Kathrin Noreikat

Die Wohngemeinschaft


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windig geworden. Ihre langjährige Freundin Judith behauptete jedoch, sie solle nicht den Wind für den Weggang verantwortlich machen. Viel mehr hatte der Umzug mit der Trennung ihres Freundes zu tun gehabt.

      Um nicht ständig an ihn erinnert zu werden oder ihm gar auf der Madison Avenue oder an der Uferpromenade des Lake Michigans zu begegnen, entschloss sie sich an die Ostküste zu ziehen. Also wechselte sie zum Wintersemester an die New Yorker Universität.

      Neue Stadt, neues Glück.

      Doch das Glück schien ihr nicht hold, denn die Wohnungssuche gestaltete sich äußerst schwierig. Die meisten Anzeigen boten ein Wohnklo mit Kochnische oder ein winziges Apartment mit einer Raumhöhe von nur 1,50 m unter dem Dach an.

      „Warum ziehst du nicht in eine WG? Dann hast du Gesellschaft und sparst auch noch ein paar Dollar“, schlug Judith vor.

      An der Universität klebten zahlreiche „WG-Zimmer frei“-Zettel an den schwarzen Brettern. Rief Kelly dort an, waren die Zimmer allerdings schon vergeben oder das Zimmer mit „Blick ins Grüne“ entpuppte sich als Abstellkammer mit Blick auf eine grün angestrichene Hauswand des gegenüberliegenden Gebäudes.

      Beinahe wollte sie schon nach windy city Chicago zurück ziehen, da sie unter der Brooklyn Bridge auch nicht kampieren wollte.

      Als sie den handgeschriebenen Zettel „Josh & Aidan suchen Mitbewohnerin“ auf dem Boden eines Seminarraumes fand, schöpfte die Studentin neue Hoffnung. Die Vorlesung über die Wiener Secession war interessant gewesen, aber dieser ungewöhnlich gestaltete Flyer nicht minder. Die Gestaltung und die Adresse machten sie stutzig. Totenköpfe am Rande des Blattes und eine Adresse in Greenwich Village.

      „WG-Zimmer in Penthouse frei“ war in einer kunstvollen Schrift zu lesen.

      Ob die beiden, Aidan und Josh, ein Paar waren? Künstler? Schließlich wohnten sie in Greenwich Village, dem Künstlerviertel von New York.

      Da Kelly ihr erspartes Geld nicht dauerhaft im youth hostel, in dem sie momentan wohnte, ausgeben wollte, rief sie sofort unter der angegebenen Handynummer an.

      „Erica?“ hörte Kelly eine aufgebrachte Männerstimme.

      Einen Moment war sie verwirrt.

      „Äh, nein. Hier ist Kelly. Ich rufe wegen dem WG-Zimmer an.“

      Schweigen.

      „Hallo? Sind sie noch dran?“

      Die Stimme am anderen Ende der Leitung meldete sich wieder.

      „Oh, ja. Tut mir leid. Erica ist meine... äh... Freundin und wir hatten gestern....“

      „Hören Sie. Ich will nur wissen, ob das Zimmer noch zu haben ist“, unterbrach Kelly den Mann.

      „Ach so, ja ja.“

      Sie vereinbarten einen Besichtigungstermin am darauffolgenden Vormittag.

      Am nächsten Tag war Kelly sehr gespannt, ob die angegebene Adresse in Greenwich Village stimmen würde. Die Typen machten sich bestimmt einen Spaß daraus eine falsche Adresse anzugeben. Wahrscheinlich würde sie vor einen Bauzaun geführt werden und die Typen standen an der nächsten Ecke und würden sich über sie lustig machen.

      Die Studentin hatte sich zu recht gemacht, weil sie einen guten Eindruck machen wollte. Ihre langen rotblonden Haare hatte sie am Hinterkopf zu einem Dutt zusammen geknotet, einzelne Strähnen hingen absichtlich an der Seite heraus. Sogar ein wenig Rouge hatte sie auf ihr mit Sommersprossen gesprenkeltes Gesicht aufgetragen, was sie sonst nur selten tat. Das bunte Kleid von Desingual, das sie im Outlet erstanden hatte, war ihr bestes Stück. Es hatte ihr auch zu einer Zusage für einen Nebenjob verholfen. Vielleicht würde ihr das schicke Kleid nun ebenso eine Bleibe in einem Penthouse verschaffen.

      Die Studentin stand vor der angegebenen Adresse in der MacDougal Street. Kein Bauzaun, sondern ein hohes Gebäude aus rotem Klinker fand sie vor.

      Sie drückte die oberste Klingel, auf der der Name stand, den der Mann ihr am Telefon genannt hatte. Wenige Augenblicke später signalisiert ein Surren, dass die Haustür geöffnet wurde. Kelly nahm den Fahrstuhl in den obersten Stock und trat voller Neugierde aus dem Lift. Penthouse-WG, so wirklich glauben konnte sie es immer noch nicht. Doch sie wurde eines besseren belehrt.

      Josh, der Mann mit dem sie telefoniert hatte, öffnete ihr die Wohnungstür. Er trug eine kakifarbene Hose und ein dunkelgrünes Hemd. Seine Augen waren rehbraun und die hellbraunen Haare waren strubbelig. Hinter ihm stand ein schlanker Mann, der ganz in schwarz gekleidet war.

      „Bitte komm´ herein. Ich bin Aidan und das ist Josh“, sagte der Mann in schwarz. Seine Gesichtszüge waren scharf geschnitten und wirkten nicht besonders freundlich, aber er machte eine einladende Geste und lächelte.

      Sie gingen durch einen breiten Flur und kamen an einer Garderobe und an mehreren Türen vorbei bis sie schließlich im Wohnzimmer standen. Der Raum war groß und hell. Die Frühlingssonne schien durch die Glasfront. Sie nahmen auf einem Sofa aus hellgrauem Leder Platz, fünf verschieden farbige Kissen waren dekorativ darauf platziert. Aus dieser Position konnte Kelly den Raum gut überblicken. Die wenigen Möbelstücke wirkten geschmackvoll und waren in einem modernen Design in schwarz und weiß gehalten. Der große Esstisch mit sechs Stühlen stand am anderen Ende des Zimmers. Darauf thronte eine schwarze Vase mit weißen Lilien darin. Einen Durchgang zur Küche konnte Kelly erahnen. Die begrünte Dachterrasse war durch die gläsernen Schiebetüren zu sehen, dahinter erstreckte sich das Panorama der Stadt.

      Das Penthouse mit der Dachterrasse wirkte auf sie wie aus der Zeitschrift „Schöner wohnen“. Sollte sie das freie Zimmer tatsächlich bekommen, wäre es ein Glücksgriff.

      Nach dem üblichen small talk zeigten die Männer ihr endlich das zu vermietende WG-Zimmer. Es befand sich gleich rechts neben der Wohnungstür. Ein eigenes Bad und einen Zugang auf die großzügige Dachterrasse, die sich um das Gebäude wand, ließen Kelly staunen. Wo war der Haken? fragte sie sich im Stillen. Der Preis war es merkwürdigerweise nicht, denn dieser war bezahlbar und für solch einen Komfort geradezu lächerlich gering.

      Aidan ergriff das Wort: „Wie du siehst, ist das Zimmer voll möbliert.“

      „Die Vormieterin hat einfach alles da gelassen als sie plötzlich verschwand,“ empörte sich der andere.

      Aidan warf ihm einen erbosten Blick zu.

      „Wie verschwunden? Warum ist sie denn ausgezogen?“ fragte Kelly neugierig.

      Sie konnte sich nicht vorstellen, hier freiwillig wieder auszuziehen.

      Als ob Aidan ihren Zwischenruf gar nicht gehört hatte, fuhr er fort: “Wir hoffen, dir sagen die Möbel und das Zimmer zu.“

      Josh übernahm nun das Wort: „Wobei wir schon ein paar Bedingungen haben, die du erfüllen musst, wenn du hier einziehen willst.“

      Begierig die Bedingungen zu erfahren, nickte sie.

      „Die Wohnung hat eine zweite Etage, in der wir unsere Zimmer haben“, er wies mit der Hand auf sich und den schlanken Mann neben sich. „Es ist dir nicht gestattet dort hinauf zu gehen. Sollten wir bemerken, dass du es in unserer Abwesenheit dennoch getan hast, wird es schlimme Folgen für dich haben.“

      Der Typ hatte wohl einen Hang zur Theatralik. Wahrscheinlich waren die Herren in ihren Gemächern chronisch unordentlich und wollten nicht jedem ihr Chaos präsentieren.

      Nachdem die Studentin die anderen Bedingungen gehört hatte, zuckte sie mit den Schultern: „Wenn es weiter nichts ist. Also mir gefällt das Zimmer. Ich würde es nehmen.“

      Die Männer schauten sich erstaunt an: „Okay. Wann kannst du einziehen?“

      „Sofort. Ich bin erst vor kurzem aus Chicago hergezogen und habe nur ein paar Klamotten und Uniunterlagen mitgenommen. Sie sind im youth hostel“, antwortete sie.

      Während Kelly zum youth hostel ging um dort ihre zwei Reisetaschen zu holen, saßen die beiden Männer auf der grauen Sofalandschaft im Wohnzimmer.

      „Versau´