George Sand

Geschichte meines Lebens


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à Person einen Louisd'or, um für dreißig Menschen zwei Fenster zu haben. Es werden aber auch nur hochadelige Leute da sein: die Biron, die de l'Aigle, die Perigord, die Noailles [Da der Scherz ohne alle Bitterkeit ist, glaube ich diese Namen nennen zu dürfen.] — das wird charmant — — ich gehe gewiß nicht hin!“

      Paris, den 30. Germinal Jahr X.

      „... Die Zeitungen haben Dir gewiß einen pomphaften Bericht über die Feier des Concordats gebracht. Ich gehörte zu dem berittenen Gefolge des Generals Dupont, der mit allen in Paris anwesenden Generälen dazu commandirt war. So haben sie denn auch Alle dabei paradirt, ungefähr so wie Hunde, die dazu geprügelt wären. Während wir durch Paris zogen, hat uns der Zuruf der Menge begrüßt, die jedoch mehr von dem militairischen Gepränge entzückt war, als von dem Feste an und für sich. Wir Alle waren äußerst glänzend und was mich betrifft, so war ich prachtvoll — Pamela [Sein Pferd.] und ich vergoldet vom Kopf bis zu den Füßen. Der Legat saß in einem Wagen und vor ihm her, in einem andern Wagen, wurde das Kreuz gefahren. [„Die Legaten a latere pflegen ein goldenes Kreuz vor sich hertragen zu lassen, welches ein Zeichen der außergewöhnlichen Macht ist, die der päpstliche Stuhl solchen Gesandten verleiht. Den Absichten seines Hofes zufolge wollte der Cardinal Caprara den Gebräuchen des Kultus in Frankreich die größte Oeffentlichkeit geben; er verlangte, daß der Sitte gemäß das goldene Kreuz durch einen berittenen Offizier in rother Uniform vor ihm hergetragen würde. Aber dies war ein Anblick, den man sich scheute, dem Pariser Volke zu geben. Man unterhandelte und kam überein, daß dies Kreuz, in einem der Wagen, die vor dem Cardinal herfuhren, gehalten werden sollte. A. Thiers' Geschichte des Consulats und des Kaiserreiches III. Theil, Buch 14.] Erst an der Thür von Notre-Dame sind wir abgestiegen und alle diese schönen, reich gezäumten Pferde, die rings um die Kathedrale herumstanden, paradirten und sich neckten, boten einen wunderlichen Anblick dar. Wir betraten die Kirche bei dem Schall einer lebhaften Militairmusik, die plötzlich, beim Herannahen des Baldachins verstummte, unter welchen sich nun die drei Consuln begaben, um im tiefsten Schwelgen und zwar in etwas unbeholfener Weise zu der Estrade geführt zu werden, die für sie bestimmt war. Der Baldachin des Consulats sah aus wie ein Betthimmel in einem Wirthshause; er war mit vier schlechten Federbüschen und einer schmalen Franse verziert; der des Cardinals war viermal so kostbar und die Kanzel war auf's Reichste drapirt. Von der Rede des Herrn von Boisgelin hat man kein Wort gehört. Ich stand neben dem General Dupont, hinter dem ersten Consul und habe mich an der Schönheit des Anblicks und am Te Deum erfreut; aber Alle, die in der Mitte der Kirche waren, konnten nichts hören. Im Augenblicke der Monstranz-Erhebung haben die drei Consuln die Knie gebeugt; hinter ihnen standen wenigstens vierzig Generäle, unter ihnen Augereau, Massina, Macdonald, Oudinot, Baraguey d'Hilliers, Le Courbe u.s.w., keiner derselben ist von seinem Stuhle aufgestanden, was einen komischen Gegensatz bildete. Als wir die Kirche verließen, bestieg ein Jeder sein Pferd und ritt von dannen, so daß nur noch die Regimenter der Garde im Zuge blieben. Es war halb sechs Uhr und man war halbtodt vor Langerweile, Hunger und Ungeduld. Ich war schon um neun Uhr Morgens und zwar ohne Frühstück zu Pferde gestiegen, hatte auch wieder das Fieber, das mich noch immer plagt. Gestern habe ich bei Scävola gespeist und heute schreibe ich Dir in der Wohnung meines Generals. Ich habe Corvisart, den Arzt des ersten Consuls gesehen; er hat mir versprochen, daß ich in zwei bis drei Tagen so weit hergestellt sein soll, um reisen zu können, damit ich Dich vor der Uebersiedlung in unser Hauptquartier noch einmal umarme. Ich glaube, daß das Verlangen, Dich zu sehen, meine Genesung verhindert hat. Ich umarme den Ortsvorsteher, wie schön würde er sich mit seiner Schärpe und seinen Adjunkten bei der Feierlichkeit ausgenommen haben.“

      Moritz verlebte einen Monat bei seiner Mutter; dann verließ er Nohant, brachte zwei oder drei Tage in Paris zu und begab sich endlich zu seinem General nach Charleville, wohin ihm Victorie bald nachfolgen sollte — trotz der Predigten des guten Deschartres, der, wie wir sehen, bei seinem Zöglinge kein besonderes Glück machte. Der arme Schulmeister ließ sich indessen nicht entmuthigen; er blieb dabei, Victorie für eine Intriguantin zu halten und Moritz für einen leicht zu täuschenden jungen Mann. Er begriff nicht, daß dies irrige Urtheil nur die Wirkung hatte, meinen Vater täglich mehr über die Uneigennützigkeit seiner Geliebten aufzuklären, und daß er ihr um so mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen und sich um so mehr an sie anschließen mußte, wenn sie mit Unrecht angeklagt wurde. Bei dieser Gelegenheit nahm Deschartres seine Geschäfte zum Vorwande und begleitete Moritz nach Paris. Er fürchtete vielleicht, daß derselbe sich dort aufhalten möchte, statt auf seinen Posten zu gehen. Zu gleicher Zeit sprach meine Großmutter gegen ihren Sohn den Wunsch aus, ihn verheirathet zu sehen und die Unruhe, welche ihr die Freiheit des jungen Mannes verursachte, gewöhnte denselben an den Gedanken, dieser theuern Freiheit zu entsagen. So diente Alles, was man unternahm, um ihn von dem geliebten Weibe zu trennen, dazu, den Lauf des Verhängnisses zu beschleunigen.

      Während der kurzen Zeit, welche Deschartres mit seinem Zögling in Paris verlebte, glaubte er denselben keinen Augenblick verlassen zu dürfen. Das hieß einem jungen Prinzen gegenüber, der sich durch beschwerliche und ruhmvolle Feldzüge emancipirt hatte, etwas spät den Hofmeister spielen, aber mein Vater war gutmüthig, wie man auch schon aus seinen Briefen sieht und im Grunde des Herzens hatte er eine innige Liebe für seinen Lehrer. Er konnte ihn nicht ernsthaft zurückweisen und war überhaupt noch kindlich genug, um sich wie ein Schulknabe zu freuen, wenn er seiner komischen Ueberwachung einen Streich spielen konnte. Eines Morgens schleicht er sich aus ihrer gemeinschaftlichen Wohnung fort, um im Garten des Palais Royal mit Victorie zusammenzutreffen; sie hatten sich daselbst Rendez-vous gegeben, um mit einander in einer Restauration zu frühstücken. Kaum hatten sie sich gefunden, kaum hatte Victorie den Arm meines Vaters genommen, als Deschartres, der die Rolle der Medusa spielte, ihnen entgegentrat. Aber Moritz ist kühn wie er, macht gute Miene zum bösen Spiel und fordert seinen Argus auf, am Frühstück Theil zu nehmen. Deschartres geht darauf ein — er war kein Epikuräer, aber er liebte feine Weine und man ließ es ihm nicht daran fehlen. Victorie neckte ihn auf geistreiche, freundliche Weise und beim Dessert schien er etwas leutseliger zu werden. Aber als es an's Abschiednehmen ging und mein Vater seine Geliebte nach Haus begleiten wollte, verfiel Deschartres wieder in seine schwarzen Gedanken, und kehrte traurig in sein Hôtel garni zurück.

      Der Aufenthalt in Charleville erschien meinem Vater sehr langweilig, bis sich seine Geliebte daselbst einrichtete. Sie wohnte bei rechtschaffenen Bürgresleuten, denen sie ein geringes Kostgeld zahlte und bei denen sie für die heimlich angetraute Frau meines Vaters galt, was sie übrigens damals noch nicht war. Von dieser Zeit an trennten sich die Beiden fast nie mehr und fühlten sich an einander gefesselt.

      Meine gute Großmutter wußte von alledem nichts; aber von Zeit zu Zeit machte Deschartres beunruhigende Entdeckungen, die er ihr nicht vorenthielt. Von Moritz erfolgten dann Erklärungen, welche die Mutter für einen Augenblick zufrieden stellten, aber nicht das Geringste in den Verhältnissen änderten.

      Charleville, den 1. Messidor (Juni).

      „... Mit unsern großen Federbüschen, unsern Vergoldungen und unsern schönen Rossen machen wir einen verteufelten Staat; man spricht von uns bis Soissons und bis Laon (der Heimath Jean Francis Deschartres')! Aber von so viel Ruhm werden wir wenig berührt und möchten lieber weniger zierlich sein, als unser Feuer auf der Parade abnutzen. Außerdem ist man hier eben so neugierig und schwatzhaft wie in la Châtre. Der General hat schon versucht, ein kleines Abenteuer einzuleiten, aber er hatte kaum zweimal mit derselben Frau gesprochen, als sich in den drei Stätten Sédan, Mézières und Charleville ein ungeheurer Lärm erhob ...“

      Charleville, den 1. Thermidor (Juli).

      „Mein General hat einen sonderbaren Einfall. Er wußte nur ganz oberflächlich, daß ich der Enkel des Marschalls von Sachsen bin und hat mich neulich weitläufig darüber befragt. Du kannst Dir nicht denken, welchen Eindruck es auf ihn gemacht hat, als er gehört hat, daß Du durch Parlamentsbeschluß anerkannt bist, und daß der König von Polen mein Ur-Großvater ist. Zwanzig Mal täglich spricht er davon und überhäuft mich mit Fragen; aber unglücklicherweise habe ich mich um das Alles niemals bekümmert und es ist mir unmöglich, ihm meinen Stammbaum vorzuzeichnen. Der Name Deiner Mutter ist mir entfallen und ich weiß durchaus nicht, ob wir mit den Löwenhaupt's verwandt sind. Du mußt Dich wohl seinem Wunsche