Anita B.

Zwischen Hoffen und Zerbrechen - Ist mein Partner ein Narzisst?


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trennen kann. In ein paar Stunden wird er entlassen. Endlich keine Vorschriften mehr, wir werden das erste Mal gemeinsam nach Hause fahren, ohne dass John am Ende des Wochenendes wieder zurückmuss. Nie im Leben hätte ich es für möglich gehalten. Zwei Jahre warten, das bin nicht ich! Aber ich habe es geschafft und erstmals in meinem Leben bin ich richtig stolz auf mich.

      Es ist Donnerstagmorgen, sieben Uhr. Zum letzten Mal stehe ich vor diesen Mauern. John ist noch nicht zu sehen. Ich warte im Auto, atme tief durch und lasse das vergangene Jahr Revue passieren. Ich bin ausgelaugt und fertig. Wie brutal waren all diese Wendungen, die mich jedes Mal völlig unvorbereitet trafen. Immer wieder fieberten wir auf die von John angekündigten Ziele hin, nur um dann doch kurzfristig einen Aufschub oder eine gänzliche Absage verarbeiten zu müssen. Unzählige Male hatten die Beamten der JVA aus verschiedensten Gründen urplötzlich anders entschieden. Mich hat jeder einzelne Rückschlag emotional niedergeschmettert.

      Gleichzeitig habe ich John für seine positive Grundeinstellung und seinen Optimismus bewundert. Mit seiner Liebe zu mir und den Kindern konnte er mich immer wieder auffangen. Er gab mir Kraft, doch wirklich lösen musste ich alle Probleme allein.

      Ich schaue auf die Uhr, es ist zehn nach sieben. In dem Moment geht die Tür auf. Mein Herz schlägt wie wild. John kommt schwer bepackt mit einer Kiste und einer großen Tasche auf mich zu. Erwartungsvoll steige ich aus dem Auto. So fühlt sich dieser Moment also an. Die härteste Zeit unseres Lebens haben wir hinter uns. Ab jetzt beginnt sie, unsere gemeinsame Zukunft.

      Ich strahle vor Glück. Und dennoch, alles läuft viel nüchterner ab, als ich mir das vorgestellt hatte. John gibt mir einen Kuss, stellt sein Gepäck ins Auto und wir fahren los. Aber was erwarte ich? Wir haben uns lange genug auf diesen Tag vorbereiten können. Trotzdem, eine innige Umarmung und ein persönliches: »Danke für alles«, wären das Mindeste, was ich mir heute von John gewünscht hätte.

      Völlig ausgelaugt und doch wahnsinnig glücklich

      Wie schön es sich anfühlt, wir sind endlich eine richtige Familie. Die Jungs weichen John nicht von seiner Seite. Anfangs können sie es kaum glauben, dass er jetzt tatsächlich für immer bei uns bleibt. »Nein ihr Süßen«, kann ich sie beruhigen. »John muss nach dem Wochenende nicht wieder weg. Er bleibt hier und morgen fahren wir für zwei Tage zum Zelten.«

      Die ersten Wochen unternehmen wir alles gemeinsam. Wir bringen die Kinder in die Kita, gehen zusammen einkaufen, kochen miteinander, zum Kinderturnen begleitet er uns und an den Wochenenden machen wir Ausflüge in die Berge oder an den See. Endlich macht das Leben wieder Spaß. Auch die Jungs sind glücklich und ausgeglichen wie nie zuvor. Sie springen John in die Arme, wenn wir sie abholen. Kochen und Abendessen läuft selbst unter Zeitdruck harmonisch ab. Abends liest John den Jungs noch eine Gute-Nacht-Geschichte vor, während ich die Küche aufräume. Kurzum, wir sind jetzt eine richtige Familie.

      Außerdem vergeht kein Tag, an dem John nicht von unserem künftigen Glück zu fünft spricht, gemeinsam mit einem Nesthäkchen »Lina«. Er ist sich sicher, dass es ein Mädchen wird und nimmt beim Einkaufen bereits die ersten rosa Babysachen in die Hand. »Ich bin doch noch nicht einmal schwanger!«, stoppe ich ihn und lege die Strampler zurück ins Regal. »Mit achtunddreißig bekommt man nicht mehr so leicht ein Baby.« Da grinst er mich an und sagt: »Schau mal, wen du an deiner Seite hast!« Ich lache es weg und denke laut: »Was für ein Macho!«

      Aber ich liebe diesen Macho. Und dieses tägliche Begehren fühlt sich gut an, verdammt gut sogar. John weiß, wie sehr ich all die Jahre unter den Aggressionen und der gleichzeitigen Gefühlskälte meines Ex gelitten hatte. All das ist jetzt vorbei. Ich bin rundum glücklich.

      Es ist neun Uhr morgens, ich bin noch im Schlafanzug. John bringt die Jungs in die Kita und kommt mit Weißwürstchen nach Hause. Ich freue mich so sehr, endlich habe ich diesen liebevollen Mann für immer bei mir. Wir frühstücken ganz in Ruhe, mit Kerzenlicht und einer Rose auf dem Tisch. Das Leben kann so schön sein.

      Nachdem die letzten beiden Jahre nicht nur emotional sondern auch finanziell sehr aufreibend waren, bin ich bei unserem heutigen Familieneinkauf umso dankbarer. John hat das erste Mal eigenes Geld in der Hand. Er bezahlt an der Kasse von seinem sogenannten Überbrückungsgeld. Diese Situation ist für mich noch völlig neu.

      Zwei Jahre musste ich alles für ihn übernehmen, die monatlichen Einzahlungen im Knast, das Porto von uns beiden für die beinah täglichen Briefe, alle Autofahrten und Zugtickets, die Umzüge, die Miete sowieso und schließlich noch die Kosten für Johns Anwalt.

      Heute ist es nur ein Einkauf, und dennoch, es fühlt sich gut an und ich bedanke mich. Stolz zeigt John mir seinen Besitz. »Schau mal, ich habe bei meiner Entlassung tausendsechshundert Euro bekommen, da kann ich doch wenigstens unser Essen bezahlen. Schlimm genug, dass du so lange alles für mich vorschießen musstest.« »Na, diese Zeiten sind ja jetzt zum Glück vorbei«, lache ich und gebe ihm einen dicken Kuss.

      John muss beruflich wieder bei null anfangen

      Im Knast schrieb er in beinahe jedem Brief, dass er es kaum erwarten kann, mich endlich zu unterstützen und mir alle für ihn geleisteten Ausgaben doppelt und dreifach zurückzuzahlen.

      Doch jetzt heißt es erst einmal Ärmel hochkrempeln und neu starten. Ich bewundere John für seine unzähligen Ideen, wie er schnellstmöglich Geld verdienen möchte. Er regelt momentan alles von zu Hause aus und hat obendrein sehr viel Zeit für mich und die Jungs. Ein echter Traummann eben!

      Den Grundstein für seinen beruflichen Neubeginn hat er bereits vor Monaten gelegt. Noch während seiner Zeit in Kaisheim habe ich ihm seine Wunsch-Domäne www.druckbar.de gesichert. Eigentlich wollte er diese Webseite schon im letzten Jahr aufbauen, nur leider waren die Wochenenden stets zu kurz. Außerdem stellte sich heraus, dass er bis zu seiner Entlassung offiziell nicht arbeiten dürfe.

      Aber jetzt ist er draußen, hat sein Gewerbe angemeldet und kann ab sofort loslegen. Als erstes sucht er sich einen hochwertigen iMac mit extragroßem Bildschirm aus und zeigt ihn mir online: »Den müsstest du mir bitte vorerst noch auslegen, da ich ja leider noch kein Geld auf meinem Konto habe. Ich kann bei Apple aber nur mit Vorkasse oder Kreditkarte bestellen.« Überrascht darüber, wie teuer der im Vergleich zu einem normalen PC ist, murre ich: »Mhm. Erst gestern habe ich die Rechnung für dein neues iPhone übernommen. Auch das brauchtest du dringend für die Arbeit.« » Süße, es tut mir leid, dass mein Arbeitslosengeld noch nicht auf dem Konto ist. Du bekommst alles zurück. Mit Zinsen!« »Ja, aber muss es denn unbedingt so ein riesiger Bildschirm sein?« »Lara, du weißt doch, dass ich zum Entwerfen unserer Zeitschrift ein Grafikprogramm brauche. Und der große Bildschirm ist zum Arbeiten Pflicht. Bringt doch auch nichts, wenn wir jetzt erst etwas Günstiges holen, nur um in ein paar Wochen schon wieder Geld ausgeben zu müssen. Wir schreiben ihn am besten gleich auf die Firma, dann können wir uns ein Drittel über die Steuer zurückholen.« Ich willige ein.

      Das Logo für die druckbar hat John bereits in Kaisheim entworfen. Heute bestellt er fünfhundert Visitenkarten. Auf mein erstauntes Nachfragen, warum es gleich so viele sein müssen, bekomme ich zur Antwort: »Du Dummerchen, weil das viel günstiger ist, als mehrfach im Jahr zu bestellen.« Leicht genervt drehe ich mich weg und bin froh, dass er diese Rechnung selbst übernimmt. Bereits zwei Tage später sind die Visitenkarten da.

      Nachdem wir die druckbar bereits seit fünf Monaten haben, möchte John heute endlich mit der Webseite beginnen. Gemeinsam überlegen wir, welche Produkte wir anbieten und wie wir die Webseite aufbauen. Irgendwann, als unsere Liste vorerst komplett ist, sprechen wir über die Preise. Da klingt John das erste Mal ganz anders als bisher: »Lara, wir müssen unsere Produkte extrem günstig anbieten, nur dann können wir uns von der riesigen Konkurrenz im Netz abheben.« Das leuchtet mir ein, ich nicke bestätigend. Da fährt John zögernd fort: »Ja, ich weiß, du hast schon recht, das ganz dicke Geld werden wir mit der druckbar nicht erzielen können.« Ich verstehe nicht richtig, worauf er hinaus will. Wir waren uns doch seit Monaten einig, die druckbar sollte