ist?
Sie würde schon gerne ihre Neugierde befriedigen und in das obere Stockwerk gehen.
Doch ihre Mitbewohner ließen keinen Zweifel daran, dass ihre Bedingungen nicht handelbar waren. So freundlich und zuvorkommend sie ihr gegenüber waren, umgab die beiden eine geheimnisvolle und manchmal angsteinflößende Aura. Die Folgen einer Übertretung ihrer Bedingungen wollte sie dann doch lieber nicht erfahren.
Bereits die Türklinke ihres Zimmers in der Hand hört sie die Stimme des Lehrers: „Ach, bitte denk daran, dass in zwei Tagen Vollmond ist. Du musst heute noch das Zitronenbäumchen umtopfen.“
Kelly stöhnt. Auch das noch. Sie musste an der Seminararbeit weiter schreiben und konnte nicht den Nachmittag als Gärtnerin tätig sein. Doch die Pflege der Zimmer- und Balkonpflanzen im Einklang mit dem Mondzyklus war einer der unumstößlichen Bedingungen gewesen, um in diese WG einziehen zu können.
Sie hatte geglaubt, dass in einem bisher reinem Männerhaushalt wenig Pflanzen existieren würden und diese sicher nicht nach den Mondphasen zu versorgen seien.
„Warum habt ihr so dermaßen viele Pflanzen?“ fragte Kelly an dem Abend, als sie gemeinsam zu Abend aßen.
Aidan antwortete zögerlich, dass seien die Pflanzen von Melissa.
„Melissa? Die Vormieterin?“
„Ja, sie hat in einem Blumenladen gearbeitet“.
Somit hatte Melissa das Penthouse und die Dachterrasse in eine grüne Hölle verwandelt.
In dem von Kelly bezogenen Zimmer standen Orchideen in verschiedenen Farben auf der Fensterbank. Die Küche war zum Kräutergarten geworden und auf der Dachterrasse standen Töpfe und Kübel mit Bambus, Hibiskus, Polsterglockenblumen, Begonien und Petunien.
Das Zitronenbäumchen konnte demnach laut Mondkalender, der an der Wand im Flur aufgehängt war, nicht warten. Dass man eine wichtige Seminararbeit fertig schreiben musste, davon stand nichts im Mondkalender.
Anfangs hatte Kelly die Gartenarbeit nicht gemocht, doch mit der Zeit hatte sie Freude daran gefunden und somit war das Umpflanzen des Zitronenbäumchens keine wirkliche Belastung mehr.
Später sitzt sie am Schreibtisch und formuliert weiter am Text über den Maler Gustav Klimt. Ins Zimmer strömt angenehm kühle Luft durch den Schacht der Klimaanlage. Die Möbel, Kleiderschrank, Kommode, Bett und Schreibtisch, hatte Kelly von ihrer Vormieterin behalten. Es war nicht ganz ihr Einrichtungsgeschmack, aber aufgrund ihrer finanziellen Situation behielt sie die Möbel. Die Gardinen mit Blumenmuster hatte sie jedoch durch eine Schlichte ersetzt.
Aus Chicago hatte sie ihre Staffelei her schicken lassen und die Kunstdrucke ihrer Lieblingsmaler an die Wand befestigt.
Ihre Mitbewohner sieht sie an diesem Tag nicht mehr, nur abends hörte sie Josh das Penthouse verlassen.
Wo will er an diesem Sommerabend noch hin? Ein date mit Erica?
Was geht mich das Liebesleben meiner Mitbewohner an, denkt Kelly. Ein Liebespaar sind Josh und Aidan auf jeden Fall nicht, sondern die besten Freunde, die zusammen in einem luxuriösen Penthouse wohnen. Wie sie sich die Miete leisten können? Oder ist das Penthouse gar in ihrem Besitz? Was geht es mich an. Nur wissen würde ich es gerne, sinniert Kelly.
Als Kelly am nächsten Morgen zur Universität geht, kann sie am Kiosk die Schlagzeile der Tageszeitung lesen: „Hitzerekord nicht geknackt.“
Kapitel 2
Kapitel 2
Er knöpfte sein graues Hemd auf, angelte aus dem Spind ein weißes T-Shirt, den Kittel und die Hose heraus und streifte sie über, zuletzt heftete er noch das Namensschild an.:
„Dr. Aidan McKee“. Es war ein langer Weg gewesen, um Arzt zu werden. Viele Jahre war er auf der Suche nach seiner Berufung gewesen. Vieles hatte er ausprobiert und nach kurzer Zeit wieder aufgegeben, bis ihn eine schicksalhafte Begegnung die Augen öffnen ließ.
Das war nun schon viele Jahre her und er liebte seinen Beruf immer noch. Warum er ausgerechnet Kardiologe geworden war? Eine Laune des Schicksals, er selbst liebte und hasste sein Herz gleichermaßen.
Aidan war alleine in dem Umkleideraum und machte sich zur Frühschicht bereit. Seine Mitbewohner hatten im Penthouse noch geschlafen, als er es verließ. Der Pfleger wünschte, er hätte eine erholsame Nacht gehabt. Die Schicht endete gegen Mittag nach der Übergabe und er sehnte sich jetzt schon nach dem Feierabend.
„Guten Morgen Aidan“, begrüßte ihn die Nachtschwester auf der Kardiologiestation.
„Wie siehst du denn aus? Ganz blass und übermüdet. Kommst du gerade von einer Party?“
Der Arzt zuckte mit den Achseln: „Guten Morgen. Ist heute Nacht etwas besonderes vorgefallen, das ich wissen muss? Ansonsten beginne ich mit dem Kontrollgang.“
Die Station war zu dieser Morgenzeit noch still und friedlich, aber in den nächsten Stunden änderte sich dies, Frühstück wurde ausgeteilt, die ersten Untersuchungen fanden statt, Besucher kamen und gingen, die Visite wanderte von Zimmer zu Zimmer.
Aidans Zustand verschlechterte sich im Laufe des Vormittags. Er hatte Schwierigkeiten sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Es war nicht der Schlafmangel, sondern ein anderes Bedürfnis, das an ihm nagte.
„Guten Morgen Mrs. Taylor. Ich bin Dr. McKee und ich werde sie nun zum Behandlungszimmer begleiten. Heute bekommen sie ja ein Langzeit-EKG angelegt“, erklärte der Kardiologe. Vor ihm in dem Bett lag jedoch ein übergewichtiger Mann mit Schnauzbart und nicht Mrs. Taylor.
Der Mann schaute ihn erstaunt an, machte eine dumme Bemerkung, worauf der er eine Entschuldigung murmelte und den Raum verließ.
Reiß´ dich zusammen, befahl sich Aidan stumm. Aber in seinem Kopf gab es nur einen einzigen Gedanken und dieser überlagerte alles.
Er schaute auf das Klemmbrett mit den Notizen. Falsches Patientenzimmer erwischt. Zwei Türen weiter fand Aidan Mrs. Taylor in einem rosa Nachthemd im Bett sitzend. Die junge Frau war gestern mit akuter Atemnot eingeliefert worden und hatte nicht ganz so blasse und bläuliche Haut wie er.
Der Vormittag zog sich: Endlich kam sein Kollege von der Tagesschicht, dem er die Patientenakten übergeben konnte. Er wollte schon aus dem Schwesternzimmer hinaus gehen, als ihm eine neue Krankenschwester entgegen kam. Den Namen kannte er nicht, weil im St. Andrews Krankenhaus ständig das Personal wechselte.
„Bleiben Sie nicht? Ich habe Blaubeermuffins zum Einstand gebacken“, bat die neue Krankenschwester mit einem Augenaufschlag, der bei manch einem anderen seine Wirkung nicht verfehlt hätte.
„Nein, tut mir leid“, ein ungeduldiger Blick auf die Armbanduhr. „Ich habe einen dringenden Termin.“
Fast täglich gab es Kuchen oder Bagels von Ärzten, Pflegern oder Schwestern zum Einstand oder Ausstand oder jemand hatte Geburtstag. Er hasste diese Zusammenkünfte, denn er musste sich ständig um Ausreden bemühen.
Einmal hatte sich eine Kollegin an ihn gewandt und ihn auf seine wohl auffallende Essensverweigerung angesprochen. „Aidan, wenn du ein Problem hast, egal welches, hier ist meine Privatnummer. Du kannst mit mir reden.“
Er hatte den kleinen Zettel mit der Telefonnummer entgegen genommen und ihn im nächsten Papierkorb entsorgt.
Der Kardiologe war nicht magersüchtig, wie die Ärztin wahrscheinlich vermutete. Seine Sucht hatte nichts mit dem Nahrungsverzicht zu tun.
Die neue Schwester machte ein enttäuschtes Gesicht: „Schade. Ich kann Sie ja morgen bei Starbucks auf einen Kaffee einladen.“
„Ja, mal sehen. Ich muss jetzt los. Bye.“
Der Kardiologe kannte den Gesichtsausdruck der Ärztinnen und Schwestern, die ihn auf einen Kaffee einladen wollten und somit seine Nähe suchten.
Er war Single und war