexes multifaktorielles Ursachengeflecht aus institutionellen Rahmenbedingungen, ökonomischer Entwicklung, politischer Kultur, sozialem Gefüge und ideologischen Einflüssen eingeordnet.

      Verschwörungstheorien in den USA seit 1945

      Während nach 1945 Verschwörungstheorien in Westeuropa bis in die 1990er Jahre kaum Resonanz erhielten, wurden sie in den USA nach 1945 und noch stärker nach der Ermordung Kennedys 1963 und den Anschlägen vom 11. September 2001zu einem verbreiteten Erklärungsmuster im kulturellen und politischen Leben und Denken vieler Menschen. Auslöser waren der „Ausschuss für unamerikanische Aktivitäten“ unter dem Vorsitz Richard Nixons und das „Government Operations Committee“ von Senator Joseph McCarthy, die in den frühen fünfziger Jahren regelrechte Musterbeispiele für Verschwörungstheorien produzierten. Ähnliche Überlegungen äußerte der amerikanische Präsident John F. Kennedy am 27. April1961 vor amerikanischen Zeitungsverlegern. Hier beschrieb er den Kommunismus als eine in sich geschlossene, unbarmherzige Verschwörung …, die hauptsächlich mit verborgenen Mitteln versucht, ihren Einflussbereich zu erweitern – durch Unterwanderung statt durch Invasion, durch Subversion anstelle von Wahlen, durch Einschüchterung anstelle von freier Auswahl, durch Guerillas in der Nacht statt eines Heeres am Tag.

      Auch in der Folge nahm deren Zahl und Verbreitung in den USA nicht ab. Seit 1963 bietet das Attentat auf John F. Kennedy Anlass zu Verschwörungstheorien, die nachzuweisen versuchen, die CIA habe gemeinsam mit der Mafia, Exilkubanern, Vizepräsident Lyndon B. Johnson und Vertretern des militärisch-industriellen Komplexes den Mord an dem Präsidenten zu verantworten. Dahinter stecke ein Staatsstreich, der Kennedys Politik zunichte gemacht habe. Manche sehen die Mafia auch als alleinigen Drahtzieher des Attentats, weil die Regierung für die organisierte Kriminalität eine akute Bedrohung darstellte. Eine weitere Version sieht hinter dem Mord das Castro-Regime, das den ständigen Widersacher Kennedy habe beseitigen wollen.

      Auch Verschwörungstheorien zur Mondlandung haben in der Bevölkerung und in den Medien Resonanz gefunden. Demnach soll die Landung auf dem Mond niemals stattgefunden haben. Sie sei stattdessen der Weltbevölkerung mit Hilfe von Fernseh-Inszenierungen vorgetäuscht worden.

      Anfang der 1980er Jahre führte die so genannte „October-Surprise“-Verschwörung sogar zu einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss:

      Danach sollen Persönlichkeiten aus dem Umfeld von Ronald Reagan den iranischen Revolutionsführer Ayatollah Khomeini dazu gebracht haben, die Geiseln in der amerikanischen Botschaft erst nach seiner Wahl zum Präsidenten freizulassen. Obwohl Reagans Vorgänger Jimmy Carter diese These unterstützte, konnte der Untersuchungsausschuss keine stichhaltigen Belege für ein solches Komplott finden.

      Carter selbst und sein damaliger Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski werden verdächtigt, 1979 den Sturz des Schahs betrieben und Khomeini gezielt gefördert zu haben, um gegen die benachbarte Sowjetunion ein islamisch-revolutionäres Regime in Stellung zu bringen.

      Gegenstand der Verdächtigungen ist also häufig die eigene Regierung. In der Ideologie z.B. der rechtsgerichteten Milizbewegung, einem Konglomerat aus Rechtsanarchismus, christlichem Fundamentalismus und Antisemitismus, wird der amerikanischen Bundesregierung unterstellt, im Bunde mit der UNO oder den Juden (siehe ZOG), anderen übernationalen Mächten oder sogar Außerirdischen daran zu arbeiten, Freiheit und Moral der Bevölkerung zu unterminieren und eine „neue Weltordnung“ errichten zu wollen. Ein erster Schritt dazu sei die Beschränkung des im zweiten Zusatzartikel zur Verfassung jedem Bürger garantierten Rechts, Waffen zu tragen. Anlass zu diesen Befürchtungen bot das Massaker von Waco (Texas) 1993, das durch den Versuch der Bundespolizei ausgelöst wurde, die geltenden Waffengesetze auch bei der kleinen Sekte der Davidianer durchzusetzen.

      Gegen die eigene Regierung gerichtete Verdächtigungen gab es auch im Zuge der Terroranschläge am 11. September 2001in den USA. Sie fanden auch in Europa weite Verbreitung. Demnach sei die Bush-Regierung selbst für die Angriffe auf das World Trade Center und das Pentagon verantwortlich, um ihre Kriegspläne gegen Afghanistan und den Irak umzusetzen und eine unilaterale Dominanz zu etablieren.

      Ab dem 18. September 2001, kurz nach dem Anschlag auf das World Trade Center, wurden mit Milzbrand verseuchte Briefe an Regierungsstellen versandt. Fünf Menschen starben. Die Urheber dieser Briefe wurden bis heute nicht gefasst und geben Anlass für Verschwörungstheorien, da diese Anthrax-Anschläge eine zusätzliche weltweite Hysterie auslösten, aber sehr schnellaus dem Blickfeld der Medien verschwanden, als bekannt wurde, dass der oder die Attentäter wahrscheinlich US-Bürger waren.

      Viele