Roma Hansen

bernsteinhell


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ist. Helena räumt schweigend ab, klemmt die Kaffeemühle dann Vedder zwischen die Knie. Er mahlt und schaut ihrem Hantieren für den Käse zu. In sich gekehrt denkt er nach, bis Helena die angelaufene Blechkanne mit Kaffee hinstellt und das Aroma belebend in seine Nase zieht.

      Helena rückt Zuckerdose und Milchkännchen in seine Nähe und setzt sich, füllt beide Becher. Dann nickt sie ohne ein Lächeln an ihren Wangen, ernst gestimmt, bevor sie ihn hart im Ton fragt:

      „Zu den Fischern gehst du nicht mehr, wegen deinem Arm?“

      „Dass es mal so kommt ... Netze Anderer flicken, hinterher sehen, fahren sie raus? Nee!“ Er rührt im heißen Kaffee, reckt das Kinn. „Manche ruinieren ihre Rücken vom Netze hieven, gehören dann auch zu den nicht mehr Bewunderten.“ Er versinkt in sich; erschrickt dann jedoch von Helenas Wink zum Fenster,und ihrer scharfen Stimme.

      „Heute Morgen fand ich keine Kuhle im Heu, in der du dich wie ein irregegangener Hofnarr, den ich kaum bewundern könnte, oft verkrochen hast! Konntest nicht um ein Nachtlager bitten, war es bei den Touren zu bald dunkel, zu spät für den Weg?“

      Seine Wangen laufen so rot an wie die Finger brennen, um den Becher gelegt. Dahinein löffelt er Zucker und rührt, als ob sein Seelenheil davon abhänge, mit seiner Absicht vor Augen, auch wenn sie geifert wäre es ein gutes Leben, wenn sie es ihm gewähre.

      Nach einer Weile Schweigen greift Helena in die Tischlade und entnimmt, unter dem bei Emilies Damenkreis ausgeliehenen Buch, eine Ausgabe der Gartenlaube, schiebt sie ihm hin.

      „Zum Kamin geh, lies mir vor wie einst Joos. Dazu nutzt der Sturz durch die Luke, die dich Fallenjäger so seltsam einfing. Waren höhere Mächte in dem Spiel, zeige mir, du taugst mehr als ein Sprung im Topf.“ Sie deutet gen Wandtisch mit den Schüsseln der Morgenmilch für den Käse, und meint den Eimer mit Rüben und Kartoffeln daneben. „Später schnipple alles Gemüse in den Eisentopf für die Abendsuppe. Ich nähe für ein Kaufhaus Stofftiere, und die sollen meine Saisonarbeit im Laden von Putzenius ergänzen.“

      „Mache ich nur, wenn du hernach nicht mehr aufgebracht bist.“

      Er sieht sie einsichtig an, und zugleich starrsinnig. Am warmen Sims sitzend, liest er bald andachtsvoll eine Ballade vor, und fühlt, was sie, so nahe bei Helena, in seinen Sinnen berührt. Ein heimatliches Empfinden, ein anderes als mit Ella, dennoch ein sehr gutes.

      Am Nachmittag bringt Ansgar den reparierten Lukendeckel wieder an, und kommt zum Aufwärmen herein. Er tauscht mit Vedder fragende Blicke. Danach schlägt er, laut Friederike, Helena vor, einen Anbau für ein Badezimmer zu mauern, damit das Graben in Richtung Brunnen und alles Abwasser in den Obstgarten leichter zu erledigen wäre. Für ein Spülklosett und die moderne und komfortable Badeausstattung würde er auch sorgen.

      „So bleibt deine Kammer anderweitigem Gebrauch frei. Unsere Logierräume soll ich auch mit Bädern richten. Den Herd bringe ich im Dustern, der muss nicht an die große Glocke.“

      Vedder traut seinen Ohren kaum, runzelt nur seine Stirn.

      „Ich werde dein Handlanger, sobald du hier loslegst.“

      Ansgar nickt gutmütig. Auch Helena stimmt zu, und begleitet ihn bald hinaus, kehrt nach einer guten Weile erst zurück. Aus der Vorratskammer holt sie Butter, Gelee und Brot, und erzählt beim Essen vom Notgroschen für die dringlichen Wünsche. Vedder schmaust und lauscht aufmerksam. Helena legt ihm das seltsame, unverständliche Gebaren der Fischerfrauen offen. Seither holte sie nichts vom Fang, verzehrt selten einmal ihre in einem alten Steinguttopf eingelegten Heringe. Bei sich aber sucht Helena nach der Antwort, wohin führe, was die Weiber ihr einbrocken.

      Sie sinnt darüber. Dann schaut sie geradewegs in Vedders so helle Augen - wie die ersten Sterne am Nachthimmel draußen. Wie ein Licht intensiver Tag am Strand, wenn in ihr der Spaß und die Freude am Fund von Bernstein pulsieren. Im Moment des Erkennens hüpft Helena auf, holt den Suppentopf, Teller und Löffel an den Tisch. Denn, Herrjemine, Begehren glimmt in dem herein geschneiten Kerl. Müsste sie dem einen Riegel vorschieben? Demnächst? Bald? Die Entdeckung seiner Motive kribbeln in ihrem Bauch. Und rasch überlegt sie, er sollte noch nichts davon hören, nur von einem, dem neuen Lebensunterhalt und dafür von seinem Arbeitseinsatz.

      „Bernsteinschleifen werde ich auch. Sammle mir bald am Strand ein paar Steine zum Ausprobieren.“

      „Na, du traust dich was!“

      Vedder streicht durch seine knisternden Bartstoppeln, wobei ihm mondhelle Nächte einfallen. Mit Helge, dem Sohn der Köchin Line, da der einen Köcher durch die Ostsee ziehe. Helge bezahlt keiner mit Salz. Etwas anderes wäre nicht zu teuer. Voll Glimmen, sieht Vedder auf Helena. Sie schlürft ihre Suppe vom Löffel, der vibriert, dann inne hält.

      „Ja!“, erwidert Helena, schluckte einen Anflug von Glucksen inzwischen mit der Suppe. „Das Schicksal schickte mir Not, die ich abwende. Niemand kauft mein Land am Feuchtgebiet! Vielen Reichen aber gefällt hübsches Spielzeug für die Kinder und der Schmuck mit Bernsteinen an sich selber.“

      Ihre Worte gemahnen Vedder an die Not in den Katen. Auch an jene vor den prachtvollen Kulissen Flanierenden, die sich daran ergötzen, weniger am Hinterland. Gedankenvoll löffelt er seine Suppe. Nach kurzer Zeit hört er seine Töne tieferen Schlürfens als Helena, die längst nicht mehr den Kopf hebt. Damit sie seine Begeisterung nicht erschrecke, haucht er bedächtig leise:

      „Von der Wolgaster Fähre kenne ich einen Weber, ihm könnte ich die fertigen Bernsteine bringen. Er treibt allerlei Handel, sein Weben ernährt keine Familie. Er wirft an Land viele Netze aus.“

      Vedder legt den Löffel ab, reckt seine Hand, reibt zärtlich wie selbstvergessen über ihr Handgelenk. Helenas Inneres seufzt wohlig, doch darin vibriert ein wenig die vorherige Erkenntnis.

      „Du fällst mit der Tür ins Haus, wirfst mir ein Netz zu?“

      Ihr wonniges Lächeln bezaubert Vedder. Zaghaft liebkost er ihre rosigen Finger, hebt seine Hand ab, spricht verträumt. „Hin und wieder fische ich mit ganzer Seele. Und gebrauche mitunter wie die Fische die Flossen, wenn der Wind dreht. Um mich freizuschwimmen und abzutreiben, ruft es der See so laut, dass ich einfach hinein waten muss.“

      Ein sturer Zug verhärtet sein Kinn. Helena aber sieht schon in ihrem Inneren den gerne besuchten Findling sonnen-überflutet liegen. Wie sehr sie sich danach sehnt! Von Vedders verträumten Ton bewirkt? Sie lauscht dem nach - und dem, steht sie auf dem Stein und gibt Lasten dem Wind für den Wunsch, er möge die annehmen. Plötzlich versteht sie Vedder besser.

      „Das kenne ich. Wächst mir etwas über den Kopf, seh ich den Horizont an. Davon abgesehen auf uns, mir genügt deine Antwort noch immer nicht!“

      Er wiegt den Kopf ob ihres Naturell, nicht zu klagen, bis ihr die Luft ausgeht. Das übertrifft seine Angst vor Abfuhr.

      „Ja, mein Netz werfe ich dir zu, unter der Bedingung, auch dich freizulassen, wenn dich die Winde fortwehen. Es ergänzt unseren Handel und wäre abgemacht! Oder magst du mehr an Freundschaft?“

      Zärtlichkeit glimmt in Vedders Augen, in die Helena frech hell heraus lacht. Sie kraust die Nase, denn ihr Gedanke an den Seewind gab ihr doch etwas völlig anderes ein.

      „In der Kammer steht der Badezuber. Juckt es nicht überall? Das fleckige Hemd und dein Schweiß scheinen älter zu sein als dir der Wachtmeister Karl erlauben könnte! Wie wär es? Nimm ein gutes Hemd von Joos an, sein Rasierbesteck. Wasser erwärme ich dir am Feuer, und gehe dann schlafen.“

      Vedder erwacht anderen Tags vom Klappern des eisernen Dreibein im Kamin, in einer Pann rührt Helena in Bratkartoffeln. Er nimmt die Kaffeemühle, schlägt die Kurbel. Als das Aroma der zu Mehl verfeinerten Kaffeebohnen in seine Nase steigt, hat er genug von seinem Nachtalb und von Helenas Schweigen.

      „Bist nicht gesprächig. Hast auch du schlecht geträumt?“

      Helena zieht ihren Mund schmal. Alsbald stellt sie auf den halb abgeräumten Tisch zum gebrühten Kaffee ein Achtel Käselaib und die Bratkartoffeln. In Gedanken versunken essend, betastet sie ihre gestrickten Wollteile.

      Binnen