Ute Dombrowski

Neues Vertrauen


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sich sofort gemocht und Karin wusste beim ersten Gespräch, dass sie Freundinnen werden würden. Als sie erfuhr, wie krank Lia war und ist, kümmerte sie sich öfter und sehr gern um sie. Sie hatten ausgemacht, dass Karin im Notfall der Ansprechpartner ist.

      „Ob der Arzt wirklich so unspektakulär aussieht, wie Lia immer sagt?“

      Sie nahm ihr Handy und gab seinen Namen in die Suchmaschine ein. Es ploppten einige Beiträge auf, aber nirgends gab es ein Bild von Dr. Gero Miltzer, nicht mal auf der Homepage seiner Praxis. Karin seufzte.

      „Schade, ich hätte ihn mir gern angesehen.“

      Zwei Stunden später bewegte sich Lia und hob den Kopf.

      „He! Danke, dass du noch da bist.“

      Karin setzte sich wieder ans Bett ihrer Freundin.

      „Wie geht es dir jetzt?“

      „Wie lange habe ich geschlafen?“

      „Über zwei Stunden. Magst du etwas essen oder trinken?“

      „Ich möchte aufstehen und aufs Klo. Dann sehen wir weiter.“

      Lia kam vorsichtig hoch und um sie herum blieb alles ruhig. Sie setzte sich hin, schwang die endlos langen Beine aus dem Bett und hielt sich beim Aufstehen an Karin fest. Dann stand sie aufrecht, wackelte ein paarmal mit dem Kopf und nickte.

      „Es ist wieder gut. Kam doch nicht so heftig, wie ich dachte.“

      Lia ging ins Bad und Karin in die Küche, wo sie zwei Scheiben Toast in den Toaster schob. Dann stellte sie Butter und Marmelade auf den Tisch und nahm Teller und Messer aus dem Schrank. Als Lia, noch im Nachthemd, in die Küche kam, lächelte sie.

      „Ach Karin, wenn ich dich nicht hätte. Danke für deine Hilfe.“

      Sie aßen und tranken Tee, dann grinste Karin.

      „Ich wollte mit dir Kaffee trinken, weil ich eine Neuigkeit habe.“

      Lia war ganz Ohr.

      „Ich habe gestern bereits eine Mitbewohnerin gefunden.“

      Jetzt berichtete Karin ausführlich und sah dabei die Freude in Lias Augen.

      „Das ist toll! Siehst du, und so schnell!“

      „Das dachte ich auch, aber es war wie Schicksal, dass Susanne beim Bäcker saß, ausgerechnet dort, wo ich die Anzeige aufhängen wollte. Wir sind uns rasch einig geworden.“

      „Wann lerne ich sie mal kennen? Wann zieht sie ein?“

      „Ich habe ihr einen Schlüssel gegeben. Sie fängt morgen an zu arbeiten, aber ich denke, du bist schnell wieder so fit, dass du zu mir kommen kannst, oder? Dann stelle ich sie dir vor und wir essen etwas Kleines zusammen.“

      „Gerne, Karin, ich bin so stolz auf dich. Siehst du, wie du dein Leben selbst in die Hand nehmen kannst?“

      Karins Blick wurde bei Lias Worten weich.

      „Wenn du mir nicht ständig Dampf gemacht hättest, würde ich immer noch in der großen Hütte sitzen und Trübsal blasen. Aber jetzt denke ich, dieser Mann hatte mich einfach nicht verdient und ich bin besser dran ohne ihn. Ich habe einen tollen Job, die beste Freundin der Welt und auch noch eine interessante Mitbewohnerin.“

      „So seid ihr Weihnachten nicht allein.“

      Lia wurde mit einem Mal sehr traurig.

      „In diesem Zustand kann ich unmöglich so weit reisen.“

      Tränen traten ihr in die Augen und Karin legte ihr eine Hand auf den Arm.

      „Meinst du? Du hattest dich doch so gefreut.“

      „Ich muss morgen Dr. Miltzer fragen. Aber es nützt ja nichts, wenn ich auf der langen Fahrt einen Anfall bekomme.“

      „Wenn das nicht klappt, dann feiern wir Weihnachten gemeinsam.“

      „Danke, das ist lieb. Aber vielleicht erlaubt er mir ja auch zu fahren.“

      „Ich drücke dir die Daumen.“

      Die beiden saßen bis zum Abend zusammen. Karin hatte mit Susanne telefoniert und machte sich dann auf den Weg nach Hause, wo die neue Mitbewohnerin schon wartete.

      6

      Ferdinand war verärgert, weil sich Susanne Wescham noch nicht bei ihm gemeldet hatte. Er saß am Schreibtisch, trommelte nervös mit den Fingern auf die Tischplatte und überlegte, ob er ihr eine weitere Nachricht schicken sollte.

      Jetzt hob er den Kopf, weil es klopfte. Eine Frau Mitte dreißig, deren braune Haare in einem dicken Zopf über ihre rechte Schulter fielen, sah ihn ernst an und trat ein. Ihre vollen Lippen hatte sie aufeinandergepresst und eine merkwürdige Unruhe ging von ihr aus.

      „Susanne Wescham, die Neue.“

      Ferdinand winkte sie zu sich. Auch er schaute ernst, denn er war misstrauisch, nachdem er mit ihrem ehemaligen Vorgesetzten geredet hatte.

      „Ferdinand Waldhöft. Ich hatte sie früher erwartet.“

      Es sollte nicht vorwurfsvoll klingen, doch Ferdinand hatte den Tonfall nicht getroffen, sodass sich Susannes Blick direkt verdüsterte.

      „Na, jetzt sind Sie ja da“, versuchte er mit einem Lächeln das Gesagte milder klingen zu lassen. „Setzen Sie sich!“

      Susanne nahm vor dem Schreibtisch Platz. Ihr neuer Chef musste Mitte vierzig sein. Das dunkle Haar war kurz geschnitten, erste graue Strähnen fanden sich an den Schläfen und seine grauen Augen strahlten eine gewisse Wärme aus. Sie musterten sich einen Moment, dann begann Ferdinand.

      „Herzlich willkommen in Eltville, ich hoffe, Sie hatten eine gute Anreise.“

      „Ja, danke, es lief gut. Ich habe sogar schon eine Wohnung, das war purer Zufall und darum konnte ich mich auch nicht früher melden.“

      „Sie brauchen keine Ausrede …“

      „Das ist keine, so etwas habe ich nicht nötig. Ich wollte erstmal ankommen. Schließlich wurde mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt.“

      „Woran Sie nicht ganz schuldlos sind. So war das auch nicht gemeint. Ich hatte nur gehofft, dass ich Ihnen alles in Ruhe zeigen kann und ich dachte, dass Sie vielleicht noch Hilfe brauchen.“

      Susanne war immer noch angespannt.

      „Wenn Sie mir die Sache, wegen der ich hierher versetzt wurde, jeden Tag vorwerfen, hänge ich den Job an den Nagel. Das wollte ich Ihnen nur sagen. Ich möchte einen Neuanfang, der auch wirklich so gemeint ist.“

      Ferdinand musste grinsen. Diese Frau war aus gutem Grund versetzt worden, sie hatte Glück, dass sie nicht aus dem Dienst entlassen worden war. Und nun saß sie hier und ging direkt in die Offensive.

      „Ich habe nicht vor, Ihnen Steine in den Weg zu legen oder ständig auf der Sache herumzureiten. Als Vorgesetzter möchte ich aber schon über meine Mitarbeiter informiert sein. Ansonsten müssen wir kein Wort darüber verlieren, wenn ich Sie mit den Kollegen bekanntmache. Einzig der Staatsanwalt und ich kennen Ihre Vorgeschichte. Was immer Sie auch von uns denken, Tratschtanten sind wir nicht. Ich hoffe, Sie haben sich im Griff und machen bei uns gute Arbeit.“

      Susanne kam ein winziges Lächeln über die Lippen. Erleichtert atmete sie auf.

      „Sorry, ich dachte wirklich, dass ich sofort in Ungnade falle.“

      „Ach was, jeder hat eine zweite Chance verdient. Sind Sie verheiratet?“

      „Nein, ich habe … hatte einen Freund. Aber das ist vorbei.“

      „Also totaler Neustart. Na dann!“

      Ferdinand stand auf und gab ihr die Hand. Susanne hatte einen festen Griff, was ihm imponierte und er hoffte, dass solch ein Vorfall wie in ihrem alten Leben der Vergangenheit angehören