Anita B.

Zwischen Hoffen und Zerbrechen - Ist mein Partner ein Narzisst?


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ist nicht so tragisch, alle haben mir zugesagt, dass sie ab der zweiten Ausgabe einsteigen dürfen.«

      Am späten Abend, ich bin gerade am Einschlafen, kommt John ins Schlafzimmer und bittet mich diese letzten zwei Seiten noch Korrektur zu lesen. Schlaftrunken mache ich das Licht an und setze mich noch einmal eineinhalb Stunden hin, um jeden Fehler zu markieren. John geht sie anschließend am Rechner ausbessern und kommt danach zu mir ins Bett. Erschöpft aber glücklich schlafen wir gemeinsam ein.

      Endlich ist der große Tag gekommen. Das Heft ist abgeschickt und es gibt kein Zurück. Somit haben wir genau drei Monate nach Johns Entlassung unsere erste Zeitschrift auf dem Markt.

      Um neun war Abgabe, halb zehn ruft die Druckerei an. Sie können erst anfangen zu drucken, wenn die siebentausend Euro Anzahlung überwiesen sind. »Und wie willst du das jetzt machen?«, frage ich erstaunt. »Das weiß ich auch nicht, von einer Anzahlung war bisher nie die Rede. Früher habe ich das immer im Anschluss per Rechnung von den Einnahmen bezahlt. Aber das Heft muss dringend auf den Markt! Unsere Vertriebsfirma ist ebenfalls bereits gebucht.« »Oh man«, springe ich entsetzt auf. »Das kann doch nicht dein Ernst sein! Unsere viele Arbeit, so lange haben wir auf diesen Tag gewartet. So was muss man doch vorher abklären! Und was machen wir jetzt?« John zuckt nur mit den Schultern.

      Ich kann das gerade echt nicht glauben, ich muss mich setzen. Dann rede ich mir ein, wir sind eine Familie, am Ende des Tages ist es doch egal, von welchem Konto was gerade kommt. Ich ringe mich also dazu durch, diese Kosten auch noch zu übernehmen. Bringt ja jetzt nichts, hier sinnlos rumzusitzen und zu warten. Auf was auch? Woher soll John das viele Geld nehmen? Das Heft ist fertig und muss verkauft werden! Hauptsache, seine Kunden zahlen bald.

      Mein Spontanbesuch bei Linda

      Vier Tage später klingelt es an der Haustür. Ich kann es nicht glauben, es ist ein Vollstreckungsbeamter. Er will John sprechen und hat eine Rechnung von etwas über tausend Euro in der Hand. Dieser offene Betrag stammt wohl noch aus der Zeit vor seiner Inhaftierung.

      Die beiden gehen ins Nebenzimmer. Dort besprechen sie die Details, wie John mit kleinen monatlichen Beträgen diese und scheinbar noch einige andere offene Rechnungen abzahlen kann. Nach meinem anfänglichen Schock bin ich schließlich beruhigt, es handelt sich um monatlich fünf Euro, die John jetzt eben auch noch abstottern muss.

      Zuletzt geht der Gerichtsvollzieher in jedes Zimmer. Es läuft ab wie im Fernsehen, nicht einmal das Kinderzimmer lässt er dabei aus. Oben im Büro deutet er fragend auf den iMac mit dem riesigen Bildschirm und dem All-In-One-Drucker. »Sieht beides ganz neu aus. Sind das Ihre Besitztümer, Herr Jackson?« »Nein!«, antwortet John bestimmt. »Alles hier in dieser Wohnung gehört meiner Lebensgefährtin!« Ich nicke bestätigend. Die ganze Zeit über habe ich nur einen Gedanken: »Für seine alten Rechnungen zahle ich definitiv nicht auch noch!«

      Als der Typ wieder geht, grinst John übers ganze Gesicht und erzählt mir, dass die meisten Firmen seine offenen Rechnungen bereits abgeschrieben haben. Auch die anderen Gläubiger sind wohl happy, wenn John sich auf einen Vergleich einlässt. Somit werden seine Schulden von damals entweder gefünftelt oder sogar ganz erlassen.

      Ich kann Johns Freude nicht mit ihm teilen. Im Gegenteil, ich hatte keine Ahnung, dass er immer noch offene Beträge von früher hat. Ich dachte, dafür saß er im Gefängnis. Er kann doch nicht einmal seine aktuellen Ausgaben zahlen und jetzt auch noch das. John reagiert genervt: »Komm mal wieder runter, Lara! Es geht hier um monatlich fünf Euro. Keine Sorge, ich zahle meine Rechnungen zukünftig selbst!«

      In dem Moment klingelt es schon wieder. Die Lieferung unserer Hefte ist da. Gemeinsam laufen wir die Treppe nach unten.

      Mich trifft fast der Schlag. Vor unserem Hauseingang liegen zwei große Paletten voll mit Zeitschriften. »Ich dachte, du hattest eine Firma beauftragt, welche die Geschäfte direkt beliefert?« »Hab ich doch auch, diese hier habe ich zusätzlich bestellt! Wir sind halt sehr gefragt!«, grinst mich an und drückt mir einen dicken Kuss auf den Mund. Dann reißt er einen Karton auf, nimmt ein Heft heraus und blättert durch. Aufgeregt schaue ich ihm über die Schulter. Wow, unser erstes Magazin, was für ein tolles Gefühl!

      Danach tragen wir die insgesamt achthundert Zeitschriften die Treppe hoch und stapeln sie im Flur vor unserer Eingangstür. Nach einer Dreiviertelstunde sind wir fertig. Wir lassen die Tür unten offen, denn schon jetzt stinkt das ganze Treppenhaus nach Druckerschwärze.

      Ich nehme mir ein Heft und lege mich entspannt auf die Couch. Das ist es also, das MEN’S MAGAZINE, unser Baby! Enttäuscht stelle ich fest, dass John einige Fehler doch nicht ausgebessert hat. Fehler, die wir ihm mehrfach korrigiert zurückgegeben haben. Selbst auf den beiden Seiten, die ich ihm in der letzten Nacht unbedingt noch überarbeiten sollte, hat er vieles übersehen. Auf meinen frustrierten Blick hin, winkt er entspannt ab: »Das tut mir leid. Aber denk dir nichts, unsere Leser sind nicht so kleinlich. Für die zählt nur die Aufmachung.« »Wenn du meinst«, wende ich mich enttäuscht ab. Es fühlt sich abwertend an. Ich frage mich, wofür dann die viele Mühe, die meine Mom und ich uns gemacht haben. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass alle Leser so denken wie John.

      Ich schnappe mir drei Zeitschriften und bin auf dem Weg zu Linda. Bevor ich gehe, drückt John mir unsere aktuellen Anzeigenpreise in die Hand. Er bittet mich Linda zu fragen, ob sie uns Werbekunden bringen mag. Sie bekommt dafür zwanzig Prozent vom Anzeigenpreis. »Wow, das wären ja dann eintausend Euro pro Seite. Können wir uns das leisten?« »Ja logisch, das habe ich damals schon so gemacht. Wenn es mir gut geht, soll es denen, die mir helfen, ebenfalls gut gehen. Kannst du auch gerne deiner Mom ausrichten. Wenn sie uns Kunden bringt, wird sie sehr schnell richtig gut verdienen.« »Super Idee, ich bin mir sicher, dass wir mit beiden erfolgreich zusammenarbeiten werden. Aber trotzdem, eine Sache ist mir wirklich wichtig! Linda bekommt die Werbung für ihre Firma auf jeden Fall kostenlos.« »Na klar, Süße, das habe ich ihr doch eh schon versprochen. Ich frage mich nur, warum sie nicht bereits in der ersten Zeitschrift vertreten sein wollte.«

      Unangemeldet klingle ich bei Linda. Sie ist zu Hause und scheint ein wenig überrascht, mich zu sehen. Nach einer kurzen Umarmung, hole ich unser Heft aus der Tasche und drücke es ihr in die Hand. Sieht aus, als freut sie sich für uns. Auf jeden Fall ist sie sehr beeindruckt, dass unsere Zeitschrift bereits ab heute überall zu kaufen ist. »Aber John hat dir doch erzählt, dass Anfang September die erste Ausgabe rauskommen wird, oder?« Linda überhört meine Verwunderung. Stattdessen lobt sie unsere viele Arbeit: »Das ist ja Wahnsinn. Am Starnberger Anzeiger sitzt ein ganzes Team von Journalisten und Grafikern. Und der kommt trotzdem nur einmal im Vierteljahr raus. Wann habt ihr das denn alles gemacht?« »Puh«, stöhne ich, »eigentlich arbeiten wir seit Wochen Tag und Nacht.« »Das kann ich mir vorstellen, du siehst müde aus, Lara. Und sonst, geht’s euch gut?«, fragt sie mitfühlend. Ich möchte sie an unserer Situation teilhaben lassen, doch sie bekommt eine Nachricht und bittet mich kurz um Entschuldigung.

      Während ich warte, geht mir so vieles durch den Kopf, was ich gerne mit Linda besprechen würde. Doch als sie zurückkommt, fragt sie nicht mehr nach und gedanklich ist Linda schon wieder ganz weit weg. Traurig stelle ich fest, wie oberflächlich unsere Gespräche geworden sind. Noch nie habe ich mich in ihrem Beisein so unwohl gefühlt wie heute. Sie wirkt so distanziert.

      Dabei ist Linda neben meiner Mom die Einzige, die weiß, wie hart Johns Knastzeit für mich war. Wie es mir geht, seit er bei uns ist, scheint sie jetzt nicht mehr zu interessieren. Ich möchte ihr meine Bedenken wegen unserer immer mehr steigenden Kosten nicht aufdrängen. Außerdem hat John mir nahegelegt, wie wichtig es ist, dass wir nach außen hin gut dastehen und stets zeigen müssen, wie erfolgreich wir gestartet sind. »Aber Linda ist doch meine Freundin, und nicht irgendeine Geschäftspartnerin«, hatte ich John daraufhin geantwortet. Doch heute komme ich mir bei ihr irgendwie fehl am Platz vor.

      Ich stehe auf und hole die Unterlagen aus meinem Rucksack: »Schau mal, John hatte eine gute Idee. Du hast doch sicherlich viele Kontakte, die daran interessiert sind, ihre Produkte günstig zu bewerben.« Auf ihr verdutztes Gesicht hin, halte ich kurz inne: »Ja nein, also du natürlich nicht!«, stottere ich.