Ute Dombrowski

Neues Vertrauen


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beiden lachten und es fühlte sich gut an. Dann verabschiedete sich Susanne.

      „Ich muss auch noch in die Kita. Wir können uns heute zum Abendessen treffen und alles weitere bereden. Einverstanden?“

      „Gern, dann komme ich wieder hierher. Ansonsten finde ich mich noch nicht so gut zurecht. Bis später.“

      Karin gab ihr einen Schlüssel, danach hüpfte Susanne fröhlich die Treppe hinunter und lief durch die Altstadt. Sie fühlte sich immer besser. Plötzlich endete die Straße und gab den Blick auf den Rhein frei. Susanne hatte in Potsdam auch viel Wasser um sich herum gehabt, aber der Rhein, breit und erhaben, machte großen Eindruck, wie er so dahinfloss. Es war kühl, aber Susanne setzte sich auf eine Bank und ließ sich den Wind um die Nase wehen. Sie zog die Kapuze enger und schloss die Augen.

      „Willkommen, neues Leben.“

      Entschlossen nahm sie ihr Handy und wählte Phillips Nummer. Eine Frauenstimme meldete sich.

      „Huhu, Philli“, quiekte sie, „deine Susi ist dran.“

      Susanne schwieg atemlos, bis Phillip endlich mit ihr sprach.

      „Was soll das?“, fauchte sie in den Hörer. „Du blöder Arsch hast dir gleich eine neue Tussi ins Haus geholt oder was war das eben?“

      „Du warst nie eine Tussi, Schatz, und das war eben eine nette Kollegin, ein Modell für die Kunst, also keine Panik.“

      „Ja, klar. Und morgen ist Ostern. Aber ich will dir eines sagen: Ich bin hier angekommen und es geht mir gut. Ich habe eine Wohnung gefunden und werde übermorgen anfangen zu arbeiten.“

      „Das ist doch schön. Willst du mich zu Weihnachten besuchen?“

      „Nein, das will ich nicht. Ich denke, wir sollten uns trennen. Du kannst gern weiter mit deinen Modell-Häschen spielen und ich baue mir eine Zukunft auf. Ohne dich und deinen Egoismus.“

      „Ach ja, ich bin egoistisch? Ich habe keine Scheiße gebaut und musste wegziehen, also halte mal schön den Ball flach. Wochenlang, monatelang habe ich deinen Stress ertragen und mich um dich gekümmert. Du bist undankbar und das nenne ich egoistisch.“

      „Du hast dich um mich gekümmert? Wann denn? Du bist mir aus dem Weg gegangen und hast mich ignoriert, sonst hättest du ja Rückgrat haben und Stellung beziehen müssen.“

      „Für mich ist dieses Gespräch jetzt beendet. Ruf wieder an, wenn du dich beruhigt hast.“

      Phillip hatte einfach aufgelegt. Susanne sprang auf und wollte wütend das Handy in den Rhein werfen. Im letzten Moment griff eine Hand nach ihrem Arm.

      „Nanana, das Handy kann nichts dafür.“

      Susanne drehte sich um und sah in leuchtend blaue Augen, blonde Locken umrahmten das freundliche Gesicht. Der Mann passte eher nach Hawaii als in das winterliche Eltville. Er trug Jeans und einen dunkelgrünen Winterparka.

      Sie wollte sich bedanken, aber der Mann war mit schnellen Schritten weitergegangen, weg von der Altstadt. Susanne atmete tief durch und bedankte sich innerlich, denn ohne Handy wäre sie wirklich aufgeschmissen gewesen, zumal sie sich auch noch bei ihrem Chef melden musste. Sie verfluchte Phillip und lief zu ihrer Ferienwohnung, um Pläne zu machen, was sie für ihre neue Wohnung bräuchte.

      „Ich werde so schnell es geht umziehen, dann bin ich Weihnachten nicht allein.“

      5

      Lia lag im Bett und wollte gerade aufstehen, als plötzliche Kopfschmerzen sie zurück ins Kissen sinken ließen. Ihr war gestern Abend schon nicht sehr wohl gewesen, aber sie hatte es auf das Wetter geschoben. In letzter Zeit waren die Anfälle häufiger gekommen, dabei hatte ihr Arzt nichts einzuwenden gehabt, dass sie über Weihnachten und Neujahr zu ihrer Schwester nach Italien fahren wollte.

      „Oh Mann“, stöhnte sie.

      Sie wollte ausschlafen, dann eine Fahrkarte kaufen und sich zum Kaffee mit Karin treffen. Seit heute hatte sie Urlaub. Am Schrank stand der halb gepackte Koffer. Die Kinder hatten ihr gestern alle noch ein selbstgemaltes Bild geschenkt. Jetzt versuchte Lia sich aufzusetzen, doch der Schmerz pochte hinter ihrer Stirn und alles drehte sich vor ihren Augen. Die Aura aus Regenbogenfarben, die sich vor ihrem linken Auge aufbaute, war immer ein Zeichen, dass ein großer Anfall bevorstand. Der Lichtkreis wurde größer und intensiver, breitete sich über das gesamte Sichtfeld auf der linken Seite aus. Nervös tastete sie nach ihrem Handy.

      Bei Karin nahm niemand ab. Sie war auf der Arbeit und hatte ihr Handy sicher nicht eingeschaltet. Wo lagen die Tabletten? Im Bad. Dorthin zu gehen wäre jetzt viel zu gefährlich, denn bei einem Anfall konnte sie jederzeit krampfend zusammenbrechen. Angst breitete sich in ihrem Körper aus, doch sie zwang sich, ruhig zu bleiben. Sie lauschte ihren Atemzügen, die gleichmäßig waren. Ihr Herz klopfte schnell.

      Lia schickte Karin eine Sprachnachricht, dann legte sie das Handy weg und schloss die Augen in der Hoffnung, der Anfall möge schnell vorübergehen. So heftig war es lange nicht mehr gewesen. Einen Moment später drehte sich alles, der Schmerz im Kopf hielt an und jetzt verhärtete sich ihr Nacken. Die Panik wollte sich ihren Weg suchen, aber sie kämpfte dagegen an.

      Endlich klingelte das Telefon und Karin war dran.

      „Lia! Was ist los? Ich habe Bescheid gesagt und bin gleich bei dir. Halte durch! Soll ich den Arzt rufen?“

      „Nein“, murmelte Lia. „Danke, dass du kommst.“

      Dann legte sie auf und lag weiter ganz still. Karin hatte einen Schlüssel und stand zwanzig Minuten später im Schlafzimmer. Sie setzte sich zu Lia ans Bett.

      „Der Anfall ist vorbei, aber ich bin sehr schwach und müde. Das war dieses Mal total anstrengend. Schön, dass du hier bist.“

      „Mach die Augen zu und ruh dich aus. Brauchst du etwas?“

      „Die Tabletten aus dem Bad.“

      Karin lief hinaus und kam mit einer Schachtel zurück, in der mehrere Medikamente standen. Lia zeigte auf eine blaue Dose mit weißem Deckel. Karin holte ein Glas Wasser aus der Küche und hielt den Kopf ihrer Freundin, während sie zwei kleine weiße Pillen schluckte. Dann sank Lia zurück ins Kissen und atmete tief ein und aus.

      Karin drehte die Pillen-Dose in den Händen hin und her.

      „Sind das die Dinger, die es nicht mehr gibt?“

      „Nein, nein, mach dir keine Gedanken, der Doc besorgt sie mir schon. Jetzt ist mir besser, ich schlafe ein bisschen. Kannst du hierbleiben? Tut mir leid, dass wir nicht Kaffee trinken können.“

      Karin strich ihr über das Haar und rückte die Decke zurecht, dann setzte sie sich in den Sessel ans Fenster und wachte über Lias Schlaf. Ihre Gedanken gingen spazieren. Wie es wohl werden würde mit der neuen Mitbewohnerin? Hatte sie sich vorschnell entschieden? Aber sie hatte ein gutes Gefühl gehabt und diese Susanne war ihr auf Anhieb sympathisch gewesen.

      Karins Blick fiel auf die Medikamente. Sie nahm sie vom Nachttisch zu sich und stellte die einzelnen Dosen und Packungen auf das Fensterbrett. Es gab etwas gegen Durchfall, auch Hustentropfen erkannte sie, dazu Ibuprofen, was wohl jeder in seiner Hausapotheke hatte. Die Pillen, die gegen Lias Anfälle helfen sollten, waren in den blauen Dosen. Es befand sich keine Beschriftung darauf und Karin schüttelte den Kopf.

      „Wenn das nicht von einem Arzt käme, würde man denken, das ist irgendetwas Illegales. Mir würde das Angst machen, unbeschriftete Pillen zu schlucken. Gott sei Dank helfen die.“

      Oder auch nicht? Eigentlich hatte Lia erklärt, dass diese Medikamente den Anfällen vorbeugen sollten. Und dann schluckte Lia sie nach einem Anfall? Das war unlogisch. Karin nahm sich vor, der Sache auf den Grund zu gehen, aber so, dass es Lia nicht mitbekam. Sie wollte ihr keine Angst machen und ihr Verhältnis zum Arzt sollte nicht erschüttert werden. Wenn man so krank war wie die Freundin, dann war das Vertrauen zum Arzt sehr wichtig. Und Lia vertraute Dr. Miltzer total. Aber Karin