Roma Hansen

Sonne satt


Скачать книгу

aufrechte Pose, raunt tief im Ton:

      „Gib ihm Recht! Und den genialen Fabelwesen, die für deinen Boss den skurrilen Gast schickten.“ Sie hellt ihre Stimme etwas auf. „Orientiere dich, gemäß deinem Rat an mich!“

      Die Kerben an Veras Augen zeichnen sich weich.

      „Dümpeln lassen, endet im Backen nur für verwöhnte Gaumen.“

      „Ich begehre ruhigen Schlaf“, murmelt Margarita, aber auch ob ihrer großartigen Mitbewohnerin bescheiden. „Danke für deine Zeit und Hingabe und Achtsamkeit, du Liebe.“

      Margarita steuert die Außentreppe an. Während sie nach oben steigt, öffnet Vera unter dem Balkon die Küchentür, knipst die Deckenstrahler an, flutet gelb den Raum. Am Kies des Vorplatzes erlischt, synchron dazu, der Widerschein aus dem Bürofenster. Verdutzt sieht Margarita es dunkeln, und vermutet, Anton rang, spät nachts noch aufgestanden, mit einem seiner Projekte.

      7

      Morgenlicht flutet durchs Fenster ins Büro, wo Usas fliegende Finger an klickende PC-Tasten tippen. Es hallt im Raum, der ein Jahr lang ein Baustofflager war. Inzwischen ist der Ätzduft des Zements und der des safrangelben Wandanstrichs verflogen. Doch erscheint die eigentliche Bestimmung nicht eingekehrt zu sein, die Bodenfliesen gähnen leer in den acht Metern vom Fenster zur Bücherwand, an der soeben Anton in etwas blättert.

      „Nun ist der andere Blick aufs Leben sehr gut beschrieben“, erklärt Usa halblaut, sodass es Anton hinter ihr hören kann.

      Zufrieden beendet sie ihren Artikel über den Haussuchenden, in dessen Börse sie damals in Funchal das Foto seines Freundes sah. Noch ein letztes Mal ergreift Usa ihren bei der Tastatur liegenden Kristallquarz, rollt ihn in Händen und reflektiert zu den verwandten Seelen hin. Schlussendlich mailt sie ihren Text an das Inselmagazin und stöhnt erleichtert auf.

      Vor der Bücherwand gesammelter Werke klappt ein Buch zu.

      „Stöhnst du aus vollem Herzen? Nach schwerstem Schreiben übers Hausschlachten?“

      „Kariert, wie ich mir heute vorkomme, ist ein Seufzer drin. Aber nicht wegen deiner Schlachterlebnisse, von denen bislang zu uns kein Schinken flog! Eher wünsche ich mir mehr Artikel im Licht am Ende des Tunnels, das dem Männerpaar heimleuchtet ins Glück unter der Sonne, unter ihr erwachen ihre Seelenteile.“

      „Ups! Rücken zwei Kerle neu an?“ Anton schaut ihr über die Schulter. „Und denkst du, nichts geht mehr ...? So formulierst du analog der flüchtigen Begegnung im Februar?“

      Nah seiner Körperwärme fällt es Usa schwer, nicht auf seine Dreiviertelhose, sein weiß strahlendes Tshirt zu blicken, sich vom Ziel ihrer Zuneigung zu überzeugen. Rau wird ihr Ton.

      „Das Lichtlein kaust du von einer Wange in die andere, bis dein Allerwertester aus der Warteschleife ausscheren kann.“

      „Drauf spucken hast du elegant weggelassen, meine Liebe.“

      „Ich schrieb mit dem 'in die Hände spucken' im Sinn. Leser sollen kichern vor unerfüllten Träumen. Wir renovierten unsere alle Wünsche erfüllende Quinta, und arrangieren uns darin mit dem Äußeren und den Fragmenten an uns allen im Hinnehmen.“

      „Schreibe über Windeier. Oh, die Mail ist ja schon raus!“

      Übermäßig hell blitzt Usa zu Anton hoch, er spricht seit kurzem witziger, das verändert die Atmosphäre ihrer Beziehung. Sie klopft auf den Stuhl neben sich, damit Anton sich setze.

      „Windeier? Leerhüllen, mit heißer Luft gefüllt? Erfolg nur den Comiczeichnern versprechend.“

      Sitzend schlägt Anton die Beine übereinander, etwas spannt sein Hosenbund, darüber zupft er das Tshirt. Lang genug ist es. Auch seine Ironie, indes seine Zehen in den Sandalen spielen.

      „Ein Steinbruch voller Charakterzüge spaziert in jedem Haus über den Desktop. Im Effekt liegt das Schnäppchen für Profis.“

      Der Funke springt über, Usas Mund grinst breiter.

      „Lieber schreibe ich von den guten Kreditkarten der inneren Bank, dem Logo von Überfluss. Eines meiner Leitmotive.“

      Usas feingliedrige Finger mit den rund gefeilten Nägeln, um die Klienten nicht zu pieken, was zuvor noch ihr Anliegen war, betrachtet Anton. Nachdenklich zupft er sein linkes Ohr.

      „Verulkend schreiben, wäre die halbe Miete.“

      Usa hebt ihre von Sonne gebleichten Brauen. Im Blickkontakt mit Anton, senkt sie ihre Stimme eine Oktave tiefer.

      „Für die andere Hälfte steppe ich morgen wie ein Bär im Job mit Hotelgästen, am neuralgischen Stress eines Durchhaltens bis zur Erschöpfung in der kunterbunten Welt. Um deren Behaftetsein in Pointen umpolen zu können, dafür entfaltet sich mein Talent täglich mehr.“

      Gesprächsfetzen nach jener Fahrt im Februar erinnert Anton. Usa redete danach niemals mehr so offen. Ein günstiger Moment, sie in seine Überlegungen einzuweihen.

      „Genau. Hör meine Idee an. Ich werde Kräuter der Hochebene sammeln, und mir die Stellen merken. Später trockne ich sie für Käufer von Lians Skulpturen. Und ansprechend verpackt wären sie in hübschen Beuteln. Kräuter helfen bei Wehwehchen. Mit starken Schmerzen gehen die Leute sowieso zum Doc. Was meinst du?“

      Anton gewährt Usa eine Minute in Resonanz, bevor er ihr ein großformatiges Buch hinlegt. Den in Gelb gefassten Buchdeckel zieren Muster und Motive der indianischen Lebensart.

      „Es handelt vom diätetischen Erbe. Seit ewig sehen Indianer ihre Körper als geweihten Boden, als heilig. Toxine durch Gifte negativer Einstellungen sind für sie Saaten des Wissens.“

      „Willst du geistige Nahrung und andere Gegengifte vor die Leute bringen? Deine Begeisterung reicht, um Kräutersäckchen zu verkaufen? An dir probiere mögliche Wirkungen aus. Na, ich will sehen, was die Psyche nicht abstürzen lässt in der Menopause.“

      Ihr Finger gleitet am Index abwärts auf einen lateinischen Begriff für Rotklee.

      „Den pflückte sich eine Insulanerin. Lese genauer auch nach bei anderem, Anton.“

      „Tat ich, stehe trotzdem wie ein Ochs am Berg. Nur Kenntnis reicht nicht für eine landestypische Parallele. Das Beispiel zu den Wechseljahren passt mir schon gar nicht!“

      „Sollte es aber! Genau wie du, absolvierte ich Anliegen und wurde kein Elternteil. Nun verabschiedet sich das Funktionelle zusammen mit einem sexuellen Absterben, lasziv gesagt. Bemerkst du an dir kein mäßiges Schwinden?“

      Antons Statur wirkt hölzern. Schon wallen in Usa Spott und Sticheln. Sie reibt heftig über ihren bunten Batikrock.

      „Unsere Sozialisation formte der Kleinstadtmief, im trüben Schatten der Flowerpower. Um etwas Sinnhaftes bemühte ich mich, die sexuelle Revolte nutzte mir nichts, kultivierte nur fiktive Freiheit. Hocherotische Frequenzen entgehen der PC- und Handy-Nation, insbesondere der Minderheit der Minus Vierzig, die noch erotisch Befriedigung sucht, weniger Lebensenergie meiner Art.“

      Usa hört Anton trüb seufzen, doch hart klingt seine Stimme.

      „Meintest du gestern diesen Klotz? Du sprachst vom Ballast, den du dir aus den Zellen heraus wünschst. Und mir erklärst du damit sowohl deine Hormonschwankungen wie deine Rückzugsphase.“

      Ob seines Unverstehens ihrer Botschaft, kehrt sich in Usa ruckartig ihr warmes Gefühl um in einen sprühenden Widerspruch.

      „Gestern war unser Beisammensein wichtig. Ich spuckte nicht meinen Ballast in die Runde wie du, was dann Leo dir abwürgte! Denn auch sie sah in die Gartenwüste.“

      Anton verlagert sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Noch schwankend am Stuhl, festigt er seine Tonlage.

      „Kram von gestern! Ebenso die Falle meiner Fehler. Ich kann reflektieren. Suche dir erst einmal einen neuen Hoteljob!