Juryk Barelhaven

Wrong turn


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nicht schon mit wenigen Worten das Unheil in groben Zügen beschrieben, konnte er sich jetzt vor Ort überzeugen, dass mit Roxanne nicht gut Kirschen essen war. Er konnte förmlich riechen, wie sie Ärger zum Frühstück verspeiste und mittags eine doppelte Portion verlangte… nur, um dann am Abend die Welt in Brand zu stecken.

      Sie spuckte ein Kaugummi aus und blickte interessiert nach oben, als wäre ihr bei einem Spaziergang eine interessante Kleinigkeit am Wegesrand aufgefallen. Erstaunt zog sie die Luft ein. „Ich hätte nicht gedacht, dich unter diesen Umständen wiederzusehen.“

      Max spürte, wie sich seine Mundwinkel automatisch nach oben zogen.

       Sie erinnert sich an mich.

      Der Rationale Teil in ihm wollte fliehen. Runter vom Planeten und wieder ins gemütliche Büro im Vakuum, wo Akten gesichtet und vom Schreibtisch Einsätze geplant wurden. Das Aufregendste hier war eine Abmahnung gewesen, die aber nach einem persönlichen Gespräch wieder zurückgenommen wurde.

      Der Romantische Teil jedoch bewunderte ihren Stil. Den hatte sie. Trotz der verwahrlosten und verhärmten Gruppe um sie herum wirkte sie wie eine typische Unternehmerin in einem der besseren Viertel von Beverly Hills.

      Außerdem hatte er einen Wahnsinnsausblick in ihren Ausschnitt…

      Er schluckte trocken und leckte sich über die Lippen. „Ja, tut mir leid.“

      Alle Blicke richteten sich nach oben und schienen eins zu vermitteln: Was geht uns das an, wie du dich dabei fühlst? Gleich bist du tot. Du weißt es nur noch nicht.

      „War nicht so geplant…“

      „War es geplant, dass du dich mit meinem Laboranten verdrückst? Max, richtig? Ich will ihn wiederhaben.“

      Er überlegte fieberhaft, was er sagen sollte. Er musste sich ihr erklären. Also die Wahrheit: „Michel Brown hat eine Vorgeschichte. Es gibt Leute, die sich dafür interessieren.“

      „Tja, das ist Mist.“ Sie zuckte mit den Schultern und schien sich ihren Teil dabei zu denken. „Ich will es kurz machen, Max: ich sehe eine Treppe zum Dach und habe zwanzig Gewehrläufe. Am besten, ihr kommt runter.“

      „Ich habe nur eine Frage…“

      „Was?“

      „Was ist deine Lieblingsmusik?“

      Stille.

      Einer ihrer Männer zischte etwas, und die anderen lachten leise. Auch Roxanne lächelte kopfschüttelnd. „Nimmst du das hier nicht ernst, Max?“

      „Ich liebe Cant´t help falling in love von Elvis Presley.“

      Hansen hinter ihm starrte ihn an, als hätte er den Verstand verloren.

      Roxanne lachte über einen Witz, den jemand in ihrer Nähe riss. „Du lockerst die Situation ziemlich auf. Aber ja, gutes Stück. Das gebe ich zu.“

      „Kannst du es für mich singen?“

      Einige Männer und Frauen legten den Kopf schief oder warfen sich verwirrte Blicke zu.

      Sie starrte hoch und wurde schlagartig ernst. „Ein andermal. Jetzt wird es brutal.“ Sie nahm die Sonnenbrille herunter. „Bei drei seid ihr unten, oder…“

      Selbst aus der Entfernung konnte er ihren eiskalten Blick spüren. Sie würde nicht zögern, die bewaffnete Meute ihnen auf den Hals zu schicken.

       So kalt.

       So tödlich.

       Eine Wahnsinnfrau.

      „Mir gefällt Try von Pink auch sehr gut“, krächzte er leise und wusste, dass er bald jeglichen Respekt vor sich selbst verlieren würde.

      Sie blinzelte verstört, richtete ihren scharfen Blick zur Seite.

      Jetzt lachte niemand mehr. Das scharfe Durchladen von Waffen wurde laut. Ein Gewitter mit viel Blei kündigte sich an, und niemand würde daneben schießen.

      „Du hast elf Männer getötet, Max. Das kann ich nicht durchgehen lassen.“ Sie nickte ihren Leuten zu. „Holt mir ihre Skalps“, dröhnte sie tief. Sie wandte sich ab und schnippte mit den Fingern. Wie auf Kommando stürmten die ersten vor und rannten nach oben.

      „Und Brown?“ fragte jemand neben ihr.

      Roxanne begriff die Frage nicht. „Was? Nein, lebend natürlich. Los, geh schon.“ Sie blickte ihnen nach und schüttelte den Kopf, setzte sich hin und zündete eine Zigarette an.

      Als sie die Kippe austrat, kamen ihre Männer langsam wieder herunter. „Das haben sie da gelassen.“

      Roxanne starrte auf das einfache Klapphandy und den beigefügten Zettel, auf dem jemand in ungelenker Schrift geschrieben hatte: Ruf mich an.

      „Ist das ein Smiley daneben?“ wollte einer der Männer wissen und beugte sich vor.

      Roxanne war nicht dumm, aber diese Art von Dreistigkeit erstaunte sie.

      „Nein, das ist das Gesicht eines ziemlich großen Idioten.“

       Was stimmte mit dem Kerl nicht?

      3. Kapitel

      Der Dauerlauf über die Dächer mit einem bewusstlosen Brown war eine nervenaufreibende, sehr schweißtreibende Angelegenheit. Wieder und wieder liefen die beiden über rutschige Pfannen, sich vorsehend, dass sie nicht das Gleichgewicht verloren und aufpassend, dass sie nicht entdeckt wurden. Endlich entdeckten sie eine Leiter, an der sie umständlich hangelnd den Bewusstlosen runterließen, als wäre er das Wichtigste in ihrem Leben. Mehr ums andere Mal musste Max mit dem zusätzlichen Gewicht auf seinen Schultern verschnaufen und fluchte leise vor sich hin.

       Irrsinn.

       Kompletter Blödsinn.

      Immer wieder tauchten sie in den Schatten ab, um von vorbeieilenden Gruppen nicht entdeckt zu werden. Dabei nutzte Max sein implantiertes Headset und wurde vom eifrigen Assistenten durch die engen Häuserschluchten geleitet. Nach mehreren Stunden kam sich Max wie die berühmte Spielfigur PacMan vor, wie sie durch ein Labyrinth bloß nicht den Geistern begegnen durfte. Zum Glück hatte Hansens Schießwut einen Dämpfer bekommen. Jetzt verhielt er sich still und nachdenklich, wofür Max im Stillen Gott dankte.

      Ausgehungert, frierend und völlig am Ende fanden sie in einer aufgegebenen Werkstatt eine Unterkunft. Zum ersten Mal lächelte Fortuna ihnen zu: ein heruntergekommener Streifenwagen parkte unter einer Folie. Nach mehreren Aussetzern sprang der Motor an.

      Der Streifenwagen raste mit abgeschalteten Scheinwerfern über ein verlassenes Stück des mondbeschienen Highways, ein Geisterauto in einer Welt, die für die Verfluchten und Sterbenden gedacht war.

      Luft wirbelte durch das eingeschlagene Fenster, während Max am unterbrochenen Mittelstreifen entlangschoss.

      „Kannst du überhaupt etwas sehen?“

      Max würdigte Hansen keine Antwort. Trotz der schmerzenden Gelenke und seinem Verlangen nach Nahrung brodelte ein Quell nie gekannter Zorn in ihm, den er erstmal verdauen musste. Sonst würde es heute noch mindestens einen Toten mehr geben. Er musste dem Vorstand von SpaceTec berichten, und wenn es ihm seinen Job kostete… dann sollte es so sein. Irgendwie würde Max schon zurechtkommen.

      Und er dachte an Roxanne.

      Warum diese Besessenheit?

      Max kam zu dem Schluss, dass er schon viel zu lange einsam gewesen worden war. Seine Mutter hatte sich nie viel Zeit für ihn genommen. Es hatte viele Probleme gegeben. Die Militärakademie hatte ihn dem nötigen Abstand von seinem schwierigen Elternhaus gebracht, aber im Gegenzug mit harter Arbeit belohnt, die keine Zeit für Beziehungen ließ. So kletterte Max Snow die Karriereleiter hoch, trank Bier mit Freunden oder ging in die Stadien, um seinem Hobby Fußball zu frönen – doch