du es schon gehört?“
Joleen sieht meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Als ich sie betrachte, erkenne ich ihren vorsichtigen Blick.
„Was denn?“, frage ich sie und hebe dabei meine Augenbrauen ein Stück nach oben.
„Cole hat Heather nach nur vier Monaten Beziehung schon einen Heiratsantrag gemacht.“
Bei dieser Information bekomme ich große Augen, da ich damit nicht gerechnet habe.
„Freut mich für sie“, gebe ich nur zurück, da ich nicht weiß, was ich sonst sagen soll.
Ich kann Joleen ja schlecht verraten, dass die beiden nicht erst seit vier Monaten zusammen sind. Denn dann müsste ich ihr auch alles andere erzählen, und das will ich auf keinen Fall. Niemand kennt den wahren Grund für unsere Trennung. Und so soll es auch bleiben.
Überrascht schaut Joleen mich an.
„Ich freue mich wirklich für die beiden. Zwei Spinner haben sich gefunden.“
Bei diesen Worten wackle ich mit den Augenbrauen und stehe auf, um mir Pfannkuchen vom Büfett zu holen.
„Du hättest deinen Bruder gestern Abend sehen sollen“, fängt sie mit etwas anderem an, als ich zu meinem Platz zurückkehre. „Er war so betrunken, dass er nicht einmal mehr geradeaus laufen konnte.“
„Du warst also auch auf der Party“, stelle ich ausdruckslos fest.
„Sonst hätte ich nicht erfahren, dass die beiden heiraten wollen.“
Joleen zuckt mit den Schultern und schneidet sich ein Stück ihres Omeletts ab.
„Das habe ich nicht böse gemeint“, entschuldige ich mich, da ich ihren etwas schärferen Ton durchaus herausgehört habe.
„Ich weiß“, murmelt sie. „Ich glaube, dass einer seiner Jungs ihn nach Hause gebracht hat.“
Den Rest des Frühstücks verbringen wir lachend. Ich bin mir sicher, hätte sie mir die Nachricht von der Verlobung am Telefon übermittelt, wäre ich ausgerastet. Aber nicht, weil ich ihn noch liebe. Mittlerweile glaube ich sogar, dass ich ihn nie richtig geliebt habe. Sondern weil ich insgeheim gehofft hatte, dass er das Gleiche wie mit mir auch mit ihr abziehen würde. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Zwei Stunden später bezahlen wir und verlassen das Café. In dem Moment, in dem ich in Gedanken versunken den Gehweg betrete, pralle ich gegen etwas Großes und werde beinahe umgeworfen.
Starke Hände greifen nach mir und bewahren mich so vor einem unschönen Fall auf die Pflastersteine. Ich brauche ein paar Sekunden, bis ich mich wieder gesammelt habe. Als ich meinen Kopf ein Stück hebe, schaue ich in strahlend blaue Augen, die ich kenne. Überall würde ich sie erkennen.
Sean, schießt es mir durch den Kopf, als ich meinen Blick klarstelle und sein Gesicht betrachte.
Da er fast zwei Köpfe größer ist als ich, schaut er auf mich hinab. Langsam lasse ich meine Augen an ihm hinunterwandern. Auf seinen muskulösen Armen erkenne ich verschiedene Tattoos, die er damals noch nicht hatte. Er trägt ein Muskelshirt, durch das man seine trainierte Brust erkennen kann. Außerdem mache ich auch dort die Ansätze von Tattoos aus. Seine Haare sind durcheinandergewirbelt, was ihm den Anschein gibt, er wäre gerade erst aufgestanden.
Mein Mund wird bei seinem Anblick trocken und mein Herz beginnt zu rasen. Er sieht noch genauso gut aus, wie damals. Vor allem hat er aber noch immer die gleiche Wirkung auf mich, sodass sich in meinem Kopf ein riesiges Chaos befindet.
Vor mir steht der einzige Mann, den ich jemals geliebt habe. Der Mann, den ich verlassen habe, da ich es für das Beste hielt.
Kaum habe ich ihn erkennt, kommt mir der Nachmittag wieder ins Gedächtnis, an dem ich ihn verlassen habe. Reflexartig versuche ich meine Hände aus seinem Griff zu befreien, aber er lässt mich nicht los.
„Alles gut?“, fragt er mich.
Erschrocken zucke ich zusammen, fange mich aber schnell wieder.
„Ja … danke“, stottere ich verlegen. So unauffällig wie möglich atme ich tief durch.
Eine Weile sagt keiner von uns etwas. Wir stehen uns einfach nur gegenüber und betrachten einander.
„Ich hätte nicht gedacht, dass du mir gleich an meinem ersten Tag über den Weg läufst.“
Perplex schaue ich ihn an.
„Und was soll das bedeuten?“, kontere ich, nachdem ich endlich meine Sprache wiedergefunden habe.
„Ich meine das positiv. Um genau zu sein, bist du einer der Gründe, weshalb ich hier bin“, erklärt er mir und grinst mich dabei frech an.
„Sean …“, beginne ich, führe den Satz jedoch nicht zu Ende, da ich nicht weiß, was ich sagen soll.
In mir kommen all die Gefühle wieder hoch, die ich empfunden habe, als ich mich von ihm getrennt habe. Die Verzweiflung, die ich damals gespürt habe.
„Ich muss los“, bringe ich gerade noch hervor, mache dann aber keine Anstalten, aufzubrechen.
„Nein.“
Seine Stimme zeigt mir, dass er mich dieses Mal nicht einfach so gehen lassen wird.
Ich hebe meinen Kopf und schaue ihn an. Seine Lippen sind fest aufeinander gepresst. Als ich in seine Augen blicke, verliere ich mich in ihnen.
„Meine Freundin wartet“, flüstere ich.
„Ich lasse dich erst gehen, wenn du einwilligst, dich mit mir zu treffen. Eine Verabredung, mehr verlange ich nicht von dir.“
In mir macht sich das Gefühl breit, dass es nicht bei diesem einem Treffen bleiben wird, wenn ich jetzt Ja sage.
„Und was sagt deine Freundin dazu, wenn du dich mit deiner Ex triffst?“, frage ich ihn lauernd.
„Seit dir hatte ich keine mehr.“
Bei seinen Worten macht sich Verblüffung in mir breit.
„Okay“, antworte ich ihm, bevor ich genauer darüber nachdenken kann.
Innerlich gebe ich mir einen Tritt in den Hintern, aber eigentlich würde ich wirklich gerne einen Abend mit ihm verbringen.
Auf seinem Gesicht breitet sich ein zufriedenes Lächeln aus. Aber ich erkenne auch die Erleichterung in seinen Augen.
„Gib mir bitte dein Handy!“
Während er spricht, streckt er seine Hand aus. Kurz zögere ich, unsicher, ob ich das wirklich tun soll. Aber dann springe ich über meinen Schatten, ziehe das Handy aus meiner Tasche und reiche es ihm.
„Schreib mir, wo ich dich abholen soll, und wir sehen uns um acht Uhr.“
Sean gibt mir das Telefon zurück. Kurz betrachte ich die Nummer, ehe ich sie unter seinem Namen einspeichere.
„Nur ein Treffen“, erinnere ich ihn noch einmal.
„Wir sehen uns heute Abend“, raunt er, nachdem er sich ein Stück zu mir gebeugt hat.
Beim Klang seiner Stimme bildet sich eine Gänsehaut auf meiner Haut und meine Brustwarzen richten sich auf. Er hat immer noch die gleiche Wirkung auf mich wie früher.
Da ich kein Wort herausbekomme, nicke ich nur und drehe ihm den Rücken zu. Doch kaum habe ich mich umgedreht, entdecke ich Joleen, die nur ein paar Meter von uns entfernt steht und mich genau beobachtet.
„Seit wann stehst du da schon?“, frage ich sie, während ich hinter mir herziehe.
„Lange genug, um zu wissen, dass du heute Abend ein Date mit einem heißen Typen hast.“ Auf ihrem Gesicht breitet sich Zufriedenheit aus. „Ich finde das super. Du hast viel zu lange auf Spaß verzichtet, wegen Cole. Und nun, wo er wohl bald die Oberzicke heiraten wird, musst du ihm zeigen, dass du auch ohne ihn Spaß haben kannst.“