Anita B.

Zwischen Hoffen und Zerbrechen - Ist mein Partner ein Narzisst?


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seinem zweiten Freigang im Juni letzten Jahres rief John den Anwalt an und bat ihn, den Porsche für ihn zu verkaufen. Den Erlös sollte ich für unsere Ausgaben hernehmen. Doch der Anwalt war leider nicht dazu bereit, John sollte sich bei seinen Ausgängen doch bitte selbst um den Verkauf seines Autos kümmern. Mein Angebot, ihm dabei zu helfen, lehnte John damals ab. Er wäre ja jetzt ohnehin bald jede Woche draußen und um die geschäftlichen Dinge wollte er sich selber kümmern. Ich war zu diesem Zeitpunkt froh drum, denn mein Terminkalender war ohnehin schon übervoll.

      Doch seit seiner Entlassung wurde der finanzielle Druck, der seit Beginn unserer Beziehung auf mir lastet, nicht weniger. Im Gegenteil, alle elektronischen Geräte, alle laufenden Kosten, seine Bahnfahrten und zuletzt noch völlig überraschend die Rechnung für die Druckerei, alles habe ich übernommen. Oft kann ich deshalb nachts nicht schlafen. Klar bestätigt John mir dann immer wieder, dass ich die Ausgaben zurückbekomme, sobald er das Auto verkauft hat. Ich habe ja finanziell auch gut vorgesorgt, aber eben nicht für diese Unmengen von Ausgaben. Wie oft ertappe ich mich dabei, dass ich mir selbst nicht mal mehr einen Cappuccino oder ein Eis gönne, wenn ich mit den Jungs unterwegs bin.

      An besonders emotionalen Tagen versucht mich meine Mom am Telefon aufzubauen. Sie ist sich sicher, dass John seine Versprechen in die Tat umsetzen wird. Auch ich bin davon überzeugt, die Frage ist nur wann? Im Knast kam für mich immer völlig überraschend die ganz große Enttäuschung, meist nachdem ich schon ewig auf fest zugesagte Ereignisse hingefiebert hatte. Nur damals konnte John nichts dafür. Zu diesem Zeitpunkt war er der Willkür der Beamten ausgeliefert und die saßen einfach am längeren Hebel. Aber jetzt haben wir es selbst in der Hand. Jetzt können wir wirklich etwas erreichen.

      John sitzt vor mir. Stolz wie Oskar, berichtet er mir von unseren neuesten Zahlen, Zahlen, die er früher mit keinem seiner Hefte annähernd erreicht hat. Ich nutze seine gute Laune, um ihn erneut auf unser Problem hinzuweisen. »Weißt du, ich mache mir einfach Sorgen, dass unsere finanziellen Probleme irgendwann so groß werden, dass sie sich auf unsere Beziehung auswirken.« »Was fängst du denn jetzt wieder mit der alten Leier an? Ich habe dir doch gesagt, dass du alles doppelt und dreifach zurückbekommst.« »Weil unsere Ausgaben sich seit du draußen bist mehr als verzehnfacht haben. Du versicherst mir zwar immer wieder, dass du diesen oder jenen Deal abgeschlossen hast, aber ich sehe davon nie einen Cent!« »Oh man Lara, entspann dich. Ich habe uns gerade einen Auftrag über zweihunderttausend Euro eingefahren. Was willst du eigentlich noch? Irgendwann ist aber auch mal gut. Keine Sorge, dein Sparstrumpf ist ganz bald wieder prall gefüllt.« Mit diesen Worten lässt er mich verletzt stehen.

      Eine Mischung aus Machtlosigkeit und innerer Unruhe überkommt mich. John weiß genau, wie sehr er mich mit dieser Aussage trifft. Manchmal glaube ich, er hat alles, was ich für ihn getan habe, schon vergessen.

      Ich gehe raus auf den Hof und rufe meine Mom an. Ihr Rückhalt tut mir gut: »Natürlich ist eine Firmengründung ohne fremdes Startkapital nicht leicht. Aber John arbeitet wirklich hart für euch. Meine Kollegen können nicht fassen, dass er bereits nach drei Monaten die erste Zeitschrift veröffentlicht hat.« »Mhm, ja«, gebe ich zu, »das war wirklich schnell. Auch die Verkaufszahlen steigen noch immer an. Und unsere Fans im Netz übertreffen alles, was wir uns im Vorfeld erhofft haben.«

      Langsam hebt sich meine Laune wieder etwas. »Ach ja, und weißt du was? Das Autohaus hat endlich einen Käufer für den Porsche.« Ich kann ihre Freude durchs Telefon förmlich spüren: »Das ist ja prima! Danach wird es euch besser gehen. Weißt du, John bedrückt es wirklich sehr, dass er dir immer noch auf der Tasche liegt. Das sagt er mir ständig.« »Ich weiß schon, mir auch. Ich will ja gar nicht so oft nachfragen, nur nervt es mich halt, wenn noch immer alle Ausgaben an mir hängenbleiben. Er bekommt doch jeden Monat Arbeitslosengeld und zusätzlich den Zuschuss für Unternehmensgründer. Naja egal, ich muss mich beeilen, die Jungs abholen.«

      Zurück in der Wohnung erzählt mir John, dass er diesen Monat die Miete übernehmen möchte. Ganz erstaunt frage ich, ob das wirklich okay für ihn ist, jetzt wo das nächste Heft übermorgen in den Druck geht. Wieder keimt in mir ein schlechtes Gewissen auf und ich habe keine Ahnung warum.

      Für unsere nächste Ausgabe beauftragt John überraschend eine andere Druckerei. Komisch, dabei war er doch so zufrieden mit dem ersten Heft. Aber diese Druckerei bietet wohl für denselben Preis ein sehr viel hochwertigeres Papier an. Mir soll’s recht sein, dieses Mal übernimmt er ja die Kosten für den Druck.

      Vor der nächsten Lieferung müssen wir uns um die unzähligen alten Hefte kümmern. Die liegen immer noch bei uns auf der Treppe. Ich möchte sie lieber heute als morgen entsorgen. John schüttelt den Kopf und will sie unbedingt aufheben. Im Keller wäre doch genug Platz. Ich verstehe nicht, wozu wir die alten Hefte aufheben müssen. Die interessieren keinen Menschen mehr. Außerdem stinken sie uns dann auch noch den Keller voll. John möchte sie für Marketingzwecke nutzen und hat sie seinem Freund Kai versprochen. Dieser hat ein Matratzengeschäft und will bei jeder Matratze, die er verkauft, ein Heft von uns dazulegen. Der »Matratzen-Kai«, wie John ihn nennt, ist wohl auch der einzige, der letztlich im ersten Heft für Werbung gezahlt hat.

      Drei Tage später ist die neue Lieferung da. Wieder das gleiche Spiel, zwei große Paletten mit Zeitschriften stehen vor der Haustür. John ist in München und kommt voraussichtlich erst am Abend zurück. Mir bleibt noch genug Zeit, die Kartons nach oben zu tragen, bevor ich die Jungs aus dem Kindergarten abholen muss. Ich frage mich nur, warum John erneut so viele Exemplare zu uns bestellt hat. Nach gut einer Stunde treppauf treppab habe ich alle Hefte hochgeschleppt. Geschafft gehe ich duschen.

      Danach blättere ich noch kurz durch unsere neue Zeitschrift. »Sieht echt nobel aus«, denke ich mir beim Durchblättern. Dabei kommen mir Lindas Worte in den Sinn: »Normalerweise steht ein riesiges Team hinter jeder Zeitschrift. Das ist unfassbar, dass ihr das alles zu zweit stemmt.« Bei diesem Gedanken werde ich traurig. Seit Wochen habe ich nichts von ihr gehört. Selbst ihre Eröffnungsfeier vom Laden habe ich nur hinterher im Internet verfolgen können, es waren hunderte von Gästen geladen, nur wir nicht. Was ist nur geschehen? Wir wohnen im selben Ort und sehen uns nie.

      Enttäuschung an Weihnachten

      Es ist unser erstes gemeinsames Weihnachtsfest seit Johns Entlassung. Letztes Jahr stand ich die ganzen Feiertage unter Hochspannung. Gleich nach dem Fest musste er wieder zurück ins Gefängnis und erst drei Wochen später sollte endlich seine Anhörung für eine vorzeitige Entlassung stattfinden. Zuvor hatte ich diesem Termin zwei Monate immer wieder neu entgegengefiebert. Der Ausgang dieser Anhörung war absolut ungewiss.

      Aber dieses Jahr sind wir alle zusammen, John ist bei uns und wir haben die härteste Zeit unseres Lebens hinter uns gelassen. Morgen kommt meine Mom, die Jungs sind heute noch bei ihrem Vater und werden pünktlich zur Bescherung hier sein. Ich möchte mich freuen und lege alle Geschenke unter den Weihnachtsbaum.

      Die letzten Tage waren für uns beide nicht leicht. Es kommt mir vor, als ignoriert John meine finanziellen Sorgen komplett. Entgegen seiner Zusage, diesen Monat die Miete zu übernehmen, wurden erneut alle laufenden Rechnungen von mir abgebucht. Wenn ich ihn darauf anspreche, weicht er mir aus. Dabei hat er in seinen Briefen stets geschrieben, dass wir immer über alles reden können.

      Und jetzt? Der Autoverkauf, der Uhrendeal, seine Kunden von früher, alle angekündigten Einnahmen verzögern sich. Sein einziger Kommentar dazu: »Das musst du verstehen, die zahlen leider alle erst im neuen Jahr.«

      Morgen ist Heiligabend. Warum nur stellt sich bei mir auch in diesem Jahr keine echte Vorfreude ein? Seit Wochen bereite ich alles vor, kümmere mich um die Geschenke, den Baum, Plätzchen backen, das Essen und natürlich die Kinder. John ist die ganze Zeit oben im Büro. Ab und zu kommt ein Post auf Facebook, der ihm jedes Mal überraschend viele Likes einbringt. Ansonsten ist es ruhig.

      Meine Mom kennt meine Sorgen. Sie möchte uns helfen und erklärt mir: » Lara, Künstler arbeiten ganz anders als wir und auch zu anderen Zeiten. Erst letzte Nacht, als ich auf die Toilette musste und nicht gleich wieder einschlafen konnte, habe ich gesehen, dass John immer noch online ist. Er möchte für euch etwas aufbauen, dir endlich