Birgid Windisch

Gefahr im Odenwald


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dann anbeißt – schnapp!“ Sie machte die Hals-ab-Handbewegung. „Also ganz bei Trost bist du nicht mehr“, meinte Wernher mit schmalen Augen. Oma schüttelte nur noch den Kopf. „Ihr zwei, eine so schlimm wie der Andere.“ „Wenn hier einer >schnapp< macht, dann bin ich das“, sagte Wernher bestimmt. „Aha, der Schnapper aus dem Hintergrund“, lachte Lene zittrig. „Keine Angst, Oma, du weißt doch, wir reden nur. Wir tun ihm nichts!“ „Jaja“, brummelte die Oma vor sich hin. „Ich kenne dich schon dein Leben lang, vergiss das nicht!“ Lene grinste vor sich hin. So schlimm war sie auch nicht. „Noch viel schlimmer!“, sagte die Oma düster, die Lenes Gedanken vom Gesicht abgelesen hatte. Wernher musste unwillkürlich lachen. Ja, in Lenes Gesicht konnte auch er viel lesen und das war gut so. Dann war er vorbereitet, wenn sie etwas ausbrütete.

      „Hier sind übrigens die Münzen“, warf er einen Leinenbeutel auf den Tisch. Lene griff sogleich danach und ließ ihre Hand durch die schweren Münzen gleiten. „Was meinst du, wieviel sie wert sind?“ Mit verträumtem Blick betrachtete sie eine dicke Goldmünze. „Wenn du es ganz genau wissen willst, könnte es Horst von einem Freund, der Juwelier ist, schätzen lassen, aber ich würde so pi mal Daumen sagen – mindestens hunderttausend Euro“, schätzte die Oma laut. „Der Pfarrer hat es von einem Freund schätzen lassen und dieser meinte, die Münzen wären weitaus wertvoller und könnten sogar eine halbe Million wert sein“, meinte Wernher trocken. „Kein Wunder, dass Hans uns verfolgt“, rief Lene erschrocken. „Er hat das sicher auch herausgefunden und wenn er so gierig ist, wie du sagst, will er sie unbedingt in seinen Besitz bringen.“

      „Na was denkst du denn? Menschen wie Hans und Madern kennen nichts anderes, als Gier, Neid und Missgunst und mir gönnen sie schon gar nicht das kleinste bisschen Glück, oder Reichtum“, bestätigte Wernher bitter Lenes insgeheime Vermutung. „Ach Manno, es könnte alles so schön sein, wenn es nicht so viel Schlechtigkeit auf der Welt gäbe“, rief Lene leidenschaftlich. Wernher nahm sie tröstend in die Arme. „Schh,. mein Lieb, mach dir nichts daraus, wir werden nicht zulassen, dass er unser Glück zerstört und einen Weg finden, um ihm die Suppe ein für alle Mal zu versalzen.“ Zärtlich küsste er sie, trotz Oma, liebevoll mitten auf die Lippen und Lenes Züge entspannten sich, während ihre Augen in Liebe erstrahlten. Nein, von solch einem ekelhaften Menschen, egal wie alt, würden sie sich auf keinen Fall ihr Leben und ihr Glück nehmen lassen. Entschlossen stand Lene auf, zog Wernher hoch und nahm ihn und die Oma in ihre Arme. Zusammen waren sie stark und sie glaubte ganz sicher, dass Gott auf ihrer Seite war und dass allein schon deshalb, Hans finsteren Plänen kein Erfolg beschieden sein würde. Ein Gedanke ließ ihr jedoch keine Ruhe – woher wusste Hans von den Münzen?

      Kapitel 9

      Wernher verschwindet

      Am nächsten Tag erwachte Lene von Vogelgezwitscher. Sie hatte das Fenster offengelassen und genoss mit geschlossenen Augen das Amselkonzert auf dem Baum vor ihrem Schlafzimmerfenster. Verträumt und zufrieden reckte sie sich und fasste neben sich auf die Matratze. Nanu, Wernher war schon auf? Normalerweise weckte er sie doch mit sanften Küssen und Liebkosungen. Vielleicht hatte er Durst gehabt, oder er war zum Bäcker gefahren, um sie mit Brötchen zu überraschen, dachte sie sich, bevor sie die Beine herausschwang und langsam aufstand. Im sechsten Monat ging alles mehr adagio – ruhevoller - aber sie war fit und fühlte sich wohl. „So soll es auch sein“, dachte sie zufrieden und zog ging ins Bad, um sich anzuziehen. Wernhers Kleider von gestern waren weg, also war er sicher zum Bäcker gelaufen. Lene dachte sich nichts weiter und lief die Treppe hinunter, an deren Aufgang sie schon die Hunde aufgeregt erwarteten. Nanu, wieso waren sie denn so unruhig? Lene machte sich nun doch langsam Sorgen und lief schnell in die Küche. Auf dem Tisch stand ein Brotkörbchen, eine Kanne Kaffee und eine leere Tasse. EINE leere Tasse nur? In Lenes Kopf schrillten die Alarmglocken. „Oma, Wernher, wo seid Ihr denn?“ Keine Antwort. Lene rief nun noch lauter nach den beiden und hörte Omas Stimme aus dem Keller nach oben dringen: „Ich bin hier unten. Bei der Waschmaschine!“ Wenigstens die Oma war da. Vielleicht konnte sie ihr ja sagen, wo Wernher war. Doch ihre Hoffnung erfüllte sich leider nicht. Nun ernstlich beunruhigt, setzte sich Lene an den Tisch, um von dem koffeinfreien Kaffee zu trinken und etwas zu essen. Ihr Kind brauchte Nahrung und sie selbst benötigte Kraft, denn es konnte sein, dass etwas passiert war, das ihr bald alles abverlangen würde, was möglich war. „Oma, weißt du, wo Wernher ist?“ „Spazieren, sagte er mir, wolle er gehen“, antwortete die Oma langsam. „Ich wunderte mich, dass er nicht auf dich warten wollte und auch die Hunde nicht mitgenommen hat, aber auf meine Frage daraufhin, meinte er nur, er wolle etwas nachschauen und das könne nicht warten.“ Die Oma sah Lene an, langsam begreifend. „Du meinst doch nicht etwa -“ „Doch!“, fiel ihr Lene verzweifelt ins Wort. „Er ist in die Vergangenheit zurück, um diesen blöden Hans zu suchen!“ „Oh nein“, rief Oma und schloss angstvoll die Augen. „Aber der ist doch hier!“

      Kapitel 10

      Lene ist verzweifelt

      Während Lene kopflos von einem Zimmer ins andere rannte, rief die Oma bei Jo an. „Hallo Jo, habt ihr Wernher gesehen?“ „Wieso?“, kam gleich Jos Gegenfrage. „Sucht ihr ihn?“ „Sonst würde ich nicht anrufen!“ Lenes Oma klang nicht gut in Jos Ohren. „Warte, ich komme gleich“, rief sie hilfsbereit. „Aber erst frage ich Michael noch, ob er etwas weiß!“

      Fünf Minuten später waren die Beiden schon da. Michael hatte es sich nicht nehmen lassen, gleich mitzukommen. Lene und Oma sahen die zwei erwartungsvoll an. „Und?“, stieß Lene hervor. „Wisst ihr was von Wernher?“ Michael schluckte schuldbewusst. „Ich hätte es mir denken können, aber ich war gerade so mittendrin in meiner Buchhaltung, da habe ich einfach nicht zwei und zwei zusammengezählt.“ Er senkte den Kopf. „Wie? Was meinst du denn?“ Lene sah ihn verzweifelt an. „Na, Wernher war da vorhin und hat mich ein bisschen ausgefragt.“ „Wie vorhin, wann denn? Und was hat er dich denn gefragt?“ Lene schüttelte aufgeregt Michaels Arm. Jo gab ihm von der anderen Seite auch einen Schubs, so dass er gegen Lene taumelte. „Bis der mal was rauslässt, ich musste es ihm wie Würmer aus der Nase ziehen!“ „Ja, was denn nun?!“ Lene brüllte es fast. Oma legt beruhigend den Arm um sie. „Er wollte wissen, wie er am schnellsten zu der Ruine der früheren Wasserburg kommt.“ „Was?! Du hast es ihm hoffentlich nicht gesagt?“ Schuldbewusst zuckte Michael die Achseln. „Er hätte auch so hingefunden. Der Wiesenweg führt ja direkt dorthin. Er sagte mir, dass sie früher über das Dorf Hausen hingelangt seien.“

      „Wann war das“, wollte Lene grimmig wissen. „Vor zwei Stunden ungefähr“, antwortete Michael leise. „Vor zwei Stunden?! Und da hieltest du es nicht für nötig, uns Bescheid zu sagen?“ Lene schüttelte wild den Kopf. „Aber warum sollte ich das denn tun? Wernher ist ein erwachsener Mann und auf mich macht er einen ausgesprochen vernünftigen Eindruck“, verteidigte sich Michael. „Wir wussten doch nichts von eurem Erlebnis auf der Starkenburg. Deine Oma hat es uns vorhin erst erzählt. Du hättest es uns sagen müssen“, mischte sich nun auch Jo ein. „Ihr habt ja recht“, meinte Lene kleinlaut. „Wer hätte das denn wissen sollen? Ich hab einfach nicht soweit gedacht!“

      „Er hatte Angst um dich, um seine Familie, du weißt doch, dass du sein ein und alles bist“, sagte die Oma mit leiser Stimme und drückt Lene zärtlich an sich. „Vielleicht ist er nur zur Erkundung und zum Schauen dorthin gelaufen - um sich ein Bild zu machen.“ „Nein, er ist weg, ich spüre es“, Lenes Stimme zitterte. „Ich muss sofort zu ihm und ihm helfen.“ „Bist du verrückt? Du bist schwanger“, rief Jo mit lauter Stimme. „Ja, schwanger von einem Mann, der verschwunden und in Gefahr ist“, meinte Lene bitter. „Jetzt vertrau ihm doch“, versuchte Michael zu beruhigen. „Trau ihm etwas zu. Er wird das schon gut und richtig machen. Er ist nicht dumm und weiß was er tut!“ Lene überlief ein Schauer: „Ja, das weiß ich, aber ihr habt keine Ahnung, welche Gefahren dort auf ihn lauern. Da kann er so gescheit sein, wie er will. Zusammen ist es ein wenig leichter, wir können abwechselnd wachen und schlafen zum Beispiel.“ Die Oma schüttelte nur noch den Kopf. Ihre Lene, immerzu musste sie helfen und konnte einfach nicht lockerlassen. Entweder hatte sie in der Erziehung etwas falsch gemacht, oder der Unfalltod