Stefan Landfried

Blutdienst


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unruhig von einem Fuß auf den anderen. Ob es wohl unseren Feinden auch so erging? Ich war erleichtert, als Thortryg die Ruhe mit seiner Stimme durchbrach.

      »Kämpfe gegen mich, Bruder! Dann werden deine Männer verschont. Heute muss nur einer von uns sterben. Dies ist deine letzte Gelegenheit.«

      Ein spöttisches Lachen war vom anderen Wall aus zu hören. »Ich soll dieses Bauerngesindel ziehen lassen, nachdem ich dich ausgeweidet habe? Das glaube ich nicht. Ich bringe Halid Reichtum und Macht. Doch zuerst müssen du und deine Brut hier sterben.«

      Langsam zog Thjodrec sein Schwert aus der Scheide. Meine Augen weiteten sich und mein Atem wurde schneller.

      Mit erhobenem Schwert brüllte er uns entgegen: »Tötet sie alle!«

      Mit diesen Worten bewegte sich der Schildwall des Feindes langsam auf unseren zu. Männer gingen im Gleichschritt. Auch wir klopften auf unsere Schilde und schritten der feindlichen Formation langsam entgegen. Der Schildwall ist kein Sturmangriff. Die Männer bewegten sich im Gleichschritt vorwärts und sobald die zwei Wälle gegeneinander trafen, fing das Gedrücke und Geschiebe an.

      Jeder Schritt, den es nach vorne ging, war ein Gewinn. Die Wälle versuchten sich gegenseitig zu zermalmen. Schilde hämmerten an Schilde. Klingen suchten ihre Ziele. Immer wieder versuchte eine Axt, mir den Schild zu entreißen, doch ich hielt ihn fest. Ein ohrenbetäubender Lärm ringsum sorgte dafür, dass ich nicht mehr wusste, wo auf dieser Welt ich eigentlich war. Es wirkte alles so unecht. Ich sah Fratzen hinter den Schilden hervorkommen. Manche waren verzerrt vor Anstrengung, andere vor Schmerz. Immer wieder spritzte mir Blut auf die Rüstung oder ins Gesicht. Manchmal sah ich eine abgetrennte Hand über die Köpfe der anderen hinweg fliegen. Der Boden wurde immer weicher von dem Blut, das in Strömen zwischen meinen Füßen floss.

      Ich dachte nicht nach. Ich beschützte nur meinen Vordermann, der wie wild hackte und zustach. Immer wieder bewegten wir uns ein paar Schritte zurück und dann wieder vor.

      Wenn wir nach vorne kamen, stiegen wir über Leichen hinweg. Ihre angstvollen und erschrockenen Gesichter, sofern sie noch eins besaßen, zeigten die Schrecken des Krieges sehr deutlich. Ich musste aufpassen, dass ich nicht auf Eingeweiden ausrutschte, wenn ich mich bewegte. Borg kämpfte ebenfalls erbittert. Sein Vordermann war gefallen und er rückte bereits in die zweite Reihe vor. Von dort aus sah ich ihn hacken und schneiden. Er brachte vielen Männern den Tod.

      Hinter mir hörte ich Rufe laut werden: »Aus dem Weg! Achtung!«

      Auf diesen Befehl hin öffneten wir den Wall einen Spalt weit und ich sah, dass hinter mir einige Männer eine Art Rammbock zwischen sich trugen. Sie stürmten an mir vorbei und brüllten, als sie auf die Schilde der Feinde trafen. So brachen sie durch den Wall und die Männer, die hinter dem Rammbock warteten, stürmten in die Bresche. Das gab uns Kraft, den Kampf noch erbitterter fortzusetzen.

      Auch mein vollgekotzter Vordermann stürmte los, um durch die Bresche zu kommen, und ich folgte ihm. Doch er kam nur wenige Schritte weit. An der feindlichen Linie, wo vereinzelt Soldaten, die vorher vom Rammbock überrannt wurden, wieder versuchten, auf die Beine zu kommen, traf ihn ein Schwert von der Seite am Hals. Röchelnd ging er zu Boden. Borg hatte Recht gehabt. Der Mann starb vollgekotzt und eingeschissen auf dem Schlachtfeld.

      Ich hackte direkt nach der Schwerthand, die meinen Vordermann niedergestreckt hatte, und zerteilte Fleisch und Knochen. Der Mann, dem die Hand gehörte, ging unter Schmerzensschreien zu Boden und wand sich in Blut und Gedärm.

      Ich stürmte weiter und versuchte, jeden Schlag von links mit meinem Schild abzuwehren, während ich mit der rechten Hand blind in die Menge schlug, die an mir vorbeizog. Ich glaubte, es sei sinnvoll, einfach so schnell wie möglich hinter die feindlichen Linien zu kommen, um von dort zu kämpfen

      Weiter und mehr verzweifelt als wissentlich stürmte ich an den Männern vorbei. Als der Widerstand geringer wurde, hörte ich auf und spähte über meinen Schild. Ich stand auf einer Fläche, die mir etwas Platz bot, hinter dem feindlichen Schildwall. Der schlammige Untergrund, aufgeweicht durch Feuchtigkeit und Bewegung, machte es mir nicht leicht, mich zu bewegen.

      Ich drehte mich wieder dem Getümmel zu und sah, wie ein großgewachsener Mann mit sehr breiten Schultern und prachtvoller Rüstung aus dem Gemenge auf mich zukam. Er war bereits älter und erfahren im Kampf. Das sah ich an der Rüstung und an seiner Art, sich zu bewegen. Er stürmte nicht einfach los, sondern behielt bedächtig seine Umgebung im Auge und schätzte mich ab.

      Da schwang er sein Schwert von oben, dem ich auswich. Aus der Drehung heraus hämmerte ich meine Axt in Richtung seines Halses. Er war schnell genug, um zu reagieren. Sein Schild schnellte nach oben und meine Axt prallte am eisernen Schildbuckel ab. Die Wucht ließ mich zurückfallen und nun kam der Krieger mit weit geöffneten Augen und einem Wutschrei auf mich zu. Mit all seiner Kraft versuchte er, mir den Schädel zu spalten, doch nun war ich schnell genug, um meinen Schild schützend vor mich zu halten. Die Kraft des Kriegers war beeindruckend. Nach diesem Schlag hörte ich das eisenbeschlagene Holz knacken und mein Arm wurde taub von dem Aufprall. Ich spähte über meine Deckung und sah gerade noch den Krieger ein weiteres Mal ausholen. Ich drehte mich zur Seite, sodass sein Schlag ins Leere ging. Hastig kam ich wieder auf die Beine. Dieser Krieger war sowohl stärker als auch schneller als ich. Kampfbereit stand er mir gegenüber.

      Ich wagte einen Angriff. Mit erhobenem Schild ging ich auf ihn zu und schwang meine Axt von unten. Er wehrte den Schlag mit seinem Schild ab und stieß seinen Oberkörper gegen meinen. Ich kam ins Straucheln und fand mich ein weiteres Mal auf dem Boden wieder. Etwas Warmes lief meinen Hinterkopf hinunter. Der Krieger kam lächelnd auf mich zu. Die Welt um mich herum verschwamm vor meinen Augen und ich war nicht fähig, meinen Schild zu heben. Ich begrüßte den Tod bereits, während ich meinem Feind in die Augen sah.

      Er hob sein Schwert, um mir den tödlichen Stoß zu verpassen, als ein Surren durch die Luft ging. Das Schwert meines Gegners fiel hinter ihm zu Boden und er sank auf die Knie. Blut lief über seine Brust und seine Hände umklammerten einen Holzstiel, der ihm im Hals steckte. Mit schreckhaftem Blick versuchte er, Luft zu holen, doch nur ein Röcheln war zu vernehmen. Er streckte eine Hand nach mir aus, bevor er zu Boden fiel und sein Leben aushauchte.

      Ich war immer noch benommen von dem Schlag auf meinen Kopf. Ich kam auf die Knie und ließ meinen Blick über die Schlacht gleiten, während ich versuchte, wieder klar zu werden.

      Die Männer der Wolfshorde kämpften wie die Helden aus den Sagas. Jeder stand für den anderen ein, und auf einen toten Wolf folgten vier tote Feinde. Überall sah ich Körperteile abgetrennt werden und Männer sterben.

      Mein Blick traf Thortryg, der sich gerade mit seinem Bruder einen erbitterten Zweikampf lieferte. Thortrygs Bein war verletzt und in seiner Schulter steckte ein Pfeil. Dennoch kämpfte er wie Tyr persönlich. Aber auch Thjodrec war ein bemerkenswerter Kämpfer. Er verstand viel vom Kampf. Thortryg schwang sein Schwert von oben herab, doch sein Bruder sah seinen Hieb kommen und parierte den Angriff, um dann seinerseits zu versuchen, ein paar Treffer zu landen. Thortryg hatte Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten. Seine verletzte Schulter machte es ihm schwer, seinen Schild zu heben, während seine Beinwunde anscheinend dafür sorgte, dass ihm die Kraft ausging. Das Schwert seines Bruders schlug in kurzen Abständen auf seinen Schild ein. Eine geschickte Finte und ein darauffolgender Schwerthieb gegen den Arm ließen Thortryg schließlich zu Boden gehen.

      Thjodrec stand triumphierend auf dem Schlachtfeld. Ich musste handeln. Ohne lange zu überlegen, rannte ich los und sprang über zwei ringende Männer, wich einem Schwerthieb seitlich aus und hackte diesem Angreifer meine Axt in die Kniekehle.

      Ich sah, wie Thjodrec zum letzten Streich ausholte. Meine Hände machten alles wie von selbst. Ich warf im vollen Lauf die Axt in Thjodrecs Richtung. Sie traf ihn im Rücken und vor Schmerz wirbelte er herum und sah mich mit hasserfüllter Fratze auf ihn zukommen. Thjodrec bereitete sich vor, sein Schwert zu schwingen, als wollte er mir den Kopf abschlagen. Ich ließ meinen Schild fallen und wollte unter dem Schwert durchrutschen, doch Thjodrec erkannte meine Absicht und machte eine geschickte Drehung, sodass er sich mit mir bewegte. Mit seinem Schwert erwischte er mich und fügte mir von der Hüfte bis zu