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Susanne Sievert
Sternstunde
Der finstere König
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Inhaltsverzeichnis
Inhalt
„Ich will alles. Nicht nur mein eigenes Land. Ich will den Norden, den Osten, den Süden, und den Westen. Ich will jede verfluchte Seele, jedes schlagendes Herz. Männer, Frauen, Kinder. Ich nehme mir alles. Mit Feuer und Schatten werde ich jedes der Reiche an mich reißen. Die Welt gehört mir, und jedes Lebewesen wird lernen, vor dem König zu knien. Ich bin der finstere König - und ihr seid NICHTS.“
In diesen vier Geschichten kämpfen vier unterschiedliche Frauen zeitversetzt gegen das Böse. Der Schatten greift nach ihren Seelen, und jede von ihnen muss sich beweisen.
Im Norden löscht der finstere König ganze Stämme aus. Seine Drachen fliegen über die nördlichen Gebiete, und ihr heißer Atem ergießt sich über die unschuldige Bevölkerung. Die Häuptlingstochter Udy kommt mit dem Leben davon, aber was sich nach dem Angriff in ihr Herz frisst, ist gefährlicher als die kalten Fänge des Königs.
Im Süden kämpft Shanalei, von ihrem Meister Soraya genannt, mit ganz anderen Problemen. Sie muss ihrem Meister unter allen Umständen gefallen, wenn sie den Schlägen und Demütigungen entkommen möchte. Ihre Situation erscheint hoffnungslos, denn dem Sohn des finsteren Königs ist sie hilflos ausgeliefert. Doch als Prinz Al’Dabar im Palast erscheint, geraten die Pläne ihres Meister ins Wanken.
Im Osten lebt Shen Su einsam und verlassen im letzten Tempel des Landes. Unter der Herrschaft des finsteren Königs verlieren die Menschen ihren Glauben, und es gibt niemanden, der auf Shen Sus heilende Kräfte vertraut. Die Einsamkeit drückt immer weiter auf ihr Herz, bis die Priesterin eines Tages entscheidet, ihre Heimat zu verlassen. Den einzigen Ort, den sie je kennengelernt hat. Sie sehnt sich nach ihrem Bruder und will ihn unter allen Umständen finden. So reist sie ins verdorbene Land und ahnt nichts von den Grausamkeiten, die sie dort vorfinden wird. Ihr Bruder erwartet seine Schwester bereits mit offenen Armen und blutigen Händen.
Im Westen haben die Dunkelelfenkinder Jewell und Jareé ihre Eltern verloren. Es herrscht Krieg zwischen den Lichtelfen und den Dunkelelfen und als wäre das nicht genug, kündigt sich der finstere König auf schwarzen Schwingen an. Niemand ahnt etwas von seiner Ankunft, denn statt mit Drachen und Schwert greift er mit schönen Worten und einer List an, die Jewell aus dem Leben wirft. Die Liebe zu ihrem Bruder hält sie aufrecht, aber was geschieht mit ihr, wenn diese Liebe nicht mehr erwidert wird?
Widmung
Für meine kleine Familie,
denn hier strahlt das Licht am hellsten.
Udy
Im Norden
Der Himmel färbte sich schwarz, Schreie zerrissen den Tag und tauchten ihn in eine tiefe finstere Nacht. Alles was wir kannten, war vergangen – versunken im roten Nebel. Die Schreie der Riesen wurden verspeist von dem hohen, schrillen Kreischen der Drachen, die von einem Augenblick auf den nächsten mehr als die Hälfte des Dorfes mit ihrem Höllenfeuer vernichteten.
Rauch, Rauch, überall Rauch. Blut haftete an meinen Händen, meiner Kleidung. Ich schmeckte Blut auf meiner Zunge, würgte gebeugt und geplagt über den toten Leibern meiner Familie. Ich schrie und hustete, fluchte und heulte wie ein kleines Kind.
Meine Mutter lag mit offener Kehle am Boden, ihre Augen starr und leblos zum Himmel gerichtet. Ich wollte sie umarmen, ein letztes Mal halten und mich geborgen fühlen. Doch ich klammerte mich an einen kalten, starren Körper und mit dem Wissen, meine Mutter für immer verloren zu haben, wuchs die Verzweiflung. Mein Herz presste sich zu einem schmerzhaften Klumpen zusammen. Sie war die Einzige, die mich verstand. Die Einzige, die mich beschützte. Sie war es, die sich vor mich stellte, als die Soldaten unser Heim angriffen. Sie schenkte mir das Leben und starb für mich und alles, was ich ihr gab, waren meine Tränen. Ich weinte um sie, um mein Volk und um mich.
Die Drachen hatten bei ihrem Angriff das Dach weg gerissen und während ich meine Mutter hielt, sah ich den schwarzen Himmel, vernahm aus weiter Ferne die kräftigen Flügelschläge und die schweren klirrenden Schritte der Soldaten.
Die Drachen zerstörten unser Heim – sie zerstörten alles in nur einem einzigen Augenblick. Wie konnte uns das nur geschehen? Wir waren vorbereitet gewesen, unser Volk war kampferprobt. Aber auf eine Naturgewalt wie diese konnten sich die Lebenden nie vorbereiten, denn das waren die Drachen. Eine Naturgewalt, die es immer gab und immer geben wird. Geboren aus Feuer – nur sich selbst gehörend.
Ich schloss die Augen, wartete ich auf die Soldaten und auf meinen Tod.
Hitze durchflutete meinen Körper und schwemmte die Wärme von meinen nackten Füßen bis hinauf zu meinem Kopf. In meinen Vorstellungen war der Tod stets kalt und betäubend gewesen. Grabeskälte, so erinnerte ich mich an die Worte meines Vaters. Ich blinzelte in das Licht, konnte meine Augen nicht öffnen. Tränen rannen über meine blutigen Wangen. Meine Augen schmerzten von dem grellen Licht. War das die Sonne? Meine Haut brannte, und die Hitze drückte meinen Atem tief in meine Brust.
Kein guter Tag zu sterben. Die Worte flimmerten in meinem Kopf. Kein guter Tag zu leben. Was nun? Ich musste mich für eines entscheiden.
Ich wog das Für und Wieder ab, bis ich einfach müde die Augen schloss und das Feuer einen Weg über meinen Körper fand.
„Dummes Kind!“
Das waren die ersten Worte, die ich vernahm, als ich das Bewusstsein wieder erlangte. Kaum öffnete ich die Augen, da traf mich rechts und links ein kräftiger Faustschlag. Ein Grinsen huschte über mein Gesicht. So fest konnte nur eine zuschlagen.
„Amüsiere ich dich? Glaubst du, ich habe mich zu meinem Vergnügen ins Feuer geworfen, um deinen verkrüppelten Körper aus dem Schutt zu ziehen?“
Mit Leichtigkeit wurde ich an den Schultern hoch gezogen und auf die Füße gesetzt. In meinem Kopf flimmerte es. Ich hustete Staub und Asche und Baktas ungeduldige Tritte gingen mir gehörig auf die Nerven. Blinzelnd öffnete ich die Augen, mein Herz schlug so schnell, das es in meiner Brust schmerzte. Die Erinnerung traf mich wie ein weiterer Faustschlag. Mein Heim stand in Flammen, über ihm kreiste in großen Bahnen ein schwarzer Drache. Auf ihm saß eine Gestalt, die ich von hier unten nicht erkennen konnte, aber es konnte sich nur um ihn