Shino Tenshi

Einfach nicht hinfallen


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um im nächsten Moment mit Beute aufzutauchen und diese nach und nach in meinen Mund zu schieben. Wir saßen zu dritt auf der großen L-förmigen Couch. Leon lag auf dem breiteren Teil, dann kam Alex und schließlich ich. Wir hatten uns einen Horror, einen Aktion, eine Komödie und einen historischen Film mitgenommen.

      Auf dem kleinen Couchtisch vor uns standen verschiedene Schüsseln mit Popcorn, Chips, Erdnussflips und Erdnüssen, sogar zwei Gläser mit Salzstangen. Um den Tisch herum standen einige Softdrinks. Ja, wir wollten heute einfach nur ungesund leben. Das musste hin und wieder auch mal sein. Einfach nur sein Leben genießen und wissen, dass man nicht alleine war.

      Ich rückte mich bequemer hin und konnte nicht verhindern, dass ich mir wünschte, dass Marc nun hier war und ich mich an ihn lehnen konnte, doch er war nicht hier. Bevor ich zu Leon gefahren war, hatte ich noch einmal versucht, bei ihm anzurufen. Mehr als die Mailbox erreichte ich aber auch dieses Mal nicht und ich sprach wie immer eine Nachricht auf sie.

      Meine Hand wanderte unbewusst zu dem Handy in meiner Hosentasche. Wie sehr wünschte ich mir, dass es einfach nur vibrierte und ich am anderen Ende die Stimme von Marc hören könnte, doch es blieb stumm. Schon seit Tagen. Außer Leon oder Alex riefen mich an, doch die Beiden saßen hier und plötzlich zuckte Alex neben mir zusammen.

      Mein Blick glitt auf den Bildschirm und ich erkannte nur den Mann, der in seinem Arbeitszimmer saß und sich die Aufzeichnungen von verschiedenen Morden ansah. Ich begriff nicht, warum die Zwei zusammengezuckt waren, doch plötzlich war dort ein komisches Gesicht, das sich bewegte, obwohl der Film stand und auch ich spürte, wie sich mein Herz kurz vor Schreck zusammenzog.

      Instinktiv griff ich noch einmal nach dem Popcorn, um so die Angst wegzuknuspern. Manchmal half es ganz gut, aber die Atmosphäre in diesem Film verschwand einfach nicht. Sie hing bedrohlich über allen Protagonisten und verteilte sich langsam auch bei uns im Wohnzimmer.

      Die Atmosphäre verschärfte sich weiter, als der Junge der Familie immer wieder zum Schlafwandeln anfing und Lärm machte, der auf alles hindeuten konnte, bis man erkannte, dass es nur das Kind war. Der Film fesselte mich mit jeder Minute mehr und ich begann Marc für diesen Zeitraum zu vergessen. Er rutschte ganz weit nach hinten und in meiner Welt existierte nur der Schrecken, der durch die Zimmer huschte und in dem Filmmaterial lauerte.

      Selbst als der Film zu Ende war, blieb ein beklemmendes Gefühl auf meiner Seele zurück und obwohl der Abspann lief, sagte erst einmal keiner von uns etwas. Ich spürte deutlich, dass auch Leon und Alex gerade versuchten das Gesehene zu verarbeiten, als schließlich die dunkle Stimme von Leon erklang: „Ach du Heilige! Das war krass!“

      „Ja“, stimmte Alex ihm zu und auch ich nickte nur kurz, bevor ich das letzte Popcorn in meinen Mund schob. Ich sah auf die Namen, die über den schwarzen Hintergrund glitten und versuchte zu verstehen was dort gerade passiert war. In solchen Momenten fragte ich mich, ob es so etwas wie Dämonen und Engel wirklich gab oder ob sie nur Hirngespinste von den Leuten aus dem Mittelalter waren. Aber wenn so etwas nicht in irgendeiner Art und Weise existierte, wie kamen die Menschen von damals dann auf diese Ideen. Warum sollten sie sich so etwas ausdenken? Ein Dämon, der die Kinderseelen befiel, die seine Bilder betrachteten.

      Ich schüttelte kurz den Kopf und seufzte dann, bevor ich mich in die Kissen der Couch sinken ließ und mein Blick zu meinen Freunden glitt. „Was meint ihr? Wollen wir jetzt die Komödie anschauen? Ich könnte jetzt ein wenig Auflockerung brauchen.“

      „Ja, das ist eine gute Idee. Hoffentlich habt ihr euch bei dem Film nicht getäuscht. Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, was an einem Film, der sich um das Finden von möglichst vielen Vögelarten dreht, komisch sein soll. Aber gut, ihr habt mich damals überstimmt. Ich mach mal kurz noch Popcorn. Alex, leg derweil den Film mal ein.“ Leon erhob sich und nahm die leere Popcornschüssel an sich, um dann damit zu verschwinden.

      Alex seufzte neben mir und stemmte sich in die Höhe, um die DVDs auszutauschen, wobei ich spürte, dass er reden wollte. Es hing einfach in der Luft und ich gab mir einen Ruck. „Schon seltsam auf welche Ideen die Leute kommen, nicht wahr? Ein Dämon, der durch seine Bildnisse die Seelen der Betrachter befällt und sie dann zu schrecklichen Dingen zwingt. So was gibt’s bestimmt nicht.“

      „Wenn du es glaubst. Wie heißt es so schön: Jede Geschichte hat einen Funken Wahrheit in sich.“ Die düstere Musik verschwand und kurz danach liefen die ersten Trailer zu anderen Komödien über den Bildschirm, als er schon zu mir zurückkam und sich neben mir niederließ.

      „Aber doch nicht so ein Film! Das ist rein fiktiv und darauf ausgelegt uns Angst zu machen!“, begehrte ich auf und sah das traurige Lächeln von Alex. „Ja, vielleicht ist es so. Es muss ja nicht der Dämon sein, der die Wahrheit in diesem Film ist, sondern es kann einfach der Fakt sein, wie stark uns die Kunst in der Seele berührt. Vielleicht auch die Tatsache, dass Faszination zu Besessenheit und zu Wahnsinn führen kann. Kennst du die Cube-Filme?“

      „Ähm… ich glaube nicht. Normalerweise schaue ich solche Filme nicht.“ Ich zuckte mit den Schultern und Alex lächelte nur kurz, bevor er sich bequemer hinsetzt. „In ihnen geht es darum, dass einige ausgewählte Menschen in einen Würfel gefangen werden, der aus vielen quadratischen Räumen besteht, die sich immer wieder neu formieren. Manche Räume waren sicher, andere mit Fallen ausgestattet. Der ein oder andere Film könnte durchaus so existieren, weil die Fallen realistisch waren, aber es ging nicht darum, sondern um die Grausamkeit der Menschheit. Wie schnell der Mensch alles tat nur, um selbst zu überleben, aber andererseits in der Gruppe dann solch eine Stärke entwickelt, um sein eigenes Leben für die anderen zu geben. Es ging nicht um ausgeklügelte Fallen und Menschen auf möglichst spektakuläre Weise umzubringen, auch wenn es auf den ersten Moment so wirkt, genauso wie bei den Final Destination Teilen. Sondern einfach, um die menschlichen Zügen und deren Fähigkeiten in einer Gruppe zu existieren. Final Destination zeigt eher die Unausweichlichkeit des Schicksals und wie machtlos der Mensch in Wahrheit ist. Deswegen mag ich diese nicht so sehr.“

      „Du siehst dir gerne solche Filme an, kann das sein?“ Ich sah ihn schräg von der Seite an und er lachte kurz auf, bevor er wieder mit den Schultern zuckte. „Nicht unbedingt. Leon mag sie und er schleppt mich meistens mit. Hast ihn ja gehört, dass er Filme nicht gerne alleine anschaut. So ist das auch mit Kino. Ich weiß nicht, er ist wahrscheinlich einfach nicht gerne alleine unterwegs.“

      Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Leon, der immer stark und unbeugsam wirkte, war in Wirklichkeit schwach und unsicher, was seine Position in der Gesellschaft anging. Das passte nicht zusammen, aber es zeigte auch wieder, dass der Mensch aus vielen Facetten bestand, die man erst nach und nach entdecken konnte und wahrscheinlich kannte man seinen Gegenüber niemals wirklich ganz.

      Schließlich kam Leon zurück und wir starteten den zweiten Film, der mit jedem Lacher die düsteren Gedanken vom Ersten vertrieb. Es tat gut, glücklich zu sein. Ich fühlte mich wohl und auch Leon lachte hin und wieder. Der Abend war schön und die Filme allesamt interessant. Sowohl der Film über Thor, als auch der historische Film über die Pest, in dem es darum ging, warum ein Dorf verschont blieb. Es war einfach ein angenehmer Abend und seit langem fühlte sich meine Seele mal wieder frei an…

      Kapitel 2

      Das Rauschen von Wasser drang an mein Ohr und ich spürte den Wind auf meiner Haut. Es fühlte sich alles vertraut an und als ich meine Augen öffnete, erblickte ich die Regenbogen-Brücke. Der Mond stand hoch am Firmament und ein Schatten beugte sich leicht über das Geländer, um in die Tiefen des Flusses zu sehen.

      Ich sah den Menschen an, der dort einsam stand, als plötzlich hinter mir das Lachen von Kindern erklang. Kaum hatte ich mich zu ihnen umgedreht, liefen sie auch schon an mir vorbei, sodass ich mich im Endeffekt einmal um die eigene Achse drehte. Die Kinder schlugen mit Stöcken auf sich ein und lachten dabei freudig. Der Schreck traf mich wie ein Blitz, als ich das Gesicht des einen erblickte und zu erkennen glaubte. Sein blondes Haar wehte unter seinen Bewegungen, während seine grünen Augen den Spielgefährten fixierten.

      „Du wirst mich nicht besiegen, Felix. Niemals!“ Der andere Junge hob siegessicher seinen Stock, als er weiter auf die Brücke