Schmerz in ihren Augen durchbohrte mich und traf mein Herz. Was hätte ich vor wenigen Tagen dafür gegeben, zu wissen, welcher Feuersturm uns erwartete? Warum sollte ich die Menschen warnen? Nahmen sie an meinem Schicksal teil? Was kümmern sie mich?
Zum Teufel, wem machte ich etwas vor? Zu dem Zeitpunkt, als Dora mich in ihr Haus einlud, waren mir die Menschen nicht mehr egal.
Dora trat auf mich zu. Das Verlangen wurde in ihrer Nähe immer unerträglicher.
„Warum?“ Tränen rollten über ihr gerötetes Gesicht.
Gab es auf die Frage „Warum“ eine Erklärung?
„In Zeiten des Krieges kennt der finstere König weder Verbündete, noch Feinde“, meine Hand berührte tröstend ihre Schulter. Dora griff dankbar nach meiner Berührung, die ich sofort zurück zog. „In der Luft hängt der Atem der Drachen. Sie werden bald erscheinen, und euer Dorf mit ihrem Höllenfeuer niederbrennen.“
„Ich wusste es.“ Bestürzt hielt sich Dora beide Hände vor den Mund. „In einer Vision habe ich es deutlich gesehen. Rauch, Feuer und Blut... Die Drachen kreischten am schwarzen Himmel, und ich habe das Gesicht eines Mannes gesehen. So finster und kalt. In seinen Augen erblickte ich den Tod. Er war der Tod.“ Ihr kleiner Körper erzitterte. „Dann, umgeben vom schwarzen Rauch und Feuer, erblickte ich rotes Haar und eine Narbe, die im Schein des Drachenatems leuchtete. Ich habe dich gesehen, Fremde. Ich wusste, du wirst uns vor dem finsteren König retten.“
„Es reicht, Dora!“, brüllte ich, und schlug Dora härter ins Gesicht, als ich es beabsichtigte. Stumpf stürzte die Menschenfrau zu Boden. In meiner Hand lag zitternd der Dolch, und als ich mich zu ihr herab beugte, erblickte Dora in meinen Augen die Bestie, die ich nicht mehr vor ihr verbergen konnte.
„Ich kämpfe nur für mich! Meine Taten retten niemanden.“
Schwer atmend steckte ich den Dolch in den Schaft. Mit weit aufgerissenen Augen verfolgte Dora meine Bewegungen, und in ihrem verheulten Blick konnte ich nun erkennen, warum ich es nicht über mein Herz brachte, sie auszuschlürfen wie eine reife Frucht. Die Erinnerung streifte mich wie ein Blatt im Wind. Vor mir hockte das kleine Mädchen, das ich einst gewesen war. Wir wurden zur Belustigung der Götter erschaffen, um unser Leben in einem ewig währenden Kampf zu bestreiten und um statt von Liebe, von Furcht und Beleidigungen umgeben zu sein. Weil wir immer anders sein würden als alle anderen unseres Schlages.
„Was soll ich denn nur tun?“ Ihre Unterlippe zitterte, und ihre Hilflosigkeit stand wie ein Schild zwischen uns.
Ich schnaubte. „Packe das Nötigste, und renne so schnell dich deine Füße tragen können.“
Entschlossen öffnete ich die Tür, achtete nicht weiter auf ihre Tränen, die mein Herz so sehr berührten. Der Abgrund verlangte nach Blut und Dora sollte nicht zu meinen Opfern zählen.
Dank der Dämmerung befanden sich die meisten Dorfbewohner in ihren Hütten. Meine Brust schmerzte mittlerweile so sehr und in meiner Kehle brannte ein Feuer, dass ich sofort Yeleb finden musste, bevor ich den schnellen Weg wählte und Dora tötete.
Der Wahnsinn ließ mir am Ende meiner Kräfte keine andere Wahl.
Sein Geruch war überall, aber am stärksten vernahm ich ihn nicht weit von Dora entfernt, in einer weiteren Schänke. Im Schatten verborgen wartete ich auf Yeleb wie eine Spinne auf ihre Beute, geduldig und immer hungrig.
Eine Stunde später stolperte der Soldat die Stufen der Schänke hinunter, lachte betrunken und stürzte erneut in den Sand.
Blitzschnell trat ich aus den Schatten heraus, packte ihn an dem Kragen seines Hemdes und zog ihn in einen Gang zwischen zwei Hütten. Ächzend richtete ich ihn auf, und setzte mich ihm schweigend gegenüber. Er roch nach dem scheußlich schmeckenden Gerstensaft, aber ich blendete den Geruch aus und konzentrierte mich auf den süßen Duft seines Blutes, das warm in seinen Adern floss und für mich die schönste Melodie sang.
Leise murmelnd und nicht Herr seiner Sinne, wischte er sich den Dreck aus den Augen, blinzelte in die Dunkelheit und sackte schließlich seufzend zusammen, als er mich erkannte.
„Bei allen Göttern.“ Seine Augen drehten sich bei dem Versuch, einen klaren Gedanken zu fassen. „Träume ich?“
„Nein“, flüsterte ich mit rauer Stimme. Meine Hand lag ruhig auf dem Dolch.
„Was willst du noch von mir?“ Seine Stimme lallte, und er schwankte verdächtig von einer Seite zur anderen. „Mein Leben?“
Langsam löste ich den Mantel von meinen Schultern und ließ ihn auf die Erde fallen. Verwirrt, aber auch gleichzeitig erfreut, beobachtete Yeleb, wie ich ein Kleidungsstück nach dem anderen auszog und am Ende nackt vor ihm stand. Das einzige was ich nicht ablegte, war der Gürtel mit dem Dolch daran.
Vom Gerstensaft berauscht zeigte Yeleb keine Furcht, als ich mit dem Dolch die Knöpfe seines Hemdes abschnitt. Mit tiefen Schnaufen ergab er sich seiner Erregung, ließ mich gewähren.
Das Metall wanderte von seinem Hals hinab zu seinem Bauch, wo ich den Knopf der Hose abschnitt. Mit einer einzigen Handbewegung riss ich ihm auch den letzten Stoff vom Leib.
Mein Kopf senkte sich auf seine Brust, und ich atmete den Geruch seines Blutes ein. Mit der Messerspitze schnitt ich in seine Haut - genau an der Stelle, an der sein Herz schlug. Ein leises Stöhnen entfuhr ihm, als meine Zunge sein Blut auffing und über seine Wunde leckte. Das Feuer bäumte sich auf, verwandelte sich in Lust. In Gedanken hörte ich die Flüche meines Vaters und die warnenden Worte meiner Mutter. Es war mir egal. Alles was ich in diesem Moment begehrte war, mich dem prickelnden Gefühl hinzugeben.
Wir verschenkten keine weiteren Worte. Mit dem Dolch in der Hand, setzte ich mich auf seinen Schoß, und wir liebten uns kurz, aber heftig.
„Yeleb.“
Der Soldat vernahm seinen Namen aus meinem Mund, beendete stöhnend unser Liebesspiel.
Sein Kopf schaukelte befriedigt auf seiner Brust, als ich mich von ihm löste und mich sogleich ankleidete.
„Und nun?“, fragte er leise. „Folgt jetzt wie versprochen mein Ende?“
Seine trüben Augen waren auf mich gerichtet. Der Geschmack seines Blutes lag noch auf meiner Zunge, und es gab nur eine Antwort auf seine Frage.
„Ja.“ Das Metall glänzte in meiner Hand. „Ich will dein Blut an meiner Klinge.“
Er lachte leise, als handelte es sich um einen Witz.
„Dann war unser Liebesspiel eine Entschuldigung?“
Langsam beugte ich mich zu ihm hinunter. Der Stahl in meiner Hand fühlte sich großartig an, kein Mann dieser Erde konnte mir dieses Gefühl geben.
„Nein, es war ein Tausch.“
Kopfschüttelnd verbarg er sein Gesicht in seinen Händen.
„Du bist ein anständiger Mann, Yeleb“, versuchte ich zu erklären. „Allerdings schuldest du mir dein Leben. Ich hatte es dir gesagt. Beim nächsten Treffen töte ich dich.“
Lachend schlug Yeleb auf sein Knie und starrte zu mir herauf, als wartete er auf das Ende eines Scherzes. Nur langsam begriff der Soldat, dass der Tod nur noch einen Schnitt entfernt vor ihn stand.
„Du bist wahnsinnig. Du bist eindeutig wahnsinnig!“
Ja, wahnsinnig vor Durst.
Mit Bedacht setzte ich den Dolch an seine Kehle, schnitt in seine Haut und beobachtete wie die ersten Tropfen roten Blutes an dem Stahl hinunter rannen. Yeleb begann zu schwitzen und zu wimmern, aber das Rauschen seines Blutes übertönte diese Geräusche. Befriedigung umschloss mein Herz, und Wärme durchströmte meinen Bauch. Ich wollte mehr, viel mehr. Der Abgrund in meiner Brust klaffte weit auf, bereit, das flüssige Gold zu empfangen.
„Nein, bitte... Bitte nicht...“, keuchte Yeleb.
Er würde sein Leben aushauchen und dachte an all die Wünsche und