Roma Hansen

Sonne satt


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fahre ich gerne heim. Rollen die Räder, rutschen bessere Gedanken ins Gemüt, und längere als mein Gesicht dir eben wohl wirkte. Heute ist ein zwar komischer doch prächtiger Tag, den es lohnt, zu erleben.“

      Seine Finger umschlingen fest Usas, während sie die Kehre um einen schulterhohen, kleinblättrigen Heidelbeerbusch gehen. Im nachfolgenden Umrunden eines weiteren dröhnt ihnen, wie vom heiteren Himmel gefallen, in das Knirschen ihrer Sohlen ein metallenes Geräusch von Schaufelschlägen auf steinigen Grund.

      8

      Ein gutes Stück fern davon zuckt Anton zurück, duckt sich ins mannshohe Gebüsch. Usa prallt an ihn, kann nicht anders. Einen Zweig niederdrückend, beobachten sie das Gesicht von Carel aus einem Schacht auftauchen. Steine fliegen hinaus zum Rucksack, oberhalb liegend. Weiterbuddelnd im Loch, wirft seine Schaufel Erde und einzelne andere Gesteine an den Schachtrand.

      Mit körperlichem Unbehagen empfindet Usa sein Rackern, will flott im Bogen um Carel herum, und schaut Anton an. Seine Hand raspelt am Bauch an einer weitaus lästigeren Abneigung.

      „Spinnt der?“, flüstert Anton, presst den Mund ein, rülpst dann, und stößt aus: „Davon quasselte der Bauer! Durch hirnlos Abgedrehte wie Carel, leidet unser Ansehen! Ich muss ihn davon abbringen, bevor die Policia ihn erwischt. Wir kennen hiesige Regelungen. Dürfen wir das einem Neuling wie ihm verschweigen?“

      Heftig nickt Usa, reckt sich. Anton lässt den Magen und den Zweig los, setzt einen Schritt an den Pfad zur Grube. Überlaut tönt seine Frage hinunter zum Auslöser der fliegenden Steine.

      „Ein Geologe am Werk? Carel, wie kommst du hier herauf?“

      Carel reckt den Kopf, wischt staubiges Haar aus der Stirn.

      „Mit dem Wanderertransport am Morgen, geht spätnachmittags abwärts. Ausgemacht ist, wo ich zusteige.“ Schroff klingt sein Ton. „Wollt ihr etwa auch mit? Ach nee, ihr habt den Jeep.“

      „Mit dem fahre schleunigst mit“, hebt Usa an, „sonst rechne bei deinem Lärm jeden Moment mit den Kontrolleuren von Windpark und Naturschutzgebiet!“ Ihren Protest verstärken ihre Fäuste an den Hüften, und die vehemente Frage: „Das hier ist genehmigt?“

      Vor Unvermögen, ihr in nur irgend einer Weise zu antworten, fahndet Carel nach dem Kick, der die dreisten Störer, in deren Hirnen wohl zu viel Höhenluft ankam, vertreibe. - Er pocht mit der Schaufel in der Grube herum. Dumpf klingen die Schläge aus, bei Carels letztem Gedanken für eine deftige Antwort.

      „Das sind bloß snobistische Ingenieure. Naturforscher wie mich faszinieren Sedimentproben. Ich werde, an Pollenspuren von Alters her, Rückschlüsse ziehen auf wertvolle Edelsteinadern. Wer weiß? Dafür sind die Sesselfurzer nachher um so dankbarer.“

      Antons Augen weiten sich böse, er winkt mit einer Hand.

      „Quatsch nicht, Esospinner, raus aus dem Loch, los jetzt!“

      „Ha! Bin ich dir ein Spinner, bist du mir ein vertrockneter und unwillkommener Dilettant!“, zürnt Carel. „Ich forsche, mag keine Nebensächlichkeiten oder meine Beweggründe preisgeben.“

      „Klappe, Carel!“, schimpft Usa. „Du würdest nicht buddeln, wärst du in den Grutas von Sao Vicente gewesen! Die gehören zur Entstehungsgeschichte Madeiras, aus vulkanischer Eruption am Meeresboden, ähnlich einer Warze! In den Steinhöhlen siehst du das kalte Magma! Für anderes ist die Insel viel zu jung!“

      „Meinst du! Willst mich nur von meinen Anreizen abbringen.“

      Dies erledigt, ohne viel Federlesens, eine kräftige Bö über der Schicht der trockenen Erde am Rand, und stäubt Carel in die Augen. Er reibt mit dem Taschentuch darin, äugt vor Tränen aus der Grube. Dann, gestützt am Schaufelstiel, steigt Carel heraus und stolziert um die aufgeworfene Erde an der knappen Terrasse vor dem nahen Felsen herum. Mannshoch wächst das Muttergestein aus dem Hang, an dem oberhalb niedriges Gestrüb steht, und eine rosa Orchidee des Felsenknabenkrauts sich in den Luftzug neigt. Der blanke Fels wurde von Wasser gerundet. Carel lehnt sich an, rubbelt seine Finger an einem flachen Steinbrechgewächs sauber, und wirkt nachdenklich. Kurz nur, dann sammelt er einige Steine in den Rücksack und klappt auch den Spaten zusammen, steckt den ebenso hinein. Kurzum tritt er zu Anton und Usa auf den Pfad.

      „Kommt noch mehr Wind auf, staubt es hier gewaltig“, äußert Carel kühl. „Mit euch zu fahren, wäre nicht abwegig. Die Proben kommen früher in die Post zum Labor. Danke fürs Angebot.“

      Diesmal fahren sie eine andere Strecke als bei ihrem Treffen im Unwetter, passieren unterwegs eine von verdorrtem Gras bedeckte Haltebucht seitlich der Hochebenestraße. Sonnentrockene Steine liegen daran wie hingeworfene Bälle, und großzügige Fladen von nächtigenden Rindern. Danach lenkt Anton den Kombi in den Wald, durch den eine neu angelegte Straßenbegradigung führt.

      „Das hier ist mir neu! Anhalten!“, fordert Carel. „Ich will zutage liegende Schichten analysieren, daran kratzen! Die sehen aus, als wären riesige Edelsteindrusen herausgerollt.“

      Wider besseres Wissen stoppt Anton an dem abgetragenen Berg neben der Straße, und steigt aus den Kombi. Carel entnimmt dem Rucksack Döschen für die Proben, und beginnt an die Bergflanke.

      „Ich fuhr hier vorbei, als die Bagger alles platt machten. Von vorzeitlichen Pollen oder Samen findest du rein gar nichts, so wie das hier aussieht!“, ruft Anton ihm nach.

      Usa steigt aus und sieht sich genötigt, ihren und seinen Unmut am Boden zu halten. Anton nahgekommen, streicht ein Wind lau über den rötlichen Lavastaub, wirbelt den in umschichtenden Kreisen auf, und mit sich dürre Nadeln, von den an der anderen Seite wachsenden Pinien.

      Diesseits entdeckt Usa Felslöcher natürlichen Ursprungs in der annähernd zwanzig Meter hohen, von mannigfachen rotbraunen Schichten armbreit durchzogenen Wand. Seltsam quer absteigend laufen die Lagen, eben ehedem eruptiv. Beeindruckt von Carels Gespür, lässt Usa ihn gewähren und entfernt sich zu einer der ebenerdigen ovalen Felshöhlen, in Lehmerde eingeschlossen.

      Schon kurz davor schlägt ihr, auf einer neuerlich lauen Bö, ein süßlicher Gestank entgegen. Wie vom Blitz getroffen kraust Usa ihre Nase, murmelt mit mühsam niedergehaltenem Ekel:

      „Totes Getier verwest.“

      „Ach was!“, meint Anton, ihr nachgehend, ungerührt.

      Seine Neugier überwiegt. Er verwedelt die Luft, zieht Usa mit fester Hand vor die Höhlenöffnung, um die im hinteren Ende rund gewölbte Steindecke anzusehen.

      Darunter wäre gebeugt einzutreten, doch im letzten Drittel, wie ins Dustere gezerrt, liegt ein Körper krumm hingestreckt. Partien bloßer Haut umschwärmen, neben kleinen schwarzen, große grün schillernde Fliegen. Das Gesicht ist kaum mehr erkennbar.

      „Die Arbeit von Ameisen“, zischt Usa, und würgt schon einen Schritt weiter den Saft ihres Magens ins Geröll.

      „Habt ihr etwas gefunden?“

      Im Nähern schraubt Carel sehr zufrieden den Deckel auf eine Probe. Dann tritt er neben Anton vor die Höhlenöffnung und hält sich die Nase zu. Schmal steht er dort und gerät er ins Wanken, ob hinzusehen oder umzukippen wäre. Sich drehend, hüpft er in einem einzigen Sprung außer Sicht.

      Anton erwägt, er hat selbst nichts anderes vor, doch vermag vom Gebrumm über der Leiche nicht wegsehen. Still fluchend wie ein Inselrüpel, wendet er sich kurzum in Usas Richtung.

      „Los, zur Polizei im nächsten Ort. Anhand der Entwicklung der Fliegenmaden bestimmen sie dann die Todeszeit und mehr.“

      Angekommen nun am späten Nachmittag, eilt Anton in die für den Naturpark zuständige Behörde und vor den apathisch dasitzenden Beamten. Er tritt an den Tisch heran, der einer Kinderschule entlehnt scheint. Tintenflecke zieren das wurmstichige Möbel.

      Was geschieht, bis der Beamte sich bequemt?, bedenkt Anton, und radebrecht mit seinen Brocken Portugiesisch