Ute Dombrowski

Ganz für mich allein


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zusammen sein konnten. Noch drei Tage, dachte er und lächelte.

      Das Café mit dem klangvollen Namen „Sophias Melodie“ lag an einem kleinen Marktplatz, der zum Parkplatz umfunktioniert worden war. Schon um diese unfreundliche Uhrzeit war alles voller Autos. Sicher gehörten sie den Anwohnern und Geschäftsleuten, die hier in den kleinen Orten im Rheingau vom Tourismus und der Winzerkultur lebten. Vor dem Taschenladen gegenüber saß eine Frau auf einer Bank und rauchte. Neben ihr auf dem kleinen Tisch stand eine Tasse Kaffee. Sie hatte eine unförmige Strickjacke um sich geschlungen und schaute müde unter dem wirren blonden Haar hervor. Argwöhnisch beäugte sie Michael, der versuchte, durch die Scheiben des Cafés ins Innere zu sehen.

      „Was machen Sie da?“

      Michael drehte sich um und kam zu ihr herüber. Er grüßte kurz und setzte sich auf den freien Platz. Nachdem er in die Innentasche seiner Jacke gefasst hatte, präsentierte er der Frau seinen Dienstausweis.

      „Ach du Schande, Kripo. Ist etwas passiert?“

      „Sie sind?“

      „Dorothee Enzmacher. Ich bin die Besitzerin des Taschenladens. Jetzt sagen Sie schon! Was ist denn los?“

      Michael fröstelte und fragte sachlich: „Kennen Sie die Besitzerin des Cafés?“

      „Sophia? Ja, natürlich kenne ich sie. Wir sind Nachbarn und fast schon Freundinnen. Oh nein!“

      Sie schwieg und sah den Kommissar ängstlich an. Ein leichtes Zittern durchlief ihren Körper.

      „Was ist passiert?“, flüsterte sie nun voller Entsetzen.

      „Frau Wieselburger ist heute Nacht Opfer eines Verbrechens geworden. Wir haben sie tot aufgefunden, auf dem Parkplatz am Rhein.“

      Die Frau hatte zu weinen begonnen und schüttelte immer wieder den Kopf.

      „Oh nein“, murmelte sie, „ich habe ihr ständig gesagt, dass sie hier einen Parkplatz anmieten soll, damit sie im Dunkeln nicht mehr durch die Gegend laufen muss. Oh, wie fruchtbar! Wer tut so etwas? Sie ist ein Engel und hat doch keine Reichtümer! Nicht einmal die Einnahmen hatte sie dabei. Die bringt sie immer erst mittags zur Bank.“

      „Es wurde wahrscheinlich nichts gestohlen, also muss es einen anderen Grund geben.“

      „Aber … aber … sie wurde doch hoffentlich nicht noch … ähm … missbraucht?“

      „Darüber darf ich Ihnen nichts sagen. Ich hätte noch einige Fragen, aber können wir nicht irgendwo hineingehen?“

      Dorothee stand auf und nahm Michael mit in das warme Geschäft. Dort ging sie in den hinteren Bereich, wo sich anscheinend die Werkstatt befand, schaltete das Licht ein und brachte ihm unaufgefordert eine Tasse Kaffee mit. Michael hatte sich auf einen Sessel gesetzt und ließ seine Blicke an einem Bücherregal entlangwandern. Es war schon eine Ewigkeit her, dass er mal ein Buch gelesen hatte, so lange, dass er sich nicht mal mehr an den Titel er­innerte. Außerdem fragte er sich, was ein Bücherregal in einem Taschengeschäft zu suchen hatte.

      Dorothee folgte seinem Blick und setzte sich auf den breiten Rand des Regals. Ein Lächeln saß in ihren Augenwinkeln.

      „Ich liebe Bücher. Sie enthalten mehr Leben als die Realität. Sie öffnen neue Welten und bringen mich an den Rand menschlicher Abgründe. Ich lese oft hier und auch so manche Kundin, wenn sie darauf wartet, dass ich ihre Tasche repariere. Lesen Sie?“

      Michael schüttelte den Kopf und nippte an dem heißen, schwarzen Getränk. Sogleich fühlte er sich wohlig warm.

      „Frau Enzmacher, wer könnte einen Grund haben, Frau Wieselburger zu töten? Hatte sie Feinde? Neider? Ex-Männer?“

      „Niemand hatte einen Grund! Sophia ist eine ganz liebe Person. Sie ist immer nett und freundlich und wenn einer zu wenig Geld hatte, hat sie ihm auch schon mal einen Kaffee ausgegeben. Ich sage doch: Sie ist ein Engel.“

      Sie schwiegen eine Weile. Dann schluchzte Dorothee plötzlich los.

      „Ihre armen Eltern! Sie lebt bei ihnen auf dem Weingut und kümmert sich rührend um die beiden. Wissen die schon Bescheid?“

      Michael schüttelte den Kopf.

      „Ich fahre gleich zu ihnen. Hatte Sophia einen Freund? Oder einen Mann?“

      „Ich glaube, im Moment ist sie alleine. Irgendwann hatte sie mal einen Freund, einen richtig hübschen mit toller Ausstrahlung. Er saß manchmal bei ihr im Café und hat sie oft abgeholt, aber eines Tages kam er nicht mehr. Das ist schon ein oder zwei Jahre her.“

      „Danke, Frau Enzmacher, auch für den Kaffee. Den hatte ich echt nötig. Hier ist meine Karte. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich bitte an, auch wenn es Ihnen unwichtig scheint. Eine Frage noch: Sind Sophias Eltern gesund und fit?“

      „Sie werden es verkraften, das meinen Sie doch, oder?“

      Michael nickte und verabschiedete sich. Jürgen war noch beim Sichern der Spuren, ein weiterer Streifenwagen stand an der Straße und sperrte den Bereich jetzt komplett ab. Es wurde langsam hell und Michael schaute den Rücklichtern des Leichenwagens, der eben fortgefahren war, hinterher.

      3

      Bianca Bonnét gähnte herzhaft, als sie das Haus verließ. Es war später Nachmittag und die Dunkelheit lauerte zwischen den Autos auf dem Parkplatz hinter dem Gebäude der Polizeischule. Als ihr Vorgesetzter sie vor einem halben Jahr in sein Büro gerufen und ihr verkündet hatte, dass sie wegen ihrer Beziehung besser nicht mehr mit Michael arbeiten sollte, dachte sie, er würde sie versetzen. Ihre Überraschung war groß, als er sie als seine zukünftige Nachfolgerin auf einen mehrteiligen Lehrgang schickte.

      Am Abend war Bianca beim Essen damit herausgerückt und Michael hatte sie angestarrt.

      „Du wirst meine Chefin?“

      Bianca hatte genickt und sich auf die Unterlippe gebissen.

      „Okay“, hatte Michael nach einer Weile gesagt. „Schön, ich glaube, du kannst das.“

      In seinem Kopf war ein Gedanke aufgekommen, der sich gut anfühlte: Wenn Bianca im Büro saß, wäre sie nicht mehr den Belastungen und Gefahren der Straße ausgesetzt. Er fühlte eine tiefe Liebe zu ihr, die aber immer mit einer unbestimmten Angst einherging.

      „Ich mag gar nicht im Büro hocken!“, hörte er wie aus weiter Ferne Biancas Stimme. „Ich will lieber im Außendienst Fälle lösen und nicht irgendwelchen Schreibkram erledigen.“

      „Schatz, du wirst sicher manchmal mit rauskommen. Aber sieh es doch mal so: Wenn sie dich versetzen würden, könnten wir uns kaum sehen, denn niemand würde auf unser Leben Rücksicht nehmen, schon gar nicht der Dienstplan. Wer weiß, wofür es gut ist.“

      Bianca hatte sich daraufhin beruhigt in die Arbeit gestürzt. Viele von Michaels Kollegen hatten gestichelt und irgendwann war ihm die Idee gekommen, dass er sich bald Biancas Anweisungen unterwerfen musste, auch wenn sie ihm nicht in den Kram passten. Seit Nele weg war, wehte ein scharfer Wind, denn die Polizei und die Staatsanwaltschaft mussten ihren guten Ruf wiederherstellen. Es hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet, dass die schöne Staatsanwältin die Rächerin der Schwachen gewesen war. Viele Leute hatten applaudiert, aber man hatte auch die Nase gerümpft und gefragt, wie es sein könne, dass die, die das Recht vertraten, sich nicht an die Regeln hielten.

      Nele saß nun im Gefängnis und würde nie wieder herauskommen. Bianca seufzte, sie konnte die Beweggründe gut nachvollziehen, aber sie mussten sich nun mal ans Gesetz halten, da konnte man nicht einfach losgehen und morden. Sie hatte sich vorgenommen, sich in ihrer baldigen Position als Leiterin der Dienststelle noch mehr anzustrengen, Verbrechen zu bekämpfen. Mit Michael wusste sie einen fähigen und unermüdlichen Kommissar hinter sich.

      Jetzt war Bianca am Auto angekommen und rief ihn an.

      „Hallo, mein Liebster, ich sitze hinter dem Steuer und komme gleich heim. Hast