George Sand

Geschichte meines Lebens


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wir von einem glänzenden Leben wissen und sehen, kann immer einer heimlichen Berechnung des Stolzes zugeschrieben werden. Aber in den Einzelnheiten, in den scheinbar unbedeutenden Thatsachen, erfassen wir das Wesen des Menschen. Wenn ich jemals an der Unbefangenheit im Heldenthum gezweifelt hätte, würde mir diese Freundlichkeit des ersten Grenadiers von Frankreich Beweis dafür gewesen sein.

      Mein Vater ging auf dies rührende Benehmen nicht weiter ein, wenigstens that er es nicht, als er seiner Mutter darüber schrieb; aber es ist gewiß, daß die Unterredung mit dem Manne, der einst die „höllische Schaar“ angeführt hatte, dessen Herz so zart und dessen Sprache so sanft war, einen tiefen Eindruck auf ihn hervorbrachte. Von diesem Tage an stand sein Entschluß fest und er fand in sich selbst eine gewisse Kunstfertigkeit, seine Mutter über die Gefahren zu täuschen, die seinen neuen Lebensweg umringten. Wir sehen, daß er ihre Gedanken von der nahen Möglichkeit der Schlachten abzulenken sucht, indem er ihr von Reitübungen erzählt; später werden wir ihn noch erfinderischer sehen, um ihr die Qualen der Besorgnisse zu ersparen, bis er selbst durch Gewohnheit gegen die Aufregung der Gefahren abgehärtet ist und anzunehmen scheint, daß auch sie an die Wechselfälle des Krieges gewöhnt wäre. Aber sie konnte sich nie darein ergeben und lange Zeit nachher schrieb sie an ihren Bruder, den Abbé von Beaumont:

      „Ich verabscheue den Ruhm und ich möchte alle die Lorbeeren, auf denen ich beständig das Blut meines Sohnes zu sehen erwarte, in Asche verwandeln. Er liebt freilich, was mir Qual macht und ich weiß, daß er, anstatt sich zu schonen, zu jeder Zeit und sogar unnützer Weise an dem Orte ist, wo die meiste Gefahr herrscht. Aus dieser bezaubernden Schale hat er getrunken, seitdem er Herrn von Latour d'Auvergne zum ersten Male sah; dieser verwünschte Held ist es, der ihm den Kopf verdreht!“

      Ich kehre nun zur Mittheilung der Briefe meines Vaters zurück und ich kann mir nicht denken, daß meine Leser dieselben zu lang oder zu zahlreich finden sollten. Ich habe wenigstens das Gefühl, daß ich durch ihre Veröffentlichung einzelne Züge der Vergessenheit entreiße, die eine Ehre für die Menschheit sind. Und dieses Gefühl versöhnt mich mit meiner Aufgabe und verursacht mir eine Freude, die ich nie im Dichten eines Romanes empfunden habe.

       Siebentes Kapitel.

       Fortsetzung der Briefe, — Freiwillige Einrangirung. — Kriegerische Begeisterung der Jugend 1798. — Brief von Latour d'Auvergne. — Soldatensuppe. — Köln. — Der General von Harville. — Caulaincourt.— Der Capitain Fleury, — Vaterlandsliebe, — Durosnel.

       Zweiter Brief.

      Paris, 6. vendémiaire VII. (27. Sept. 1798).

      Ich schreibe Dir, liebe Mutter, vom Hause unseres Navaresers [Der Abbé Beaumont, sein Onkel.]. Das diesen Morgen publicirte Conscriptionsgesetz, welches befiehlt, ihm in sechsundzwanzig Tagen Folge zu leisten, verhindert mich Deine Antwort zu erwarten, und bestimmt mich, den Entschluß auszuführen, von dem ich Dir sagte. Wir waren beide diesen Morgen bei dem Hauptmanne der Jäger, um das Geschäft in Ordnung zu bringen. Aengstige Dich nicht, liebe Mutter; es handelt sich nicht darum ins feindliche Feuer zu gehen, sondern nur in Garnison nach Brüssel. Ich werde wahrscheinlich bald Urlaub oder eine Ordonnanz erhalten, die mich zwingt bald zu Dir zu kommen, um Dich zu umarmen. — Allen jungen Leuten hier ist der Kopf verdreht — alle hübschen Frauen und guten Mütter sind trostlos. Aber es ist durchaus keine Ursache dazu, wie ich Dich versichere, liebe Mutter. Ich hänge den grünen Dolman über die Schultern, nehme einen großen Säbel, lasse den Schnurrbart wachsen — und da bist Du plötzlich Mutter eines Vaterlandsvertheidigers und hast ein Recht an die Milliarde. Das ist reiner Profit. Also sorge Dich nicht, liebe Mutter — Du siehst mich bald wieder.“

      7. vendémiaire VII. (Sept. 1798).

      „Ich bin Volontär; ich habe den großen Säbel, die rothe Mütze, den grünen Dolman. Was meinen Schnurrbart betrifft, so ist dieser nicht so lang, als ich wohl wünschte, aber das kommt noch. Man zittert schon bei meinem Anblick; wenigstens hoffe ich das. Wohlan denn, liebe Mutter, betrübe Dich nicht!

      „Ich bin Soldat, aber hat der Marschall von Sachsen nicht freiwillig zwei Jahr als solcher gedient? — Du wirst selbst zugeben, daß ich in dem Alter war einen Stand zu wählen. Ich zauderte bei der Wahl, denn Du hattest zuviel Furcht vor dem Kriege — aber im Grunde wünschte ich, daß die Umstände mich zwingen möchten, meinen Neigungen zu folgen; — das ist geschehen; und ich würde glücklich darüber sein, hätte ich nicht den Schmerz Dich zu verlassen und zerrisse mir Deine Unruhe nicht das Herz. — Aber ich versichere Dir, meine gute Mutter, daß man sich dort, wo ich hingehe, nicht schlägt, und daß ich oft Urlaub haben werde, um Dich zu sehen. — Dein Jäger umarmt Dich von ganzem Herzen. — Es ist eine Trompeterstelle im Regimente offen — biete sie Vater Deschartres an. — Ich umarme meine Bonne. Adieu, ich liebe Dich.“

      Paris, 13. vendémiaire (1798).

      „Ich schreibe Dir in dem Augenblicke, wo ich zu dem General Beurnoville gehe. Ein Freund des Herrn Perrin wird mich bei dem General, dessen intimer Freund er ist, vorstellen. Beurnoville ist General der für England bestimmten Armee, zu der auch ich gehöre, und ich hoffe durch seine Verwendung ein schnelles Avancement zu haben. Es wird passend sein, daß Du ihm schreibst. Du wirst ihm sagen, daß, wenn Du mich nicht früher zu Verteidigung des Vaterlandes gesandt hast, nur die Gesetze dies verhinderten, daß mir endlich das Conscriptions-Gesetz erlaubte abzureisen und daß Du ihn um seine Verwendung bittest. In alledem wird nur die Hälfte Lüge sein, nämlich Dein Eifer mich in den Krieg zu schicken — aber Du wirst Dich aufs Beste heraus zu ziehen wissen, ich habe darum keine Sorge. — Man spricht hier wieder vom Frieden und alle meine Geschäfte sind wahrscheinlich mit Spaziergängen abgemacht.“

      17. vendémiaire (Oct. 1798).

      „Beurnoville hat mir zwei Empfehlungsbriefe gegeben, den einen für den Chef der Brigade und Commandanten des 10. Regimentes, zu dem ich gehöre, den andern für den General von Harville, den General-Inspector der Armee in Mainz. — Er empfiehlt mich ihnen als den Enkel des Marschall von Sachsen, unser Aller Vorbild, wie er sagt, und verlangt meine Verwendung zuerst als Ordonnanz und in Folge, in irgend welchem Zweige, für den man mich passend finden wird. Dem Chef der Brigade empfiehlt er mich ebenso dringend und mit der Bemerkung, daß er sich ihm für jede mir erzeigte Rücksicht sehr verpflichtet halten würde. — Du siehst, daß meine Angelegenheiten den besten Gang gehen — mit diesen Empfehlungen werde ich nicht in den Kasernen verschimmeln. Er sagt ihnen ferner, daß meine Familie mich erhält und daß ich keine Besoldung nöthig habe und darüber bin ich nicht sehr erfreut, denn wir sind nicht reich und ich werde Dir nun viel Geld kosten. Hoffen wir indessen, daß es mir bald möglich ist, von meiner Arbeit zu leben. Sei nicht in Unruhe, meine gute Mutter, und denke, daß Du vielleicht bald von mir sprechen hörst.“

      „Man sagt mir, Du wolltest im Berry nicht wissen lassen, in welcher Eigenschaft ich diene, aber wir werden das nicht vermeiden können, liebe Mutter. — Erstens, wer sind die Einfallspinsel, die sich darüber aufhalten, daß Dein Sohn Soldat der Republik ist? Und dann muß ich, damit man Dich in meiner Abwesenheit nicht beunruhig, der Behörde eine Bescheinigung zusenden, daß ich mich in activem Dienste befinde; ohne das würde man mich als Flüchtling und Emigranten betrachten und das wäre mir nicht recht.“

      23. vendémiaire (Oct. 1798).

      „Ach wie gut bist Du, mein liebes Mütterchen, daß Du mir Deine Diamanten schickst, da Du kein Geld hast, mich zu equipiren. Du handelst wie die Römerinnen, Du opferst Deinen