Susanne Sievert

Sternstunde


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Feo Kun fletschte die Zähne und gab ein wohliges Knurren von sich. Er hatte keine Angst vor mir. Das sollte ich ändern.

      „Es gibt mehrere Gründe, warum ich dein Angebot ausschlagen muss. Zunächst teile ich meinen Körper bereits mit einer Göttin, und die Vorstellung, meine Gedanken auch mit dir teilen zu müssen ist geradezu unvorstellbar. Hinzu kommt, dass ich mir eher einen Arm abschneide, als dich näher wie eine Messerlänge heranzulassen.“

      Sein Lachen klang wie das Knacken einer Feuerstelle.

      „Zu guter Letzt: Alles, was ich begehre, ist Blut. Doch auch hier bin ich wählerisch. Es ist nicht das Blut der Menschen, das ich verlange. Es ist das Blut von Monstern, und deines wird auf meiner Zunge tanzen. Es wird mich in den Himmel heben und hinab in die Hölle schicken. Dein Blut wird mich sehr befriedigen. Mein Interesse gilt nicht deiner verdorbenen Seele. Sofern du überhaupt eine besitzt.“

      Kaum war das letzte Wort gesprochen, packte Feo Kun blitzschnell meine Handgelenke, drückte so fest zu, dass der Dolch aus meiner Hand glitt und klirrend zu Boden fiel.

      „Du kannst mich nicht töten“, zischte der Dämon, und sein Haar schoss in Flammen von seinem Kopf. „Wer bist du schon, dass du es wagst, dich gegen mich zu stellen? Ich bin ein Dämon, mächtig und alt. Ich fraß bereits Seelen, als es euch mindere Kreaturen noch nicht gab. Also, was willst du tun, Mädchen?“

      „Ich brauche keine Waffe, um mich an deinem Blut zu laben, Feo Kun.“

      Meine Worte verwirrten ihn, und ich benötigte nur diesen einen Augenblick der Starre, um zu bekommen, was mein war. Kraftvoll schlug ich meine Zähne in seinen Hals, riss Haut, Muskeln und Sehen auseinander. Schreiend hielt sich der Feuerdämon die blutende Wunde, aus der meine Belohnung sprudelte. Aus seinen weit aufgerissenen Augen wich die Arroganz. Ahm Fen kicherte über das Erstaunen, das aufflackerte. In der nächsten Sekunde lag der Dolch wie ein alter Freund in meiner Hand, beendete mit mir gemeinsam das begonnene Werk.

      Feo Kuns Körper fiel zu Boden und ich trank gierig aus seiner blutenden Wunde. Ich genoss meinen Sieg, schmierte mir sein Blut auf das Gesicht, Arme und Beine. Es brannte auf meiner Haut als stünde ich in Flammen, aber es machte mir nichts aus. Ich liebte das Gefühl sogar und kostete es aus.

      Du hast es dir verdient, triumphierte Ahm Fen, und lachte mit mir.

      „Es ist mein Sieg“, knurrte ich wütend über ihre falsche Freundlichkeit. Sie hörte mit dem Lachen nicht auf, genoss das Blut so sehr wie ich, aber das musste aufhören und zwar sofort. Es war mein Verdienst, nicht ihrer! Aus meiner Kehle drang ein tierähnliches Fauchen, Hitze überschwemmte meinen Körper und mit schmerzhaften Krämpfen in meinen Muskeln, wallte ein Feuer in meiner Brust hoch, das Ahm Fen in die hinterste Ecke meiner Gedanken verbannte.

      Götter brauchen Menschen, aber Menschen brauchen keine Götter, so sagte es die Alte.

      Ahm Fen war auf meinen plötzlichen Angriff nicht vorbereitet, genauso wenig wie ich selbst.

      Wer war ich? Was war ich?

      Es wurde Abend und ich entdeckte auf meiner Reise einen See, und nutzte die Gelegenheit, das Blut Feo Kuns von meinem Körper zu waschen. Zunächst suchte ich mir einen passenden Rastplatz und stellte eine einfache Falle auf, um für mein Abendessen zu sorgen. Ahm Fen betrachtete mürrisch mein Werk und hoffte, dass es keinen Hasen zum Essen geben würde. Sie bevorzugte Blut, aber für mich musste es auch noch etwas anderes geben. So wünschte ich es mir zumindest.

      Der Frühling nahte. Ich erkannte es nicht nur an den Pfützen des geschmolzenen Schnees, ich spürte es auch in meinem Knochen und in der Luft lag ein blumiger Duft, der die Kälte vertrieb.

      Das Wasser war eisig. Ich sprang kopfüber hinein und vor meinem Mund bildeten sich kleine Rauchwolken. Die Kälte schadete mir nicht und ich genoss mein Bad in vollen Zügen. Seit der Bergriesin veränderte sich mein Körper. Welche unheimliche Tür meiner Seele hatte sie geöffnet? Was geschah mit mir? Eine Sache machte sie mir ganz deutlich: Ahm Fen musste verschwinden und mittlerweile war es mir ganz recht. Die Reise lehrte mich Ahm Fens Rücksichtslosigkeit und ich gestand mir ein: Ahm Fen liebte nur sich selbst und benutzte mich als Trichter für ihre Leidenschaft.

      Auf den Rücken liegend öffnete ich die Augen und blickte in einen sternenklaren Himmel. Der Wintermond starrte bleich auf mich herab und mit ihm, schlichen sich Träume in meine Gedanken. Geheime Wünsche, die ich dem See anvertraute. Wie schön wäre es, ein Stern am Himmel zu sein? Die Stille, die Einsamkeit und nur die Anwesenheit von anderen Sternen, die liebten, wer sie waren. Es musste ein wahrer Segen sein.

      Du hast mich, flüsterte eine leise Stimme und wagte sich in einen Schritt in den Vordergrund. Seit dem Feuer kehrte Ahm Fen mir beleidigt den Rücken zu.

       Eine Reise mit mir ist jedes Opfer wert.

      Knurrend schüttelte ich meinen Kopf. Wie konnte ihre Stimme mir in den wenigen Tagen so lästig werden?

      „Eine Reise mit dir ist der Gang durch das Feuer. Es ist ein Albtraum.“

      Ahm Fen hatte mit ihren giftigen Worten mein Bad verdorben, und ich begann zurück zum Ufer zu schwimmen.

      Das Ufer lag noch weit entfernt, da sah ich den Nebel, der über das Wasser kroch. Mein Körper zitterte, doch nicht vor Kälte. Ich spürte sofort, dass der glitzernde Nebel kein natürlicher Nebel war, und dass der nächste Kampf mich erwartete. Der Nebel umschloss mich in einem Ring, ich sah nichts außer silbernem Dunst.

      „Wer zur Hölle wagt es, mich herauszufordern?!“, brüllte ich und schlug auf das Wasser. „Meine Waffen liegen an Land, du feiges Schwein!“

      „Waffen sind nutzlos“, antwortete eine Stimme.

      Der Nebel raubte mir die Sinne. Ich konnte nicht bestimmen, ob die Stimme von nah oder fern sprach. So wie der Nebel war sie überall. Der Dunst legte sich auf meine Haut, und ich tauchte unter Wasser. Ahm Fen hatte sich bereits in meinen Geist geschlichen. Ich ließ es nicht zu, dass ein Gespenst Besitz von meinem Körper ergriff. Gegen meinen Willen wagte es niemand mehr, mich zu berühren.

      Nach Luft schnappend tauchte ich wieder auf, hoffte unter dem Nebel hindurch geschwommen zu sein. Ich strich die nassen Strähnen meines roten Haares aus den Augen, und als ich die Augen öffnete, stand sie direkt vor mir. Ihre Kraft überrollte mich wie ein Donnerschlag, schnürte mir die Kehle zu. Mit ihrem Erscheinen verschwand der Nebel, sie schwamm ebenso nackt und unbewaffnet im Wasser wie ich.

      Immerhin, murmelte ich in Gedanken. Wollte sie kämpfen oder mich anstarren? Unruhig wand ich mich unter ihrem Blick, der über mein Gesicht strich und mir eine Gänsehaut bereitete. Auch meine Göttin regte sich in meiner Brust, zischend und übel gelaunt.

      Die Fremde sah aus wie ein Mensch, auch wenn ihre Kraft mir etwas gänzlich anderes deutete. Ihr langes, silbernes Haar schwamm auf der Wasseroberfläche, es funkelte im Mondlicht wie ein Meer aus Diamanten. Das Lächeln in ihren grünen Augen war freundlich, aber ich traute ihr keinen Fingerbreit. Eine Nackte, die aus dem Nichts erschien? Das konnte nichts Gutes bedeuten. Ich drückte meine Feindlichkeit mit einem Knurren aus.

      „Es wird keinen Kampf geben.“

      Die Fremde antwortete auf eine Frage, die ich mir gerade selbst gestellt hatte: Wie könnte ich sie am klügsten angreifen? Schätze deine Feine ein und handle schnell. Das waren einst die Worte meines Vaters. Mit guten Ratschlägen sparte er nie, gab mir aber nie Schwert in die Hand. Insgeheim war ich erleichtert. Ich wollte nicht gegen die Fremde kämpfen.

      Mich in den höchsten Tönen verspottend, fuhr meine Göttin ihre blutdurstigen Fänge aus. Sie tastete lüstern nach dem Blut der Fremden. Das Verlangen zerriss meine Brust und der Abgrund öffnete sich. Mit großen Augen starrte ich auf die Fremde, die nicht sehen konnte was mit mir geschah, oder etwa doch? Die Worte: Ich will dein Blut nicht, halte mich auf! lagen auf meinen Lippen, aber vor Verlangen quälten sich gurgelnde Laute aus meinen Mund. Die Frau schwamm näher an mich heran. Nein, dachte ich würgend, aber da war es zu spät. Meine Hände packten ihren Haarschopf, ihr Kopf wirbelte nach hinten und meine Zähne lagen knirschend