Roma Hansen

bernsteinhell


Скачать книгу

und genügend optimistisch im Leben wirken.

      Ja, das Leben wäre voll Glück, folgte dem Brautschmuck ein eigenes Kind, denkt Helena als ihren Herzenswunsch. Im Eis ruht der, der Traum ist aus. Helena schließt die Lider, nicht nur von der Nacht ohne Schlaf zuvor bleiern. Die wenigen Schritte in ihre Schafkammer bewältige sie in Bettschwere. Doch ihre schon voraus eilende Versenkung in die Federn durchkreuzt ein alarmierendes Rumpeln. Nicht Ratten machen solchen Lärm! Die Luke steht offen, der Käse im Keller allem Getier erreichbar!

      Helena eilt mit der Lampe über die Hintertreppe, greift am Stapel unten ein Scheit und zischt „Sch, Sch“. Ihr antwortet ein Seufzen in der Kälte. Helena holt tief Luft, legt das Holz ab, hält ihr Licht hoch, geht wacker dem Seufzer entgegen. Und gluckst vor lauter Erleichterung, um Bisse am Käse nicht bangen zu müssen. Keine Ratte liegt lädiert dort!

      7

      „Wo sonst die Luke dicht ist, trat ich ins Leere“, mault Vedder fiepend und schlägt mit einer Hand auf eine Kellerstufe.

      Sein Fiepen bestätigt, wie fehl am Platz er ist unter ihrem Lampenlicht, das wandert. Er scheint heile geblieben. Nach ihrer Nacht ohne Schlaf würde sie dieser Wende ihres Daseins wenig darbringen können, ausgenommen ...

      „So kommt ans Licht, wie nahe du mir auf die Pelle rückst!“

      Nach einer winzigen Pause, in der Helena nur noch ins Warme der Kök will, ergänzt sie, ein Kichern nur knapp unterdrückend:

      „Siehste, genauso bleibt dem Fang in den Schlingen die Luft weg, tappen sie in eine deiner Fallen.“

      Ihre Abfuhr zeigt ihm seine widrige Lage als höchst ertappt und doppelt durchkreuzt am Ende. So ergeht es einem Schäfer, der wie ein liebestoller Kater nachts luschert. Er rappelt sich hoch, und dreht einen Fuß.

      „Verdammt!“, flucht er wenig leise.

      „Verdammst du dich etwa selber? Willst du unten im Kalten bleiben?“

      In Helena flammt ein weiteres Glucksen jetzt, denn er hopst unmäßig, und nicht mit dem Ruhm eines Wilderers bekleckert, die Stufen hoch in die Dunkelheit durch die er fiel. Vor das Kaminfeuer dirigiert, an den Boden gekauert, zieht er die Joppe aus. Und der entweicht ein herb tierischer Geruch, den Helena mit dem Schultertuch verwedelt und jählings kopfschüttelnd schnalzt.

      „Die Socke runter! Mäßige dich, wenn es wehtut.“

      Er legt die Fellmütze ab, fährt linkisch durch sein Haar. Selbst verdutzt über Schreck und Schmerz, zerrt er an dem Stiefel, flucht leise und unverständlich durch die Zähne.

      Helena stochert die Kaminglut auf, legt Scheite nach, tunkt rasch ein Tuch ins kalte Wasser im Eimer am Milchtisch. Nieder kniet sie, umwickelt Vedders Knöchel, hockt sich dann auf ihren Schemel in der Nähe und mutmaßt über sein Streunen, das sie wähnt aus kindlich geprägter Selbstüberschätzung.

      Errang er so seinen Platz an der Küste? Heimste er im Hauen und Stechen ein paar Schrammen ein? Sitzt mehr in der Stube als der Mann, der wenig älter ist als sie? Eine Spur kauzige Sturheit zeigt sein Kinn mit den blonden Stoppeln, das Helle der Augen, der schmale Streifen, wo etwas Feuer flackert.

      Glückhaft legt sich das Erkennen an ihr Herz, vor ihr sitze ein freier Mann, der abstürzte wie gelenkt, zu ihr wollte. Dort sitzt kein Widerhaken wie Joos mit harten Augen. Vedder streut Pfeffer aus, doch liegt Trauer um seine Blicke, er ringt damit wie sie. Will er verschlossen bleiben, warf er sogar den Schlüssel absichtlich fort? Aufgeflogen zu sein, ist genug. Angedeutete, oder förmliche Worte wären unangebracht. Dem Wrack von Fischer käme sie nicht bei mit höflicher Liebenswürdigkeit.

      Vedder blinzelt zu der Frau, die er innig begehrt, doch augenblicklich fürchtet wie einen Donnerknall im Winternebel, von dem er sich wünscht, der verziehe sich. Er selber kann es nicht. Kurz sieht er zu ihrem flackernden Schatten an der Wand, voluminös vom Gewusel am Küchentisch.

      Ach! Oh ach, gibt Vedder vor sich klein bei, jetzt lässt sich nichts gerade biegen! Er hätte Helena beim ersten Mal Hilfe anbieten, nicht nur luschern sollen. Dann wäre er kein Fremder in ihrer Stube. Ihr müdes Gesicht wirkt auch sehr tapfer besonnen. Sie lockert ihre herzigen Lippen. Ach, sie tut nur schockiert. Gut kennt er das Vertuschen, sich ins Hemd machen, nicht wie Ansgar, der sich mit hart gemeinten Zuweisungen allem stellt, was ihm nicht passt.

      „Bin dir ein ungebetener Eindringling“, presst Vedder durch die Zähne. „Kann nicht weg mit dem Fuß. Kodderig ist mir, und schwindelig wie benebelt. Schnaps würde den Schreck lindern.“

      „Von Rike habe ich eine Flasche für derlei Fälle bekommen!“

      Helena springt auf. Bald nippt Vedder einen Schluck direkt vom Flaschenhals. Der Sanddornschnaps schmeckt ihm, er schmatzt und seufzt, haut aber mit gezieltem Schlag den Korken hinein. Jungenhaft unverdorben wirkt er und unberührt von allem. Aber wohin mit ihm? In der Kammer nebenan in das Bett klamm von Winterkälte. Sie geht in den kühlen Schwall, trägt Bettzeug heran, wirft das und eine Fellunterlage neben Vedder zu Boden. In der Truhe kramt sie und reicht ihm den Tiegel ihrer selbst gerührten Gänseblümchensalbe.

      „Reibe dich ein. Joos half meine Vaselinemixtur immerzu, ihm schwoll öfter einmal ein Gelenk an.“

      „Altes Hausmittel? Wird dauern, bis das wirkt.“ Skeptisch schnuppert Vedder am Steingutnapf, trägt aber die Salbe dick auf, und müht dabei heraus: „Großzügig von dir.“

      Helena lehnt sich an den Tisch, legt die Hände an ihre Ellbogen, hält den Moment für gekommen.

      „Einfältig stolperst du herum, lässt dich von dem blamablen Sturz auch noch retten! Konntest nicht auf gesunden Füßen hereinkommen?“ Entschieden schüttelt sie den Kopf. „Wolltest du dir etwas holen? Glaubst du, es stehlen zu müssen?“

      Sie fixiert ihn mit Glut in den Augen wie eines keifenden Fischweibs flimmert. Vedder senkt seinen Kopf, und vermisst ihre Förmlichkeit guten Betragens.

      „So ist das doch nicht“, knurrt er, drückt den Stopfen in den Tiegel, schiebt ihn auf den Bodendielen weit vor. „Soll ich mich etwa wie für eine Trotteligkeit entschuldigen?“

      Vedder betrachtet seine Hände, die flattern. Rasch klemmt er sie zwischen die Beine. Seine Absicht wartet. Ihm steigt schief ein Grinsen an die Wangen, doch es stirbt vor Helenas zornigen Augen.

      „Tut mir Leid!“, setzt er scheu an. „Eine Last zu sein, war nicht mein Anliegen. Luschern ist unwürdig. Verzeih mir. So möglich, helfe ich dir.“

      „Leicht gesagt, reglos wie du dasitzen musst. Und“, Helena breitet empört die Arme aus, die Weste klappt auf, „sollen die Lüüt erfahren, was du für Einer bist? Einer der nur ausspäht?“

      Herabgezogene Brauen sieht Helena, dazwischen eine steile Falte. Dennoch wirft sie die Arme weit seitlich hoch, verharrt in der Bewegung mit indigniert fragendem Gesichtsausdruck.

      „Hm. Ja, verstehe. Dir wahrlich zu helfen, wäre an mir, und somit Joos’ liegen gebliebene Aufgaben erledigen. Wie ich den kannte, war er ein echter Fischkopf, lebte nach dem Spruch: Nimm dir nix vor, dann schlägt dir nix fehl.“

      Helena hüllt sich in ihre Weste. Dahinein murmelt sie nach einer Weile über den Streuner, der nur Umstände bereite, und als Helfer sicherlich fraglich wäre - wer solch einen Spruch parat hat, handle danach. Schon feixt sie still und dies weit hinaus in den Raum außerhalb der Kate: Der Horizont, ja, der meine es leidlich dicke mit dem Mann in ihrer Kök, und das wohl für ein vollständigeres Daseins! Glücklich fliegt auch ein von Dank erfüllter Seelenfunke hinüber zu Eli an den Findling. Von ihr ab fällt damit auch etwas von ihrer intensiven Anspannung aus dem mehr als langen Tag.

      Am Morgen ist Helena schon früh vom Melken zurück. Eben schürt sie die Glut für den Wasserkessel, da regen sich Vedders Decken am Boden. Schlaftrunken sieht er ins Morgenlicht, auf die Wolle und Nähutensilien, und den Salbentiegel am Tisch. Er setzt sich davor an einen Schemel, salbt seinen Knöchel. Wohlig strahlt er erstmalig, als Helena gelben Sirup in