George Sand

Geschichte meines Lebens


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      25. vendémiaire (Oct. 1798).

      „Ich habe gestern bei Herrn von Bouillon mit Herrn von Latour d'Auvergne gegessen. Ach Mutter, welch' ein Mann ist dieser Latour! Wenn Du nur eine Stunde mit ihm sprechen könntest, so würdest Du nicht mehr betrübt sein, Deinen Sohn als Soldaten zu sehen. — Aber es ist jetzt nicht der Augenblick Dir zu beweisen, daß ich Recht habe. — Dein Kummer hindert mich, Dir gegenüber mein Recht zu behaupten. — Ich habe Latour Deinen Brief übergeben; er hat ihn reizend, bewunderungswürdig gefunden und war sehr davon ergriffen, denn er ist eben so gut als brav. Erlaube mir das Geständniß, daß ich, wenn es lauter solche Männer in der Revolution gegeben hätte, noch revolutionärer sein würde, als ich bin ... d. h. daß ich es sein würde ohne Deine Gefangenschaft und Deine Leiden.“

      „Ich ging von dort nach der italienischen Oper und habe Montenerro gesehen — es ist abscheulich.“

      „Alle eleganten Frauen von Paris waren dort. Madame Tallien, Mademoiselle Lange und tausend Andere bald als Römerinnen, bald als Griechinnen, das konnte mich aber nicht hindern mich zu langweilen.“

      Von Passy, am 25. vendémiaire im Jahre VII. der französischen Republik.

      Gnädige Frau!

      „Erst in diesem Augenblicke habe ich den außerordentlich schmeichelhaften Brief erhalten, mit dem Sie mich beehrten. Sie schulden mir nicht den geringsten Dank für das, was ich für Ihren Sohn in den bedrängten Verhältnissen thun konnte, in denen er sich befand. Die einzigen Personen, die mir wirklich zu Dank verpflichtet sind, sind seine Offiziere und Kameraden, und sie ermangelten nicht auszusprechen, wie sehr sie für den Dienst erkenntlich sind, den ich ihnen leistete, indem ich den jungen Moritz zu ihrem Waffenbruder machte, der jetzt schon verräth, daß er eines Tages die hohe Bestimmung seines unsterblichen Großvaters erfüllen wird. — Man hat alles Mögliche gethan, um seinen Dienst leicht und angenehm zu machen; seien Sie also ganz ruhig, gnädige Frau, über die ersten Schritte in seiner Carriere. — Der Friede, an den ich noch immer trotz der widersprechenden Anzeichen glaube, giebt Ihnen vielleicht den Sohn eher zurück, als Sie zu hoffen wagen. Lassen Sie diese Hoffnung zwischen den Sorgen Platz finden, denen eine zärtliche Mutter so leicht Raum im Herzen giebt, wenn ihr Sohn sie zum Erstenmale verläßt. — Ich habe nicht die Absicht, gnädige Frau, Ihren Gefühlen Einhalt zu thun — sie sind zu gerecht, und wenn ich nicht das Glück habe Vater zu sein, so halte ich mich doch, nach der Wirkung, die Ihr Brief in mir hervorbrachte, wenigstens dieses Glückes würdig.“

      „Genehmigen Sie, gnädige Frau, gütigst die Versicherung meiner tiefsten Hochachtung.

      Der Bürger Latour d'Auvergne Corret,

       Hauptmann der Infanterie.“

      27. vendémiaire Abends (Octb. 1798).

      „Heute reise ich ab, meine gute Mutter. Ich habe Abschied von meinem Hauptmann genommen, der mir, ganz entzückt von Deinem Briefe, ein Empfehlungsschreiben an den Eskadron Chef gegeben und mich mit Zärtlichkeit umarmt hat. Ich weiß nicht, was ich gethan habe, aber dieser würdige Mann scheint mich trotz seiner äußeren Kälte zu lieben wie einen Sohn. Beurnoville hat mich überall empfohlen; er überhäuft mich ebenfalls mit Güte und nennt mich seinen Sachsen. Ich glaube fast, daß ich Alles das mehr den Briefen meiner lieben Mutter als meinem guten Willen zu danken habe. — Ich sende Dir hierbei ein Duplicat meiner Einschreibung. Beaumont hat mich nach der Sektion geführt und mich einschreiben lassen. Diese Maßregel war nöthig, denn ohne sie hätte mich, trotz meiner Gegenwart beim Heere, doch die Strafe des Gesetzes getroffen.“

      „Du wirst also lesen, daß ich jetzt die Profession eines reitenden Jägers betreibe und daß ich eine Größe von 1 mètre 733 milimètres habe — und weil Du davon nichts verstehst, denkst Du vielleicht, ich wäre in diesem Monat um 733 Spannen gewachsen; aber es macht nicht mehr als 5 Fuß 8 Zoll. — Als ich gestern meinen Platz in der Diligence bestellte, habe ich den Commis, der mich einschrieb, entführt. — Ah, mein Herr, ich gehöre zum Aufgebot — das ist eine Uniform, die Ihnen sehr gut kleidet, wollen Sie mich Ihrem Hauptmann zuweisen? — Gewiß, mein Kamerad; ich gehe eben zu ihm, begleiten Sie mich. Ein junger Mann, der sich eben auch für die Diligence einschreiben ließ, hörte das und ging mit uns. Bald werde ich den Postillon und die Pferde verleiten, uns zu folgen. Du siehst, liebe Mutter, daß ich nicht allein eine Vorliebe für den Militärstand habe — Alle sind freudig und stolz. — Ich reise ab — ich liebe Dich und empfehle Vater Deschartres, meiner Bonne und selbst Tristan ein wenig, Dich zu zerstreuen, zu beruhigen und Dich zu pflegen. Sei überzeugt, daß ich bald wiederkommen und mich sehr glücklich darüber fühlen werde.

      Moritz.“

      Köln, 7. brumaire.

      „Da bin ich in Köln! Wie schon so weit? — Denke Dir, als ich in Brüssel ankommend, in das Zimmer der sechsten Compagnie trete, war man eben im Begriff zu Tische zu gehen, d. h. sich um die gemeinschaftliche, große Schüssel zu setzen. Man lud mich höflich ein mitzuessen, ich nahm einen Löffel und aß mich mit der ganzen Gesellschaft dick und voll. Ein wenig Rauchgeschmack abgerechnet, war die Suppe, meiner Treu, ganz gut und ich versichere Dir, daß man bei dieser Küche nicht zu Grunde geht. Ich regalirte dann die Kameraden mit einigen Krügen Bier und etwas Schinken — wir rauchten einige Pfeifen miteinander und waren bald so gute Freunde, als hätten wir schon zehn Jahre zusammen gelebt. Plötzlich wurde Appel geblasen und man versammelte sich im Hofe. Der Eskadron-Chef näherte sich, ich trat auf ihn zu und überreichte ihm den Brief des Hauptmanns. Er drückte mir die Hand und theilte mir mit, daß sich der Brigade-Chef und der General, nebst dem übrigen Theile meines Regiments bei den Vorposten der Armee vor Mainz befänden. Ich sah im Augenblicke ein, daß in Brüssel nichts weiter für mich zu thun sei — ich sagte das dem Eskadron-Chef ganz aufrichtig und er gab mir vollkommen Recht. Er ließ mir eine Marschroute für die Vorposten ausstellen, und nach achtzehnstündiger Freundschaft mit meinem Chef und meinen Kameraden reiste ich ab. Aber das Schicksal nützt mir mehr, meine liebe Mutter, als alle Vorsicht. Ich ging über Köln, um mich in die Gegend von Frankfurt zu begeben, wo mein Regiment steht, da erfuhr ich, daß der Bürger von Harville, General en Chef und Inspektor der Cavalerie, in zwei Tagen von Mainz hierherkommen würde. — Ich gebe also meine Reise auf und warte. — Alle sagen, daß er mich, auf die Empfehlung Beurnoville's, seines Freundes, ohne Weiteres als Ordonnanz annehmen wird. — Ich werde also etwas mehr Bewegung haben — wenn nicht körperliche, doch geistige — als wenn ich die Lebensweise der Soldaten in der Kaserne führen müßte. Also meine Angelegenheiten stehen gut, sei ganz ruhig.

      „Du wirst durch die Zeitungen erfahren, daß es der Conscription wegen Aufruhr in Brabant gegeben bat. Die Rebellen bemächtigten sich für einige Stunden der Stadt und Citadelle von Mecheln, aber die Franzosen, denen nichts widerstehen kann, haben sie verjagt und 300 getödtet. Man brachte noch während meiner Anwesenheit 27 von den Aufständischen nach Brüssel; es waren Leute aus allen Ständen, auch zwei Kapuziner befanden sich dabei. Die Conscription diente nur als Vorwand; das Projekt der Rebellen war eine Landung der Engländer zu fördern, denn sie zogen sich nach der Seite von Ostende und Gent. — Unsere Diligence zerbrach unterwegs und wir waren genöthigt acht Stunden in Louvin zu bleiben: alle Leute aus den Städten auf der Route kamen uns entgegen, denn da die Diligence ausgeblieben war, hatte sich das Gerücht verbreitet, es sei auch in Brüssel ein Aufstand ausgebrochen. — Der Lärm war bereits bis zu einer Landesneuigkeit angewachsen und man wollte mir kaum glauben, als ich versicherte, daß ich Brüssel sehr ruhig verlassen habe. Man sendet viele Truppen von der Mainzer Armee nach Brabant und hofft bald Alles beruhigt zu sehen. — Mehr und mehr segne ich die Sorgfalt, meine liebe Mutter, die Du auf meine Erziehung verwandtest. Die Kenntniß der deutschen Sprache ist mir hier vom größten Nutzen. Auf dem